
Nicht so die Liebe auf den ersten Blick
Die Franzosen nennen es dramatisch „Coup de foudre“, wenn der Blitz plötzlich einschlägt. Wenn Amors Pfeil trifft. Diese Begegnungen, die einem den Atem stocken lassen – an der Kühltruhe im Supermarkt vor dem Spinat, in der Schlange sonntags beim Bäcker (später wird er sagen: „Deine Haare sahen noch so schön bettverwuschelt aus“) oder im Zug, wenn die Stimme des Fremden, der nach dem freien Platz fragt, unter der Haut kribbelt. Wenn beide schon in den ersten Sekunden wissen: Das ist es! Die hoffnungslosen Romantiker unter uns hören es sicher nicht gern: Neue Studien enthüllen, dass die spontane, scheinbar schicksalhafte Liebe zu den seltenen Gewächsen im Garten der Leidenschaft gehört. Laut einer israelischen Studie sind es gerade mal elf Prozent, die sich blitzverlieben. Eine britische Online-Befragung ergab, dass immerhin 20 Prozent der Männer, aber nur 13 Prozent der Frauen schlagartig von der Liebe getroffen wurden. Das Gros braucht etwas länger, bis der Funke so richtig überspringt. Und trotzdem liegen wir immer wieder krass daneben? Vergucken uns in jemanden, um dann böse hinzufallen. Küssen den Frosch, der sich partout nicht verwandeln will – oder den auf den ersten Blick hübschen Prinzen, der sich als hässlicher Kröterich entpuppt.
Die Antwort kommt direkt aus dem Forschungslabor. Seit vielen Jahren hat Randall Colvin, US-Sozialpsychologe an der Northeastern University in Boston, erforscht, wie wir andere beurteilen, wie wir in Menschen lesen und uns ein Bild von ihnen machen. Er fand heraus, dass wir eigentlich ziemlich gute Menschenkenner sind. So stellte er fest, dass man weniger als eine Minute braucht, um wichtige Persönlichkeitsmerkmale eines Gegenübers richtig einzuschätzen. Vertrauenswürdig, entspannt, extrovertiert, nahbar. Spontan oder zurückhaltend. Alpha-Männchen oder Lebemann. Unser innerer Menschenscanner arbeitet so zuverlässig wie ein Uhrwerk. Und so schnell wie ein Supercomputer.