Bester Freund - auch bester Lover?

Bester Freund - auch bester Lover?

Vielleicht ist es die größte Leidenschafts-Lüge überhaupt, dass guter Sex Distanz braucht. PETRA-Autorin Jessica Braun fragt sich, ob Freundschaft in der Liebe nicht vielmehr das Beste ist, was einer Beziehung passieren kann.

Bester Freund auch bester Lover?© Dario Secen/Horizontal/Lumi Images/Corbis
Bester Freund auch bester Lover?

Es gibt Informationen, die überlasten das Gehirn. Zum Beispiel, wenn die Barkeeperin, die man bis vor einer Minute für ein cooles Surfer-Babe hielt, erzählt, dass sie für sich und ihren Lebensgefährten Onesies im Partnerlook bestellt hat. In „total niedlichem Türkis“. Sofort blockiert das Gehirn, höfliche Antworten wie „Ach, wie gemütlich!“ oder „Ist ja witzig!“ sind entfallen, die Frage „Und ihr habt trotzdem noch Sex?“ verbietet die Höflichkeit. Außerdem: Wenn man den Partner erst mal im türkisfarbenen Plüschkostüm gesehen hat, kann die Beziehung doch nur noch platonisch sein, oder? (Seal ließ sich an

Karneval von Heidi Klum als Schnappi verkleiden!) Das macht man vielleicht mit dem BFF, dem für immer besten Freund – aber nicht mit der Person, die man begehrt. Oder? Doch, macht man. Für die Mehrheit der deutschen Frauen ist der Partner auch der BFF. Ganze 75 Prozent gaben in einer von PETRA beauftragten forsa-Umfrage an, dass der Partner auch gleichzeitig der beste Freund bzw. die beste Freundin sein kann. Ist das nur Wunschdenken oder doch Wirklichkeit? Ist die Mehrheit tatsächlich mit einem Lebensgefährten gesegnet, mit dem sie morgens Sex haben und nachmittags im Jogger auf dem Sofa sitzend über Geldprobleme diskutieren?

Geht die Leidenschaft verloren?

In den USA gehört der Satz „Heute habe ich meinen besten Freund geheiratet“ zum Repertoire so vieler Hochzeiten, dass manche Psychologen Anlass zur Sorge sehen. „Freundschaft ist ein wichtiger Teil jeder Ehe. Wenn ein Partner jedoch alle Bedürfnisse abdecken soll, wird die Beziehung überstrapaziert“, sagt die US-Therapeutin Joyce Marter. Auch der deutsche Paartherapeut Michael Mary vertritt die Meinung, dass eine funktionierende Beziehung Distanz braucht: „Langzeitpaare kämpfen mit einem Dilemma: Liebe will Sicherheit und Geborgenheit, die Lust braucht Fremdheit und Aufregung.“ Wenn wir uns zu nahe sind, so die Auffassung, passt keine Leidenschaft mehr dazwischen. Stimmt. Aber haben wir nicht längst gelernt, damit umzugehen?

Freundschaft und Partnerschaft bei den Stars

In der PETRA-Umfrage sind es besonders die jungen Frauen, die in ihrem Partner einen Freund sehen wollen. Sie scheinen Nähe und Leidenschaft durchaus für vereinbar zu halten. Oder finden das eine wichtiger als das andere. „Ist Langeweile nicht besser als Leidenschaft?“, mutmaßte
auch Jennifer Lawrence in einem Interview. „Ich möchte lieber mit jemandem zusammen sein, dem es nicht peinlich ist, zu pupsen, wenn ich dabei bin. Ein friedliches Miteinander ist mir wichtiger als große Begierde.“ Ihre Haltung könnte ein Anzeichen für einen Wertewandel sein. Denn gerade in Hollywood – Heimat großer Egos und von Kollateral-Paaren wie einst Liz Taylor und Richard Burton – scheint Beständigkeit heute gefragter zu sein als Pathos. Ende September kam das Baby von Mila Kunis und Ashton Kutcher auf die Welt. Die beiden lernten sich 1998 während des Drehs der TV-Serie „Die wilden Siebziger“ kennen. Über Jahre besuchten sie gemeinsam Baseball- und Basketballspiele und gingen shoppen – allerdings nur als gute Freunde. Kunis war mit Macaulay Culkin zusammen, Kutcher mit Demi Moore verheiratet. Erst nach Kutchers Scheidung sah man die beiden Händchen halten. „40 verrückte Dinge, die dir passieren, wenn dein Freund auch dein Partner ist“, lautet ein Eintrag, den der 36-Jährige kürzlich auf seinem Medienportal veröffentlichte. Punkt 40 auf der Liste: „Du bist mit jemandem zusammen, der dich versteht, liebt, dem du vertraust und der dich so sehr zum Lachen bringen kann, dass dir der Bauch wehtut.“

