15 Dinge, die Sie über Kunst wissen sollten

15 Dinge, die Sie über Kunst wissen sollten

Warum ist der „Balloon Dog“ 58 Millionen Dollar wert? Darf man über ihn lachen? Alle reden über zeitgenössische Kunst, aber was ist wirklich wichtig? PETRA-Autor Jürgen Ziemer klärt auf

Frau betrachtet moderne Kunst© DanComaniciu, iStock/Thinkstock
Frau betrachtet moderne Kunst

1 WORAN ERKENNT MAN GUTE KUNST?

Wenn ein Werk allzu perfekt glänzt, gilt es unter Kritikern meist als Kitsch. Andererseits erkennt oft schon ein Laie, dass zum Beispiel ein Volkshochschul-Aquarell „Sonnenuntergang“ unmöglich Kunst sein kann. Und so ist es in der Regel auch. „Kunst soll wie Kunst und gleichzeitig wie Nicht-Kunst aussehen, um als Kunst anerkannt zu werden“, behauptet der Theoretiker Boris Groys. Diesen Widerspruch kann der Künstler nur lösen, wenn er rechtzeitig mit der Arbeit aufhört. Weniger ist meistens mehr!

Balloon Dog von Jeff Koons© Getty Images
Wissenswertes: Der "Balloon Dog" von Jeff Koons

Jeff Koons gilt derzeit als teuerster lebender Künstler, sein „Balloon Dog“ wurde gerade für 58,4 Millionen Dollar versteigert. Die Käufer solcher Werke sind oft Internetmilliardäre, Investmentbanker oder Immobilien-Tycoons. Vielen geht es darum, den eigenen Reichtum und Geschmack zur Schau zu stellen. Ein Dutzend Edellimousinen steht schon in der Garage – warum nicht ein berühmtes Gemälde kaufen, das so teuer ist, wie das Appartement, in dem es hängt?

Gemälde von Jean Michel Basquiat© Getty Images
Wissenswertes: Gemälde von Jean-Michel Basquiat. "Untitled (Yellow Tar and Feathers)" erzielte über $ 25 Mio.

Ein Bild des Graffitikünstlers Jean-Michel Basquiat erzielte im letzten Jahr bei einer Auktion eine Wertsteigerung von fast 100 Prozent. Verlockend, oder? Um mitzubieten hätte man allerdings fast 50 Millionen Dollar gebraucht – und obendrein noch genug Kleingeld für Versicherung, Transport und eine sichere Lagerung. Wenn man Kunst liebt und gelegentlich etwas Bezahlbares kauft, kann man mit ein bisschen Glück eine Wertsteigerung im Kleinen erleben. Das Risiko an der Börse ist allerdings geringer.

4 IST IN DER KUNST ALLES ERLAUBT?

Nein. Was die Freiheit in der Kunst angeht, ist Ai Weiwei das prominenteste Beispiel für die Versuche autoritärer Regierungen, Künstler zu beschneiden.

Bilder von Otto Muehl© Getty Images
Wissenswertes: Fotografien von Otto Muehl

Doch auch bei uns gibt es Grenzen. Die haben weniger mit Regimekritik zu tun als mit dem Straf und Jugendrecht. Berüchtigt war der im letzten Jahr verstorbene Wiener Aktionskünstler Otto Muehl, der die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufheben wollte. Er provozierte mit Kot, Blut und Gedärmen und wurde in den Neunzigern wegen „Beischlaf mit Unmündigen, Unzucht und Vergewaltigung“ zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

5 KANN MAN KUNST LERNEN?

„Kunst ist weder lernbar noch lehrbar. Kunst entspringt ihrem Instinkt. Die Wesen, die von der Lehrbarkeit der Kunst sprechen, sind entweder Mitläufer, Mittelmaß oder im besten Falle Diktatoren“, behauptet der Künstler Jonathan Meese. Vielleicht bereiten Kunstschulen ihre Talente zumindest auf das Leben als Künstler vor – und bringen ihnen bei, wie man sich in der knallharten Kommerzwelt des Kunstmarkts behaupten kann, ohne sich verbiegen zu müssen.

