Mit Hypnose seine Ängste überwinden

Mit Hypnose seine Ängste überwinden

Mit Hypnose lassen sich viele Ängste überwinden. Wir haben den Mentalisten Jan Becker getroffen und er verriet uns den ein oder anderen Hypnose-Tipp, der unser Leben in vielerlei Hinsichten einfacher macht.

Jan Becker© Katja Henschel
Jan Becker

"Wundermacher", so nennt er sich selbst. Zum Interview im Berliner Café Keyser Soze erscheint Jan Becker allerdings mit Schnupfennase und erzählt, dass sein Sohn gerade alle möglichen Viren aus der Kita mit nach Hause schleppt. Da bin ich erst mal erleichtert: Der Typ mit der Mondsichel-Frisur ist doch nur ein Mensch, und zaubern kann er anscheinend auch nicht. Dafür macht der 37-Jährige mit seinen Shows, Seminaren und Büchern die Kunst der Hypnose und des Gedankenlesens wieder salonfähig.

Vor ein paar Wochen habe ich mir seine Show angeschaut, in der er nicht nur Geburtstage oder Sternzeichen seiner Fans erriet, sondern zwanzig Menschen auf einen Schlag in den Tiefschlaf fallen ließ. Das war schon beeindruckend. Etwas Rest-Skepsis blieb – hat er den Leuten nicht vielleicht doch heimlich einen Geldschein in die Hand gedrückt, damit sie so tun, als ob?

Illustration Introvision© Sabrina Müller
Entspannt durch Introvision: Ganz gelassen durch Mentaltechnik

Tief durchatmen, und los geht’s

„Probieren wir’s aus“, schlägt Jan Becker vor. Er will den Namen einer Person erraten, die mir nahesteht. Ich schreibe „Nicole“ (meine Schwester) auf eine Visitenkarte und falte sie zusammen. Er zerreißt die Karte vor meinen Augen und fragt mich, wie ich mich fühle. Beklommen, traurig. Becker nickt: „Das ist dein Bauchgefühl.“ Die Schnipsel legt er in meine Hand, dann schließt er seine Finger darum. „Und jetzt schicke der Person ganz viel Liebe!“ Ich gebe alles, merke, wie mir warm wird. Becker nimmt meinen Block und schreibt etwas drauf: „Danke für deine Liebe, Nicole“ steht da. Oh Mann. Jetzt bin ich echt sprachlos. Es gab definitiv keine Möglichkeit zu tricksen. Auf Beckers Vorschlag hin rufe ich meine Schwester an und frage sie, ob sie auch gerade an mich gedacht hat. Tatsächlich, hat sie. Am liebsten würde ich jetzt einen Schnaps trinken, aber es ist mitten am Vormittag, und ich muss ja noch ein Interview führen. Also, tief durchatmen, und los geht’s.

Jan Becker© Katja Henschel
Psychologie:

PETRA: Mentalist ist ja eher ein ungewöhnlicher Berufswunsch. Wie kommt man dazu?

Jan Becker: Als Teeanger habe ich ein Buch darüber gelesen und es gleich ausprobiert. Mein erster Trick war, auf Partys jemanden als Brett zu hypnotisieren: so, dass man ihn auf zwei Stühle legen und sich draufstellen konnte. Das kam natürlich super an. Und was das Gedankenlesen angeht: Ich konnte immer schon relativ schnell eine Beziehung zu meinem Gegenüber aufbauen. Du kannst deine Kommunikation immer an dem messen, was zurückkommt. Wenn du das weißt, gehst du anders auf die Menschen zu und lässt dich anders auf sie ein. Das habe ich mit den Jahren verfeinert.

Was genau passiert bei einer Hypnose?

Die Hypnose ist eine Fokussierung auf eine Sache und daher mit einer sehr großen Entspannung verbunden. Wie ein Kameramann, der mit seinem Makro-Objektiv ganz nah an sein Objekt heranfährt und alles andere um sich herum vergisst. Ein Beispiel: Du beobachtest auf der anderen Straßenseite eine ältere Dame. Plötzlich kommt ein bellender Hund auf sie zugestürmt. Deine erste Reaktion ist: „O Gott, die arme Oma wird jetzt von diesem Hund angegriffen.“ Du bekommst Angst und rennst vielleicht auf die Straße und versuchst, die Frau vor dem Hund zu schützen. In der Hypnose ist es so, dass ich in diesem Moment hinter dir stehe und sage: „Die Frau hat den Hund von klein auf aufgezogen.“ Und sofort verwandelt sich die Realität für dich, weil der Kontext ein ganz anderer ist. Du bist in einem anderen Bewusstsein, du bist viel entspannter, die Leute um dich herum reagieren ganz anders. Das macht Hypnose.

Wir kennen inzwischen alle jemanden, der sich mithilfe von Hypnose das Rauchen abgewöhnt hat. Was ist noch möglich?

