Eine Trennung in Zeiten von Facebook

Eine Trennung in Zeiten von Facebook

Was tut er, wo ist er – und wen mag er jetzt? Ein Klick später, schon weiß man Bescheid. Laut einer aktuellen Studie von Parship schnüffelt sich jeder dritte Deutsche durch das Profil des Ex-Partners. Marina, 29, war eine von ihnen. Hier erzählt sie ihre Geschichte

Unglückliche Frau mit Facebook auf dem iPad© pojoslaw, iStock/Thinkstock
Unglückliche Frau mit Facebook auf dem iPad

Videos von Katzenbabys, Das-Wetter-nervt-Posts, rechts erinnert mich eine viel zu lange Leiste daran, wo ich die nächsten Abende verbringe, Sandra präsentiert stolz ihre neue Frisur, zwanzigmal kommentiert. Bei Instagram begrüßt mich ein Grande Soja Latte, ein missglücktes Outfit und diverse Müslimischungen mit Joghurt und frischen Früchten. Genervt klappe ich das Notebook zu und steige in die Dusche. Dreißig Minuten Social Media am Tag mehr brauche ich nicht. Und mehr will ich auch gar nicht. Vor einem halben Jahr war das noch anders. Da wäre nur eine halbe Stunde Netzwerken am Tag eine Qual für mich gewesen. Kalter Entzug. Ich war abhängig – von meinem Ex-Freund und Facebook. Dabei begann der Zwang, Kai virtuell zu verfolgen, eher schleichend. Wie eine fiese Erkältung, die langsam immer schlimmer wird, der man aber nicht entkommen kann.

So wurde ich zum Facebook-Stalker meines Ex-Freunds

Fünf Jahre Beziehung vorbei – ich fühlte mich wie von einem Lastwagen überrollt. Noch ein Jahr zuvor war ich davon überzeugt, Kai zu heiraten. Den lang geplanten Kalifornien-Urlaub mit ihm zu verwirklichen. Das Haus am See zu kaufen. Und ja: eine Familie zu gründen. Nun zerplatzten meine Träume, weil Kai plötzlich merkte, dass er noch nicht für all das bereit ist. Er wollte sich noch mal austoben. Es zerriss mich innerlich, machte mich wütend. Ich fühlte mich leer. Wie eine Puppe, die man erst liebevoll ankleidet, um sie im nächsten Moment aufzuschneiden, auszuhöhlen und in der Ecke liegen zu lassen. Kai war weg, aber ich konnte ihn nicht gehen lassen – und klammerte mich an seine Facebook-Seite. Er hatte zwar unsere Freundschaft beendet, aber da wir gemeinsame Freunde hatten, war sein komplettes Profil sichtbar für mich. Am Anfang schaute ich alle fünf, sechs Stunden nach. So konnte ich zumindest sehen, wo er sich aufhielt, und indirekt an seinem Leben teilnehmen: Meldungen ploppten auf, die mir sagten, er sei bei einer Fortbildung in München oder einem Event. Bilder von Bierflaschen, Clubabenden und Privatpartys bei Instagram signalisierten mir: Der Mann hat Spaß! Und ich? Saß in dieser überteuerten Singlewohnung, mein Job in einer Werbeagentur füllte mich nicht aus, und abends hockte ich alleine auf meinem Sofa. Sah Meg Ryan und Tom Hanks bei ihrem Blind Date auf dem Empire State Building zu, während die Tränen auf mein Sushi-Menü für zwei Personen tropften. Mein bester Freund war Rotwein in rauen Mengen – und das Gefühl zu wissen, dass ich jederzeit auf Kais Profil zugreifen konnte.

Facebook wurde zur Sucht

Mit der Zeit entwickelte sich aus dem kurzen Kick eine Sucht. Ich hatte Schlafstörungen, wachte nachts um vier Uhr auf und musste mir meine Befriedigung holen. Danach schlief ich oft weinend ein, um am nächsten Morgen in einem Berg Taschentüchern aufzuwachen und mich zu fragen: Warum tust du dir das an? Ich hatte keine Antwort. Manchmal verschwand ich früher von der Arbeit und gab vor, zum Arzt zu müssen. Ich ließ Verabredungen mit der Ausrede "Ich habe Kopfschmerzen" sausen oder ging früher von einer Party nach Hause, weil mir plötzlich übel vom Alkohol war. Und das nur, um Kai ungestört kontrollieren zu können. In Gesellschaft von Freunden oder Arbeitskollegen habe ich mich das nie getraut. Meine Freundinnen wussten von alldem nichts. Ich fühlte mich wie eine Abhängige, die Angst hatte, aufzufliegen, und kam mir selbst schäbig vor. Aber ich konnte nicht anders – obwohl es mir jedes Mal wieder einen Stich versetzte, sobald ich Kais Gesicht sah. Für mich war er Mister Big, nur nicht ganz so alt – und ich war seine Carrie, nur ohne Manolo-Blahniks.