Zweierbeziehungen gibt es schon lange. Die Idee, dass ein Mensch unsere sexuellen, emotionalen und spirituellen Bedürfnisse befriedigen und uns auch noch zum Lachen bringen soll, ist dagegen recht neu. Bis vor 200 Jahren war das Ziel einer Partnerschaft die gesicherte Erbfolge oder der Erhalt des Familienbetriebs. Erst seit der Gleichstellung von Mann und Frau ist die Liebe der häufigste Grund, der Paare zusammenbringt, und wir geben unsere Unabhängigkeit nur auf, wenn wir den Menschen treffen, der uns ergänzt. Vielleicht sogar vervollständigt. Was es bedeutet, eine Bindung einzugehen, lernen wir, meist lange bevor wir uns zum ersten Mal verlieben. Unsere erste selbst gewählte Beziehung ist normalerweise die beste Freundin. Ein Mensch, der uns so viel bedeutet, dass wir ihn nach der Schule sofort anrufen müssen – auch wenn wir den ganzen Morgen im Unterricht neben ihm gesessen haben. Sie ist Zeugin, wenn wir uns mit 14 Jahren die Haare grün färben und mit 16 in die Junge Union eintreten. Diese Freundschaft erträgt große Veränderungen und lächerliche Streite, weil wir ohne die andere nicht leben wollen. Doch dann gehen wir studieren, nehmen den ersten Job an, und die Beziehung wird zunehmend rationaler – was unkontrolliertes Gekicher und Telefonbeichten erst mal nicht ausschließt. Bis wir den Menschen treffen, mit dem wir eine Familie gründen wollen.

Freunde und Partner - das geht!

Für das Magazin „Interview“ trafen sich die „Girls“-Erfinderin Lena Dunham und die Schauspielerin Claire Danes zu einem Gespräch über Liebe und Freundschaft. „Ich habe das genauso erlebt – wie eigentlich jede Frau, die ich kenne“, sagte die 35-jährige Danes. „Als ich klein war, hatte ich diese eine Freundin, mit der ich das Zusammensein üben konnte. Dann wurde ich erwachsen, und an die Stelle dieser Freundschaft trat die Beziehung mit einem Mann.“ Lena Dunham pflichtete ihr bei: „Wenn wir jung sind, übernehmen unsere Freunde den romantischen Part in unserem Leben – und dann, wenn wir älter sind, die Männer den unserer Freunde.“ Wenn selbst Dunham überzeugt davon ist, dass sich Liebe und Freundschaft vereinbaren lassen, ist wohl tatsächlich etwas dran. Die 28-Jährige seziert verquast-romantische Beziehungsdynamiken normalerweise schneller, als man „Herzschmerz“ sagen kann. Was wir mit unserem Partner leben, muss ja auch keine bekloppte Partnerlook-und-Freundschaftsbändchen-Beziehung sein. Vielleicht eher eine coole Ausreißer-Abenteuer-Freundschaft. Und wenn unsere große Liebe mal keine Lust hat, sich mit uns zum Karatekurs anzumelden, dann nehmen wir eben jemand anders mit. Laut einer 2014 erhobenen Studie hat ein Drittel der befragten Frauen nämlich mehrere beste Freunde. Ist also nicht schlimm, wenn einer davon der Partner ist.
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