Werk von Banksy© Getty Images
Wissenswertes: Werk von Street-Art-Ikone Banksy

6 WAS IST ZURZEIT DER WICHTIGSTE KUNSTTREND?

Der deutsche Pop-Art-Künstler Jim Avignon hat dazu eine klare Meinung: „Street Art. Die ich allerdings ziemlich langweilig finde. Viele denken dabei an Banksy, aber der ist eher eine Ausnahme. Street-Art ist inzwischen weniger ein Name für Kunst, die auf der Straße stattfindet, als ein gut verkäuflicher Trend. Man möchte damit ein junges Publikum ansprechen, deshalb ist alles sehr schrill und poppig. Es gibt wahnsinnig viele Totenköpfe in Neonfarben, und Stefan Strumbel, einer der Shootingstars der Szene, bemalt Kuckucksuhren in knalligen Farben. Und das ist leider das Level, auf dem sich Street-Art überwiegend bewegt.“

7 KANN ICH AUCH MIT WENIG GELD KUNST SAMMELN?

„Ja“, glaubt Jim Avignon, der bei seinen Ausstellungen immer darauf achtet, dass es auch Bilder für weniger als 100 Euro gibt. „Aber man muss viel anschauen, viel wissen und unbedingt eine eigene Meinung und einen eigenen Geschmack haben. Es lohnt sich, unbekannte Künstler in kleinen Galerien zu kaufen.“ Filmtipp: Die Doku „Herb & Dorothy“ (über amazon.de) erzählt die Geschichte zweier ehemaliger städtischer Angestellter, die es zu einer enormen Sammlung gebracht haben.

Gilbert & George© Getty Images
Wissenswertes: Gilbert & George

8 WARUM SIND KÜNSTLER OFT SO EXZENTRISCH?

Weil wir es von ihnen erwarten. Während viele Menschen in den Mechanismen eines 9-to-5-Jobs stecken, sollen Künstler stellvertretend ein Leben voller Freiheit, Kreativität und Ausschweifungen führen. Das ist natürlich ein Klischee, aber eines, auf das die Künstler selbst gerne hereinfallen. Die Stilisierung des eigenen Lebens kann aber auch zum wichtigen Bestandteil eines Werks werden. Das beste Beispiel sind Gilbert & George, die sich seit den Sechzigern als lebende Kunstwerke inszenieren.

Gemälde von Elefanten© Getty Images
Wissenswertes: Von Elefanten gemalte Bilder im Grant Museum of Zoology

9 KÖNNEN TIERE MALEN?

Das Londoner Grant Museum of Zoology zeigte 2012 die erste Ausstellung mit Kunst von Tieren, vor allem von Elefanten und Menschenaffen. Der Schimpanse Congo – offensichtlich ein Avantgardist, der seiner Zeit voraus war – malte bereits in den fünfziger Jahren vor den Live-Kameras der BBC. Congo hatte oft gleich mehrere Leinwände vor sich und wurde böse, wenn ihm ein Pfleger ein Bild wegnahm, bevor es fertig war.

"Fountain" von Duchamps© Getty Images
Wissenswertes: Die Installation "Fountain" von Duchamps

Kunst ist ein Versuch, die Welt zu zeigen und zu begreifen. Am Anfang genügten Höhlenmalereien, später waren Schlachtengemälde gefragt. Je komplexer die Gesellschaft wurde, je weiter Technik und Möglichkeiten voranschritten, umso abstrakter und artifizieller wurde die Kunst. Sogenannte Readymades (Kunstwerke, die aus vorgefundenen Alltagsgegenständen oder Abfällen hergestellt werden) wie das berühmte Urinal von Duchamp reflektieren die Industrialisierung. Konzeptkunst stellt die Idee über die Ausführung. Aber immer geht es um eine radikale Auseinandersetzung mit der Gegenwart.

