
Sofia Coppola liebt das stilvolle Understatement: Zum PETRA-Interview in Cannes erscheint sie in dunkelblauer Hose und einer fast biederen hellblau-weißen Bluse, die sich bei näherem Hinsehen als feines, gestärktes Leinen entpuppt. Am Vorabend hat sie ihren Film "The Bling Ring" (Start: 15.8.) mit Emma Watson vorgestellt, die wahre Geschichte einer Teenie-Clique, die in Villen von Paris Hilton, Lindsay Lohan und anderen Celebrities einbricht, Schmuck und Designerkleidung im Wert von mehr als drei Millionen Dollar stiehlt und es so selbst zu zweifelhaftem Ruhm bringt.
Wir sprachen mit Sofia Coppola über Luxus, Lifestyle und wie es war, Paris Hiltons Villa zu durchwühlen.
PETRA: Frau Coppola, die Story von "The Bling Ring" klingt verrückt, ist aber wirklich so passiert …
Sofia Coppola: Ja, und als ich davon erfuhr, wusste ich: Das muss ein Film werden! Raubüberfälle, Jugendliche, die außer Kontrolle geraten, und alles vor dem Hintergrund unseres heutigen Zeitgeists der Celebrity-Kultur, der Selbstinszenierung über soziale Netzwerke wie Facebook und der allgemeinen Markenbesessenheit.

Die "Bling"-Kids stehlen nicht aus Armut, sondern stammen aus gut situierten Familien. Was trieb sie zu den Einbrüchen?
Sie waren obsessiv mit ihrem Look, ihrem Status und ihrem Ruhm beschäftigt. Ein Phänomen, das sicher auf viele zutrifft, nur hat diese Gang es extrem ausgelebt. Darauf war ich neugierig, beispielsweise, welchen großen Einfluss Reality-TV auf Jugendliche ausübt und ihnen suggeriert: Jeder kann berühmt sein, auch ohne große Leistung.
Sie sind selbst Mutter zweier Töchter. Wie schützen Sie sie vor diesen Einflüssen?
Mir ist die Gefahr sehr bewusst. Ich möchte Cosimas und Romys "Unschuld" bewahren, solange ich kann. So versuche ich beispielsweise, den Überblick zu behalten, was sie im Fernsehen sehen. Mit Erziehung lässt sich schon noch etwas ausrichten! Im Alltag der "Bling"-Kids waren die Eltern dagegen kaum präsent. Ich reise mit der Familie viel nach Paris (Coppola ist in zweiter Ehe mit Thomas Mars, Sänger der französischen Popband "Phoenix", verheiratet). Europa ist von der "Bling"-Kultur nicht so stark betroffen.
Finden Sie den ganzen "Du bist, was du trägst"-Lifestyle übertrieben?
Das muss jeder selbst wissen. Ich schätze Luxusartikel, die sich durch wunderbare Qualität, Machart oder Ästhetik auszeichnen. In Maßen habe ich nichts dagegen einzuwenden.
Ich liebe schöne Dinge, bin verrückt nach Design, Kunst, Ästhetik und Fotografie. Ich finde es schön, als Frau das Privileg zu haben, mich mit Mode auszudrücken. Aber Luxus, mit dem geprahlt wird, der bewusst zur Schau gestellt wird, der geht mir gegen den Strich. Das ist für mich Exzess. Aber sonst bin ich keine Puritanerin!
Als Zuschauer wird man geradezu Komplize der Luxusraubzüge, vor allem, weil Sie in Paris Hiltons Villa filmen durften. Das kann ja auch nicht jeder.
Eine Freundin hatte mir den Kontakt verschafft. Ich weiß gar nicht mehr, was uns geritten hat, sie bei der Begehung zu fragen, ob wir dort auch drehen dürften. Jedenfalls sagte sie Ja! Das war ein Glücksfall, denn wir hätten nicht mal genug Geld gehabt, um ihren eigenen Nachtclub nachzubauen.
Aber die ganzen Paris-Hilton-Sofakissen und Selbstporträts verdanken wir doch Ihren Ausstattern, oder?
Nein – das sah dort alles so aus. Die Erfahrung, mit der ganzen Crew durch die Villa zu spazieren, war unglaublich. Und für das Publikum ist es sicher auch ein Riesenspaß, ihr tatsächliches Zuhause zu sehen.
Haben Sie wirklich nichts übertrieben, etwa den Schuhsalon mit den gefühlten 1000 Paar High Heels in allen Farben?
Der haut einen um, oder? Unsere Schauspieler waren auch ganz begeistert. So was von over the top – gehört aber alles ihr. Das Einzige, was wir ergänzten, waren die Kleidungsstücke, die die Kids im Film klauen.


In puncto Privatsphäre könnten Sie und Paris Hilton nicht unterschiedlicher sein …
(lacht) Das stimmt! Sie geht mit ihrem Privatleben sehr offen um, und ich halte meines lieber unter Verschluss.
Dabei hat Ihr Vater, der berühmte Regisseur Francis Ford Coppola, Sie sogar schon bei der Geburt gefilmt.
Und als der Arzt sagte: "Es ist ein Mädchen!", fiel ihm vor Überraschung prompt die Kamera aus der Hand. Nach zwei Söhnen rechnete er gar nicht mehr mit einer Tochter.
Das Kino bestimmte fortan Ihr Leben. Wollten Sie eigentlich immer schon in die Fußstapfen Ihres Vaters treten?
Ich bin zwar zwischen Kulissen groß geworden, brauchte aber eine Weile, bis ich überhaupt wusste, was ich wollte. Wie eine typische 18-Jährige eben: Ich bin zu Hause ausgezogen, probierte dann am College unterschiedliche Sachen aus. Mit Anfang 20 besaß ich eine Modefirma. Aber als ich meinen ersten Kurzfilm drehte, fühlte ich mich am wohlsten. Nach meinem ersten Film war der Einstieg geschafft, ohne dass ich es besonders bemerkt hätte.
Warum befassen Sie sich in Ihren Filmen so oft mit Teenagern, ihrer Verwundbar- und Orientierungslosigkeit?
Mich fasziniert die Phase, in der die Menschen versuchen, ihre eigene Identität zu begründen. Die "Bling"-Kids dachten, sie könnten sich eine andere Persönlichkeit zulegen, indem sie die Design-Klamotten und Schuhe der Stars stehlen und anziehen, die sie bewundern.
Sie galten früher vor allem als "Tochter von", das macht die Identitätsfindung sicher auch nicht einfach.
Ich kann für mich nur sagen, dass ich mich heute, mit 42 und an dem Punkt, an dem ich jetzt in meinem Leben stehe, sehr, sehr wohlfühle! Ich bin mir sicher, wer ich bin.
Ist der Familienzusammenhalt der Coppolas wirklich so eng, wie man immer liest?
Ja, wir sind innig miteinander verbunden und mit dem Credo erzogen worden, dass Familie das Wichtigste ist. Das muss an unseren italienischen Wurzeln liegen.
Ist der Kontakt zum deutschen Teil Ihrer Familie genauso intensiv?
Oh ja. Meine Schwiegermutter kommt aus Hamburg. Ihr Bruder, also der Onkel meines Mannes, ist ein Filmkritiker. Hellmuth. Kennen Sie ihn?
Ja, Hellmuth Karasek. Ihn kennt man auch außerhalb Hamburgs.
Oh, cool …