
Man stelle sich folgende Situation vor: Ein Pariser Business-Typ geht in seiner Mittagspause zielstrebig auf eine Parkbank im Jardin du Luxembourg zu, schlüpft aus den polierten Budapestern und knüpft sich über den Maßanzug ein Baströckchen, das er aus seiner Aktentasche geholt hat. Während er über die Grünflächen tänzelt und sich nach Blümchen für seinen Haarkranz bückt, säuselt er „je t’aime, je t’aime“ und umarmt sich zwischendurch ganz fest. Miese französische Komödie? Nicht ganz. Man würde es nicht vermuten, aber unsere europäischen Nachbarn haben „Ho’oponopono“ für sich entdeckt. Kaum ein Franzose, der das gleichnamige Buch von Luc und Nathalie Bodin (Trinity, 208 S., 14,99 Euro) noch nicht in Händen gehabt und verschlungen hätte. Tja, und jetzt kommt der Bestseller auch zu uns. Kurz gesagt geht es darin um ein Vergebungsritual aus Hawaii, das mit Mantras arbeitet und zum Ziel hat, gelassener und nachsichtiger mit sich und seinen Mitmenschen zu sein und sich auf die schönen Seiten des Lebens zu konzentrieren.

Keine schlechte Idee. Natürlich denkt man als Erstes, dass Menschen, die vom Rauschen des Pazifiks geweckt werden und zum Frühstück frische Kokosnüsse schlürfen, ständig fröhlich sein müssten. Was ja Unsinn ist. Ob Maui oder Wanne-Eickel: Wenn wir in irgendetwas richtig gut sind, dann im Jammern, Neiden und Garstigsein. Und was braucht man dann? Einen Schubs, um das Leben wieder genießen zu können. Folgt man dem Buch, sollten wir permanent Mantras wie „Ich liebe dich“ und „Danke“ flüstern und Teil einer kosmischen Gemeinschaft werden – muss ja nicht sein. Aber eines kann man Ho’oponopono nicht absprechen, nämlich dass doch viele gute Ansätze drin stecken, die uns Nicht-Insulanern zu mehr Strandstimmung verhelfen – auch und gerade wenn wir gestresst, verschwitzt oder schwer gefrustet im Büro hocken.
Die Unihipili-Idee
Unihipili heißt „inneres Kind“ – und das schiebt die Schuld ganz gern mal auf andere: Der Chef macht wieder schlechte Stimmung. Das Wetter ist für die Müdigkeit verantwortlich – und Mutti ist sowieso Schuld an allem. Ho’oponopono rät, sich schleunigst aus der Opferrolle zu verziehen und sich zur alleinigen Akteurin dessen zu machen, was vor sich geht: also anpacken, statt zu verharren. Pläne verwirklichen, peu à peu. Und immer mal wieder in sich hineinhorchen, statt ferngesteuert vorzugehen. Dann muss man sich zwar selbst den Schuh anziehen, falls etwas schiefläuft. Darf umgekehrt aber auch stolz sein, wenn alles glattgeht.
Die Huna-Strategie
„Früher war alles besser“, „Das konnte ich noch nie“, „Klappt sowieso nicht“ – statt sich von derlei Glaubenssätzen beherrschen zu lassen, möchte die hawaiianische Lehre, dass wir mit der Vergangenheit abschließen und innere Zweifel überhören. So können wir unser Unterbewusstsein (= Huna) beeinflussen: Schlechten Gedanken wie „Schaffe ich eh nicht“ schickt man sofort einen guten hinterher: „Ich versuch’s!“ Statt Pessimistin zu sein, programmiert man sich positiv. Die eigenen Gedanken ziehen nämlich Situationen an, die sie bestätigen. Sprich: Wer morgens denkt „Das wird ein guter Tag!“, achtet viel mehr auf gute Nachrichten und nette Begegnungen, blendet Unerfreuliches einfach aus – und lässt sich nicht so einfach herunterziehen.

Eine anerkannte Studie besagt, dass Glück ansteckend ist: Hat jemand einen Freund, der weniger als 1,6 Kilometer entfernt wohnt und vor lauter Optimismus den ganzen Tag „Get lucky“ singen könnte, dann erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst auch glücklich wird, um 25 Prozent. Gleiches gilt natürlich für den engsten Familienkreis. Oder um mit Ho’oponopono zu sprechen: So, wie wir uns selbst gern von guter Laune und Zufriedenheit anstecken lassen, können wir unser Umfeld auch selbst positiv beeinflussen. Wenn wir ganz viel Mana Loa, also gute Energien freisetzen, so oft wie möglich lachen, uns belohnen, den Arbeitsplatz schön gestalten und unser Zuhause entrümpeln. Wenn wir Freude teilen, Motivation verbreiten, Bescheidenheit ausstrahlen – eine gute Aura um uns haben.
Das Aloha-Projekt
„Es ist, wie es ist.“ Ach nee. Welch nutzlose Erkenntnis, mögen Sie meinen. Aber es steckt eine tolle Haltung dahinter: Weil man manches einfach hinnehmen sollte, statt sich und andere gleich zu verteufeln. Nur weil man am Salattag mal sündigt, ist man noch nicht charakterschwach. Und nur weil die Kollegin Sie angezickt hat, herrscht noch lange kein Bürokrieg. Jeder Mensch hat seine Schattenseiten und Schwächen. Sie gelassen anzunehmen und mit einem Aloha, also mit Milde darüber hinwegsehen zu können zeugt von Stärke und Mitgefühl. Das bedeutet nicht, dass man nie an sich arbeiten sollte – und immer die Klappe halten muss, wenn man sich über jemanden ärgert. Aber meist macht es Sinn, die Dinge kurz sacken zu lassen und sich milde zu stimmen, bevor man sich und andere mit Vorwürfen überhäuft. Aloha!