11 WAS MACHT EIGENTLICH EIN KURATOR?

Das Wort kommt vom lateinischen „curare“ und bedeutet pflegen oder sich sorgen. Ein Kurator kümmert sich also um Ausstellungen. Das reicht von organisatorischen Aufgaben bis zur Auswahl der einzelnen Exponate. Guter Geschmack, Wissen und ein Gespür für Trends sind essenziell. Ein Kurator ist ein DJ für Kunst, die Ausstellung ist sein Mix. Der Berliner Klaus Biesenbach hat es so bis zum „Chief Curator at Large“ am New Yorker MoMA gebracht.

12 DARF MAN ÜBER KUNST LACHEN?

Schlimm, wenn es nicht so wäre. Als Martin Kippenberger 1980 einmal übel verprügelt wurde, überschrieb er ein Foto, das ihn mit Verband und bös verquollenem Gesicht zeigt, mit dem Titel: „Dialog mit der Jugend“. Banksy ist eigentlich fast immer lustig. Unter dem Motto „Sirens of the Lambs“ schickte der Street-Art-Künstler einen Viehtransporter durch den New Yorker Meatpacking District. Aus dem Transporter muhte und blökte es gewaltig, doch heraus schauten keine traurigen Schweine, sondern niedliche Plüschtiere.

13 WELCHE ROLLE SPIELEN FRAUEN IN DER KUNST?

Die derzeit einflussreichste Person im Kunstbetrieb ist eine Frau: Scheicha Al-Majassa bint Hamad bin Chalifa al-Thani kann als Chefin der Museumsbehörde des Emirats Katar jährlich eine Milliarde Dollar ausgeben. Das britische Kunstmagazin „Art Review“ wählte sie deshalb an die Spitze seiner „Power 100“-Liste, in der auch Künstlerinnen wie Marina Abramovic oder Cindy Sherman vordere Plätze belegen. Trotzdem geben noch immer überwiegend Männer den Ton an. Noch.

14 WORIN LIEGT DER REIZ DES SAMMELNS?

Wir fragten den Musiker Bryan Ferry (Roxy Music), der ein leidenschaftlicher Sammler ist: „Bevor ich in der Musikszene landete, studierte ich Kunst bei dem Pop-Art-Künstler Richard Hamilton. Ich sammle seit den späten Siebzigern, das macht einen großen Teil meines Lebens aus. Ich habe immer gerne Geld für Kunst ausgegeben. Der Finanzmarkt mit seinen Aktien und Anteilen hat mich nie interessiert. Ich besitze auch weder einen Ferrari noch ein Boot. Aber ich liebe die Malerei, vor allem die zwischen 1915 und 1920 entstandenen Werke. Das sind keine wahnsinnig teuren Werke, verglichen mit dem Markt für zeitgenössische Kunst. Aber es sind schöne Bilder, mit denen man gut leben kann. Und das mache ich seit über 30 Jahren.“

15 WARUM IST KUNST AUCH MAL „ZUM KOTZEN“?

Die Journalistin und Autorin Nicole Zepter erklärt: „Mein Buch ,Kunst hassen‘ ist die Reaktion auf eine weit verbreitete, fast religiöse Verehrung: Wir glauben an die Kunst wie an den Weihnachtsmann und lassen uns dabei viel zu viel erzählen. Kunst ist zum Klischee geworden. Dabei ist vieles, was in den Ateliers produziert wird, immer noch großartig. Nur was gezeigt wird und wie es gezeigt wird, macht mich wütend. Nicht die Kunst muss man hassen, sondern die selbstgefälligen Institutionen und den profitorientierten Kunstbetrieb. Denn die produzieren überwiegend Langeweile.“ („Kunst hassen – Eine enttäuschte Liebe“ von Nicole Zepter, Tropen, 144 S., 12 Euro)

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