Was frisst mich auf?

Was frisst mich auf?

Bauchgefühl oder Vernunft? Was beeinflusst unser Essverhalten? PETRA-Autorin Yvonne Adamek führte Tagebuch und ließ es von der Ernährungspsychologin Sabine Lucassen deuten.

Mädchen isst© iStockphoto
Mädchen isst

Food-Tagebuch

MONTAG: Frühstücke ich Toast oder Vollkornbrot mit Käse? Ich wähle die gesündere Körnervariante. Ich fühle mich gut und vernünftig. Weil es so lecker schmeckt, esse ich allerdings gleich zwei Scheiben, obwohl ich nach der ersten schon satt war. Dafür lasse ich mittags etwas von meinem Gemüsecurry übrig. Ich will schließlich nicht über die Stränge schlagen.

Sabine Lucassen: Das kennen alle. Man wählt das Essen nicht nach Hungeгgefühl oder Appetit, sondern nach Vernunft. Diеs sind aber beides schon Merkmale für eine latente Essstörung. Typisch dafür ist auch die Aufteilung in gute und schlechte Lebensmittel (Vollkornbrot vs. Weißbrot).

DIENSTAG: Joghurt mit Erdbeeren zum Frühstück – da habe ich mich schon beim Aufstehen drauf gefreut! Mittags gibt’s Spinatstrudel und eine kleine Portion Lieblingseis: Ben & Jerry’s Cookie Dough. Doch schon während des Essens habe ich ein schlechtes Gewissen – sind Strudel und Eis nicht zu fett und ungesund? Abends gibt es deshalb nur eine Scheibe Vollkornbrot mit Tomate und Avocado.

Sabine Lucassen: Morgens läuft es noch gut. Hier wird mit Appetit gegessen. Das ändert sich aber mittags. Aus Angst, zu fett und ungesund gegessen zu haben, ringt die Autorin den Rest des Tages mit einem schlechten Gefühl. Wiе auch am Vortag ist sie ständig damit beschäftigt, eine „gute Tagesbilanz“ hinzubekommen.

MITTWOCH: Heute ist ein super Tag! Zum Frühstück genieße ich meinen Joghurt mit Früchten. Mittags höre ich auf meinen Bauch, der nur wenig Hunger hat. Ich mache mir zwei Scheiben Vollkornbrot mit Käse. Abends gelüstet es mich nach etwas Leichtem und Frischem. Ich koche Wok-Gemüse mit Reis und genieße jeden Bissen. Ich nehme mir vor, es morgen genauso zu machen.

Sabine Lucassen: Prima! Es wird mit Genuss gegessen, was schmeckt. Doch leider meldet sich abends trotzdem wieder die innere Kontrollinstanz.

DONNERSTAG: Beim Frühstück klappt es noch mit meinem Vorhaben. Es gibt Haferbrei mit Bananen und Erdbeeren. Auch Reis und Spargel am Mittag sind noch o.k. Bis zum Abendessen fühle ich mich ziemlich gut. Dann kommt mein Freund mit Chips und Eis nach Hause. Ich schaffe es nicht zu widerstehen und gehe mit schlechtem Gewissen zu Bett.

Sabine Lucassen: Obwohl Yvonne es tagsüber gut schafft, ihrem Körper zu vertrauen, wird der Genuss abends wieder von ihrer Angst durchbrochen.

FREITAG: Weil ich mich wegen des Chips-Ausrutschers noch immer schlecht fühle, versuche ich das Frühstück wegzulassen. Doch nach einer Stunde knurrt der Magen. Ich besänftige ihn mit Joghurt und Erdbeeren. Erst beim Abendessen mit Freunden vergesse ich das Kalorienzählen und genieße eine große Portion Safran-Risotto mit Garnelen, dazu ein paar Gläser Rotwein. Ich fühle mich super!

Sabine Lucassen: Da ist es, das schlechte Gewissen, das das Essen bei vielen Frauen permanent begleitet: Doch unter Freunden kann es endlich abgelegt werden. Das ist gut!

Fazit: Yvonnes Essverhalten ist typisch für das vieler Frauen heutzutage. Sie wagt es nicht, ihrem Körper zu vertrauen. Dabei weiß der eigentlich ganz gut, wann er Hunger hat, und was am Besten für
ihn ist. Nur bei Fertigprodukten, Fastfood und Süßigkeiten gilt die Regel: Bitte nur selten und in Maßen genießen!

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