Wenn der Ex eine neue Freundin hat

Drei Monate später schleppte mich eine Freundin zu einer Party, auf der mich ein Kumpel von Kai fragte, wie es mir ginge und ob ich auch schon wieder in einer neuen Beziehung sei. „Auch?“, fragte ich. „Ja, er hat doch diese Neue, und ich dachte, du seist ebenfalls wieder vergeben.“ Das gab mir den Rest. Ich musste raus aus der Stadt. Weg von Kai, weg von seinen Freunden und vor allem: Ich wollte ihr nicht begegnen. Es reichte mir, dass sie in meinen Gedanken war. Ich fuhr zu meinen Eltern aufs Land. Das pustet den Kopf durch, dachte ich. Keine zwei Stunden später saß ich wieder vor dem Laptop. Ich musste wissen, wer diese Frau ist. Ich schluckte, klickte auf ihr Profil: Sehr viel Make-up, die Haare pechschwarz mit blauen Blocksträhnen. „Mit der?“, hörte ich mich laut sagen. Ich drückte auf Info und bekam die Bestätigung: "In einer Beziehung mit Kai W". Ein paar Klicks durch ihre Bildergalerie der letzten Monate genügte, um festzustellen, dass die Sache ernster ist: Kai und Sophie küssend auf einer Party, zusammen im Beachclub, beim Spazieren im Park, beim Essen mit Sophies Freunden. Darunter zahlreiche Kommentare wie: „Ihr seid so ein hübsches Paar.“ Es tat weh, die beiden in der Beziehung zu sehen, die ich mit Kai verzweifelt festhalten wollte. Ich musste mir eingestehen, dass er sich eigentlich gar nicht austoben wollte. Er wollte nur nicht mich.

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Die Sucht überwinden

Wann immer ich auf Sophies oder Kais Profil war, blickte ich in glückliche Gesichter, las Kommentare wie "Auf dem Markt mit meinem Süßen" oder, und das war noch schlimmer, seine vor Verliebtheit triefenden Worte unter ihren Bildern: "Du bist das Beste, was mir passiert ist". Ich verstand die Welt nicht mehr und musste mir doch jeden Tag wieder einen goldenen Schuss verpassen. Das ist jetzt fünf Monate her. Den Absprung schaffte ich erst, als ich ein Foto von Kai und Sophie auf der Golden Gate Bridge bei Instagram sah. Es war paradox: Auf der einen Seite war ich zutiefst verletzt. Unser Urlaub! Mir wurde aber gleichzeitig das erste Mal bewusst, dass ich aufhören musste, Kai zu kontrollieren. Ich fühlte mich erbärmlich, wollte aber wieder die selbstbewusste und starke Frau sein, die ich vorher war. Ich schüttete meinen Freundinnen das Herz aus, und mit viel Hilfe schaffte ich es, von Kai loszukommen. Ich weiß nicht, wie es ihm heute geht und ob er noch mit Sophie zusammen ist. Und keine Ahnung, wann ich das letzte Mal auf deren Profil war. Es interessiert mich nicht mehr. Dann schaue ich mir lieber kurz Videos von Katzenbabys an und wende mich danach wieder der Realität zu.

Experten-Tipps zum Thema Trennung und Social Media

Wir befragten den Sozialpädagogen und Psychotherapeuten Ole Andersen (beraterteam.info) zum Thema Netzwerk und Herzschmerz

Können soziale Netzwerke den Kummer verlängern?

Ja, absolut. Normalerweise dauert es ungefähr drei Monate, bis der Liebeskummer weniger wird. Wer aber über Netzwerke weiter in Kontakt mit dem Ex steht, benötigt mindestens doppelt so lange, um eine Trennung zu verarbeiten.

Woran liegt das?

Die meisten von uns nutzen diese Medien in erster Linie zur positiven Selbstdarstellung. Die Wirklichkeit wird verzerrt dargestellt. Das führt dazu, dass man denkt, dem Ex-Partner geht es schon wieder blendend – was gar nicht unbedingt stimmen muss.

Das Ausspionieren kann zur Sucht werden. Was kann man dagegen tun?

Man sollte vier Wochen komplett auf soziale Netzwerke verzichten, sofern das beruflich möglich ist. Nutzt man danach wieder so eine Plattform, muss man sich fragen: Geht es mir gut damit?

Wenn man den Exfreund als Kontakt löscht, weiß er, dass man verletzt ist. Will man das nicht lieber vermeiden?

In diesem Fall steht der Selbstschutz im Vordergrund. Es ist keine Schande, getroffen zu sein. Das unausgesprochene Ideal ist es heutzutage, sehr schnell über eine Trennung hinwegzukommen. Aber mal ehrlich: Wer möchte denn eine Beziehung führen, bei der man am Ende nicht eine Zeit lang verletzt ist? Es ist also völlig okay, in solchen Fällen den Kontakt zu löschen oder zumindest stark zu reduzieren.

Sind soziale Netzwerke nur böse?

Der einzige positive Aspekt ist, dass man den Verflossenen einfach wegklicken kann – und nicht völlig schockiert ist, wenn man ihn mit seiner neuen Freundin Arm in Arm auf der Straße trifft.

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