Bei der Arbeit ist es stressig, der Alltag ist hektisch, ein Termin jagt den anderen – die heutige Zeit scheint immer rastloser und geschäftiger zu werden. Ständige Erreichbarkeit, die sozialen Medien und schnelle Transportwege wie Jetsetting unterstützen das Phänomen.
Border-Collie-Syndrom: Jede freie Minute am Handy
Doch neben einem vollen Terminkalender gibt es noch einen weiteren Faktor, der uns dauerhaft „busy“ hält: unser Smartphone. Und das gar nicht mal besonders sinnvoll. Häufig greifen wir völlig unbedacht danach, werfen grundlos einen Blick auf den Bildschirm, oder scrollen gedankenverloren durch soziale Medien.
Für einige von uns wird dies glatt zur Gewöhnung, hinter der keine ernsthafte Intention steckt. Eine Ablenkungsstrategie, um jede Minute beschäftigt zu sein – das bezeichnet das sogenannte Border-Collie-Syndrom.
Was ist das Border-Collie-Syndrom?
Der Begriff, der an den stets arbeitsfreudigen, unruhigen Border Collie erinnert, beschreibt Menschen, die ein intensives Bedürfnis nach Beschäftigung und sozialer Interaktion verspüren, um sich sicher und erfüllt zu fühlen,
erklärt Dr. med. Steffen Häfner, Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie und ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos.
Der ständige Blick aufs Handy, das sinnentleerte Scrollen auf Social Media ist eine Bewältigungsstrategie, um eine innere Leere zu vertreiben. Jede freie Minute ohne Beschäftigung ist eine Herausforderung, der Gedanke ans Alleinsein löst Unbehagen aus. Deshalb sprechen Fachärzte sprechen in diesem Zusammenhang vom „Border-Collie-Syndrom“. Tatsächlich können ernsthafte psychische Probleme hinter dem Phänomen stecken.

Dr. med. Steffen Häfner ist Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie und ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos.
Warum müssen wir ständig beschäftigt sein?
Unsere Kultur feiert und fördert das „Busy-Sein“, es ist nahezu zu einem Statussymbol geworden. Verbringen wir zu viel Zeit allein, oder ohne Dinge zu erledigen, fühlen wir uns schlecht. Als sei unser Leben langweilig, als wären wir faul, als würden wir nichts aus unserer Zeit machen. Die Gesellschaft vermittelt uns ein schlechtes Gewissen und ein Gefühl von Unproduktivität.
„Das Border-Collie-Syndrom ist zwar keine medizinische Diagnose, aber ein hilfreiches Bild, um die ständige Rastlosigkeit zu verdeutlichen. Oft geht es den Betroffenen weniger um konkrete Erledigungen, sondern um die Vermeidung belastender Gefühle wie Unsicherheit oder Einsamkeit“, sagt Dr. Häfner.
Stets auf der Suche nach Ablenkung kreisen Betroffene um die Frage „Was könnte ich noch machen?“ und wirken dabei wie energiegeladene und arbeitssame Border Collies. Betroffene füllen ihren Kalender bis zum Rand, treffen sich ständig mit Freunden, treiben sich durch Aufgaben. Dr. Häfner warnt jedoch: „Dieses Verhalten birgt die Gefahr, dass echte Erholung sowie innerer Frieden auf der Strecke bleiben und die wahren Bedürfnisse dahinter übersehen werden.“

Sind psychische Probleme Ursachen für das Border-Collie-Syndrom?
In vielen Fällen ist das Border-Collie-Syndrom ein Hinweis auf psychische Schwierigkeiten. Oftmals tragen Betroffene ungelöste Probleme aus der Vergangenheit mit sich, etwa familiäre Konflikte, emotionale Vernachlässigung oder früh erfahrene Ablehnung.
Anstatt sich mit diesen Erlebnissen auseinanderzusetzen, versuchen sie, sich durch ständige Ablenkung zu stabilisieren. „Es gibt nicht die eine Antwort auf die Frage, woran es liegt, dass Betroffene ihr Wohlbefinden und ihr Selbstwertgefühl von äußerer Bestätigung und dem Gefühl, ständig unter Strom zu sein, abhängig machen – die Ursachen sind vielfältig und häufig reichen sie bis weit in die Kindheit zurück“, betont Dr. Häfner und führt aus: „Da auf Social Media soziale Bestätigung besonders leicht erreichbar ist, kann ein übermäßiger Konsum die psychische Gesundheit zusätzlich belasten und die Rastlosigkeit verstärken.“
Das kannst du gegen das Border-Collie-Syndrom tun
Fühlst du dich vom Border-Collie-Syndrom angesprochen? Dann solltest du dein eigenes Verhalten reflektieren und bei Anzeichen von Schwierigkeiten gegensteuern. „Ruhephasen sind unersetzlich für das Wohlbefinden“, betont Dr. Häfner und ergänzt. „Achtsamkeitstechniken oder Entspannungsübungen wie Meditation können helfen, das Alleinsein als Chance zur Selbstreflexion und Entspannung zu begreifen.“
Für Menschen, bei denen das „Border-Collie-Syndrom“ stärkere Ausmaße annimmt und zu einer echten Belastung im Alltag wird, empfiehlt Dr. Häfner eine psychotherapeutische Begleitung. „Durch eine Therapie lässt sich herausfinden, wo die Ursachen liegen, und langfristig ein gesunder Umgang mit den eigenen Emotionen finden“, so der Facharzt.
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