Im Prinzip alles. Natürlich kannst du nicht die Schwerkraft aufheben, aber alles, was mit deinem Geist zu tun hat, kannst du ändern. Selbstbewusster auftreten, Ängste oder Phobien abbauen. Weniger essen mehr Sport treiben. Es geht darum, Muster aufzubrechen. Manchmal hilft dir auch nur der Glaube, dass du das schaffst, und Hypnose gibt dir diesen Glauben.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

In meiner Show gibt es eine Nummer, in der vier Frauen einen schweren Mann nur mit ihren Fingerspitzen anheben. Am Anfang klappt das nicht. Und warum nicht? Weil sie die Vorstellung haben, dass es nicht funktionieren kann. Dann führe ich eine kurze Hypnose durch, und plötzlich heben sie den schweren Mann. Wir haben doch alle schon Geschichten gehört wie die von der Mutter, die ein Auto anhebt, weil sie ihr Kind retten will. Und plötzlich spürt sie diese übermenschliche Kraft.

Jan Becker© Katja Henschel
Psychologie:

Können Sie sich eigentlich auch selber hypnotisieren?

Da mich so eine Show viel Kraft kostet, muss ich meine Energieressourcen schnell wieder aufladen. Darum habe ich mir einen Anker gesetzt: Wenn ich Daumen und Zeigefinger zusammenpresse, erinnere ich mich an eine Situation, in der ich stark war. Das ist eine körperliche Suggestion, die ich mit einem emotionalen Zustand verbinde. Jeder kennt doch den Moment, in dem er einen alten Song hört, und sofort ist ein bestimmtes Gefühl wieder da.

Ist schon mal etwas schiefgelaufen während einer Show?

Es gibt eine Methode, mit der ich die Leute gedanklich an ihren Stuhl fessele. Ich biete ihnen Geld, wenn sie es schaffen aufzustehen. Aber es geht nicht. Bei einer Frau habe ich immer mehr geboten und war plötzlich bei 500 Euro. Und da presste und drückte sie sich von ihrem Stuhl – mit einer solchen Kraft, dass sie ein Haus hätte verschieben können. Nach der Show kam sie zu mir und sagte: Ich brauche das Geld so dringend, ich habe wirklich alles gegeben. Da dachte ich: Okay, der Trick ging zwar in die Hose, aber die Frau hat sich das Geld echt verdient.

Wie genau kann ich die Tricks aus der Show für meinen Alltag nutzen?

Unser Gehirn reagiert auf unseren Körper und umgekehrt. Ein Beispiel: Du hast ein wichtiges Vorstellungsgespräch. Kurz vorher stellst du dir vor, du hast gerade einen Sportwettbewerb gewonnen. Hebe die Arme in Siegerpose und mache dich so groß wie möglich. Halte diese Pose zwei Minuten lang. Auf diese Weise vermittelst du deinem Unterbewusstsein: Da draußen ist etwas Wunderbares passiert. Und als Reaktion wird Serotonin ausgeschüttet. Dann gehst du voller Selbstsicherheit in das Gespräch.

Wie überzeuge ich meinen Geist, wenn ich ein paar Kilo abnehmen will?

Es gibt einen einfachen Satz aus der Sucht- Therapie, und der heißt: Nur für heute. Du sagst nicht: Ich werde nie wieder Schokolade essen. Sondern: Nur für heute lasse ich die Schokolade weg. Das ist realisierbar, weil es sich um einen überschaubaren Zeitrahmen handelt.

Letztes Beispiel: Ich habe ein Date mit einem Mann in einer Bar, bin aber wahnsinnig schüchtern. Was mache ich?

Stell dir vor, du bist ein Engel. In dem Moment, in dem du die Bar betrittst, faltest du deine Flügel aus und fängst an zu lächeln. Sofort verändert sich deine Körperhaltung. Das ist schon ein hypnotisches Ritual, weil du deinen Realitäts-Moment verlässt. Alle, die diesen Trick mal einen Abend lang ausprobiert haben, berichteten mir später, dass sie noch nie so viele Menschen kennengelernt haben.

PETRA-Redakteurin Iris Soltau ließ sich von Jan Becker mal so richtig stark machen

Jan Becker© Katja Henschel
Psychologie:

Selbstversuch? Muss sein!

Nach dem Interview bitte ich Jan Becker, einen kleinen Hypnose-Trick an mir auszuprobieren. Er legt seinen Daumen auf meine Stirn. Ich soll mir vorstellen, wie all meine Energie aus dem Körper zu dieser Stelle fließt und die Buchstaben meines Vornamens in diesem Strudel tanzen. Es fühlt sich warm und kribbelig an. Ab jetzt, verspricht mir Becker, werde ich mich immer, wenn ich meinen Namen höre, lese oder ausspreche, ganz stark und energiegeladen fühlen. Der Test: Wir gehen auf die Straße. Ich breite die Arme aus und hebe ein Bein an. Das ist sehr wackelig, darum falle ich gleich um, als Becker an meinem Arm zieht. Beim zweiten Mal rufe ich laut meinen Namen, und tatsächlich: Ich stehe fest wie ein Baum! Absolut unschubsbar. Wow! Ab dem 28.2. ist Jan Becker auf Tournee, alle Termine unter jan-becker.com. Buchtipp: „Du wirst tun, was ich will: Hypnose-Techniken für den Alltag“, Piper, 256 Seiten, 9,99 Euro

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