
In den 80er-Jahren war Tantra-Sex der Erotiktrend überhaupt: stundenlange sexuelle Erlebnisse, die besonders achtsam und ganz ohne Zeitdruck ausgeführt wurden. Ähnlich verhält es sich auch mit dem sogenannten Slow Sex.
Was ist Slow Sex?
Mindful Sex, Slow Sex oder Soul Sex regen die Wiederentdeckung der Langsamkeit und Achtsamkeit an. Die richtigen Techniken beim Sex sollen helfen, eingeschlafene Beziehungen aufzuwecken, eine stärkere Bindung zum Partner zu verspüren und – natürlich – besonders intensive Orgasmen.
Die Sexualtherapeutin Diana Richardson, auf die das Slow-Sex-Konzept zurückgeht, schwärmt: „Slow Sex bietet Paaren einen Weg, damit euer Sex wieder lustvoller wird.“
Beim Slow Sex handelt es besonders entschleunigte und achtsame Berührungen, bei denen jeder Moment voller Lust und Erregung genossen werden. Das Paar nimmt sich Zeit für das Liebesspiel – ganz ohne das schnelle Ziel des Orgasmus. Stattdessen wird sich auf die emotionale und körperliche Intimität fokussiert. Ganz ohne Leistungsdruck.
Ist ein Orgasmus beim Slow Sex verboten?
Ein Orgasmus ist beim Slow Sex keinesfalls verboten. Wie schon erwähnt, fällt ein Orgasmus beim Slow Sex häufig sogar noch intensiver aus denn je. Nur sollte der Höhepunkt bei dieser Form der Sexualität nicht das angestrebte Ziel sein. Das würde nur den Leistungsdruck erhöhen. Wenn es beim Slow Sex überhaupt ein Ziel gibt, dann ist es die Vereinigung von Mann und Frau – und das über zwei, drei Stunden lang in völliger Achtsamkeit.
So gelingt guter Slow Sex: 6 Tipps
Du möchtest dich an der sinnlichen, intensiven und intimen Variante des Miteinanderschlafens einmal ausprobieren? Wir verraten dir 6 hilfreiche Tipps, mit denen du garantiert wunderschöne Stunden mit deinem Partner verbringst.
1. Wie schalte ich vom Alltag in die Entschleunigung?
Bereits im Alltag solltest du für eine bewusste Körperwahrnehmung und mehr Achtsamkeit sorgen. Halte also immer mal wieder für eine Weile inne, setz dich gerade hin und atme langsam und tief in den Bauch hinein – spüre. Wo zieht etwas, wo wird durch die tiefe Atmung ein kleiner Schauer frei? Das stärkt die Verbindung zum Körper. Und: Schaffe zehn Minuten Stille nur für dich, abends nach dem Nachhausekommen oder kurz vor dem Sex.
2. Wie stimme ich meinen Partner auf Slow Sex ein?
In Slow-Sex-Seminaren beginnen die Teilnehmer ihre Übungen mit langsamen Bewegungen. Sie streicheln den anderen, ohne ihn erregen zu wollen. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn diese Art der Berührung am Körper führt weg vom typischen Erotik-Script. „Bleib im Erkundungsmodus“, rät Beziehungs-Coach Eva-Maria Zurhorst, „fahr so bewusst über die Haut, als ob du das noch nie zuvor getan hättest. Versuche, nicht mit den Gedanken abzuschweifen, sondern immer zum bewussten Berühren oder Spüren zurückzukommen. Das ist Achtsamkeit.“ Wichtig sei auch, dem Partner ständig Feedback zu geben: „Das ist angenehm“, „Wie fühlt sich die Berührung für dich an?“.
3. Was ist die perfekte Stellung für Slow Sex?
Klar, das Kamasutra soll nicht komplett nachgeturnt werden. Auch exotische Locations wie Motorhaube, Küchentisch oder Flugzeugtoilette sind für diese Art der Sexualität weniger geeignet. Macht es euch lieber bequem, schließlich sollt ihr in der Position auch lange aushalten. Als Stellungen eignet sich zum Beispiel „Der bestürzte Engel" – das ist eine Löffelchenstellung mit angewinkelten Beinen. Oder der „Magic Mountain“ – gebettet auf einem Haufen Kissen. Auch die klassische Missionarsstellung bietet viel Körperkontakt und ist bequem.
Heftige Stoßbewegungen sind natürlich tabu. Schließlich soll der Sex lange dauern. Statt der durchschnittlichen 20 Minuten kann es jetzt auch mal zwei Stunden zur Sache gehen. Wenn der Mann seine Erektion verliert, ist es nicht schlimm. Einfach weitermachen!
Wichtig ist, dass man sich als Paar nah ist und den Moment genießt. Auch wenn beim Slow Sex der Höhepunkt nicht im Fokus steht, kann das Paar am Ende natürlich auch kommen.
4. Sex ohne Fokus auf den Orgasmus - warum?
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir mit sexueller Energie umgehen können. Beim konventionellen Sex bauen wir Energie auf und entladen sie. Es gibt aber auch die Option, auf den Orgasmus beim Sex zu verzichten. „Dann tragen wir die Energie noch weiter in uns, das fühlt sich komplett anders an“, erklärt Diana Richardson, die Bücher und Workshops anbietet und sogar einen Anleitungsfilm (slowsex-derfilm.de) zum Thema Slow Sex gedreht hat.
Sie erklärt, warum der Orgasmus erst mal nicht das Ziel ist: „Gerade Frauen versuchen häufig zu verkrampft zu kommen. Dadurch verlieren sie jede Empfindsamkeit“, so Richardson. Sie verspricht: „Der Zustand, den eine Frau beim Slow Sex durch Entspannung erreicht, verhilft ihr zu einer Erfahrung, die über den normalen Höhepunkt hinausgeht.“ Die Therapeutin rät übrigens dazu, immer ein Gleitmittel zu benutzen, damit man die Notwendigkeit ausschaltet, sofort erregt und feucht zu werden. „Das nimmt noch mal Druck raus.“
5. Gibt es sowas wie einen achtsamen Quickie?
Absolut – wichtig ist nur, dass wir lernen, mehr Bewusstsein beim Sex zu entwickeln. „Der Liebesakt ist oft zu mechanisch“, sagt Diana Richardson. Auch bei einer spontanen Nummer zwischendurch kann man achtsam sein: „Wir müssen uns bewusst machen, was wir da tun. Das ist Achtsamkeit und hat den tollen Nebeneffekt, dass wir von ganz alleine langsamer und sensibler werden und mehr in den Körper hineinspüren.“ Ein Tipp der Expertin: „Versucht mal, beim Sex die Augen mit, so wie ich es nenne, einem empfänglichen Blick geöffnet zu lassen.“ Erregung pur!
6. Und was ist, wenn ich noch mehr will?
Schon mal von „Orgasmic Meditation“ (kurz OM) gehört? Entwickelt wurde diese Technik von Nicole Daedone, einer der wichtigsten Vertreterinnen der Slow-Sex-Bewegung in den USA. Die OM richtet sich an Frauen, die lernen wollen, die Kontrolle loszulassen und sich beim Liebesspiel zu entspannen.
Und so funktioniert’s: Die Frau legt sich beim Sex in ein weiches Nest aus Kissen, der Partner zieht einen Latex-Handschuh über, ölt sich den Zeigefinger ein und streichelt exakt 15 Minuten (vorher den Timer stellen) den oberen linken Quadranten der Klitoris. Dabei beschreibt der Mann genau, was er sieht und was in ihm vorgeht. Laut den OM-Erfindern werden dadurch Intimität und Aufmerksamkeit der Frau trainiert. Und nicht nur das: Das Selbstbewusstsein werde gestärkt und neue Lebensenergie freigesetzt.
Ein intensiver Orgasmus kann passieren – muss aber nicht sein. „Der Klimax ist bei dieser Form der Sexualität nicht das Ziel“, erklärt auch Daedone. „Das macht die Sache für Mann und Frau viel entspannter.“
Zugegeben, die Methode klingt ziemlich esoterisch, hat aber tatsächlich einen fundierten Hintergrund. Wie alle fernöstlichen Liebespraktiken zielt OM darauf ab, das limbische System zu stimulieren – den Teil des Gehirns, der für die Gefühle zuständig ist. „Je mehr sich der Mann auf das Streicheln und die Partnerin konzentriert, und je besser sie ihre Empfindungen fokussiert, desto stärker reagiert das limbische System“, so Daedone. „Und das Paar spürt intensiv die sexuelle Energie zwischen sich fließen.“
