
Phase 1: Wenn die Synapsen vor Glück durchknallen
DIE ERSTEN WOCHEN BIS MONATE … Er ist so un-fass-bar wun-der-bar! Allein diese sexy Linie seiner Oberlippe! Jeder Gedanke dreht sich im ständigen Dreivierteltakt um ihn, über jeden seiner Witze lachen wir uns scheckig, und seine Rüstung schimmert so gleißend hell, dass einem fast die Augen schmerzen. Man möchte jede Nanosekunde nackt an ihm kleben, beim Sex zündet jede Synapse durch, obwohl er doch nur unsere Nase berührt hat. Ist der Sex wirklich so gut? Ist doch egal! Mein ganzer Körper ist ein G-Punkt! Ja, geben wir es zu: Wer verliebt ist, ist nicht mehr zurechnungsfähig und für seine Umwelt manchmal nur sehr schwer zu ertragen. Schuld an dem Liebesinferno – das bis zu einem Jahr dauern kann – sind die Massen von Hormonen, die in der ersten Phase der Verliebtheit ausgeschüttet werden. Dazu gehört Phenylethylamin, Dopamin und Noradrenalin. Was ist gegen einen solchen rosawattesüßen Drogenrausch auch einzuwenden?! Gar nichts, wenn da nicht diese Ungewissheit wäre.

33 % haben Sex in den ersten 4 Wochen
Stundenlang starren wir unser Telefon an, als ob unser Blick daran festgetackert wäre. Wir drücken beim Mailprogramm nonstop auf die „Empfangen“-Taste und stöbern in seiner letzten Facebook-Nachricht nach vermeintlich wichtigen Botschaften für uns. Ist er auch so verliebt wie wir? Will er eine Beziehung – oder doch nur eine schnelle und unverbindliche Affäre? Was wollen wir von diesem neuen Mann – und was zum Teufel bedeutet es, dass er sich nicht minütlich meldet? Kein Wunder, dass manche von uns diese verrückte und unsichere Phase nur so mitteltoll finden. Dr. Julia Peirano, Psychologin und Autorin des Buches „Der geheime Code der Liebe“, sagt über die erste Zeit der Verliebtheit:
„In dieser Phase haben viele Menschen auch mit Ängsten zu kämpfen, weil man sich dem anderen total ausliefert.“ Wer verliebt ist, strampelt begeistert mit den Beinen wie ein verspielter Hund, zeigt aber dabei unweigerlich seinen weißen Bauch und sein Herz, die verwundbarsten Stellen. Dabei ist faszinierend, wie unterschiedlich wir auf diese Phase reagieren: Während die einen ihr Herz zu schützen und jeden Anflug von irrationalem Verknalltsein zu unterdrücken versuchen, schmeißen sich die nächsten mit hemmungslosem Optimismus in den Liebestaumel. Er ist der Prinz, mit ihm werden wir 90-jährig auf einer weißen Bank unter einer blühenden Kastanie sitzen und unsere weichen und faltigen Hände halten. Warum auch nicht? Wäre es nicht traurig, wenn man seinem Glück nicht blind trauen würde? Vielleicht. Klar ist nur eines: Für jeden von uns sieht der siebte Himmel anders aus. Für die einen hängt er voller Geigen, für die anderen voller lärmender E-Gitarren.
JONATHAN (29) & STELLA (26)
studieren beide Jura. Seit knapp sechs Monaten sind die zwei zusammen – und schon jetzt werden kräftig Zukunftspläne geschmiedet
Jonathan: Bei mir und Stella ist alles noch total frisch! Wir haben uns vor sechs Monaten an der Uni kennengelernt. Stella ist aus Uganda und für den Master hierher gezogen. Ich fühlte mich gleich zu ihr hingezogen. Nach einem Abendessen mit Freunden sind wir uns nähergekommen.
Stella: Und als wir uns dann das erste Mal geküsst hatten, war uns klar, dass wir ein Paar sein wollen. Mit Jonathan fühlt sich alles richtig an, wir können nächtelang durchquatschen – auch wenn wir uns leider nur auf Englisch unterhalten können und ab und zu mal ‚Lost in translation’ herrscht.
Jonathan: Das mit der Sprache ist manchmal schade. Aber ich kann mein Glück trotzdem oft nicht fassen und bin immer noch total nervös, wenn ich weiß, dass ich sie gleich treffe. Das ist wie Achterbahn fahren. Wir sind quasi Tag und Nacht zusammen, und wenn nicht, schreiben wir uns ständig SMS. Ich vermisse sie einfach viel zu schnell. An der Uni lachen schon alle, wenn wir wieder nur Augen für den anderen haben. Oder ständig Händchen halten und uns gegenseitig füttern.
Stella: Wie es weitergeht? Im Sommer stellt sich die große Frage: Wo wird jeder von uns beruflich hinziehen müssen? Wir hoffen natürlich, dass man etwas findet, das für beide passt. Jonathan kann sich sogar vorstellen, mit mir nach Uganda zu gehen …
Jonathan: Ja, über unsere Zukunft zerbreche ich mir gerade ständig den Kopf. Stella möchte erst mal nur die schöne Zeit im Jetzt genießen. Da gehen die Meinungen manchmal auseinander. Aber wir werden für unsere Beziehung kämpfen, weil wir einfach wahnsinnig glücklich zusammen sind.
Phase 2: Wenn man sich für ihn entschieden hat
DIE ERSTEN JAHRE … Ab jetzt wird Zukunft geschrieben! Man entdeckt Gemeinsamkeiten und probiert völlig neue Sachen aus: Wir halten es für Schicksal, wenn wir entdecken, verrückt nach Pepsi und Splatterfilmen zu sein, oder finden uns mit einem Rucksack in Island wieder, obwohl wir bisher immer nach Malle in den Pauschalurlaub fuhren. Das ist vielleicht das Schönste an dieser Phase: Wer sich sicher fühlt, kann sich völlig neu erfinden. Der letzte Kerl war ein Langweiler, für den wir das Abendprogramm gestalten durften? Dann ist der neue Mann vielleicht ein Entertainer, der in uns ganz neue Saiten zum Klingen bringt. Alles passiert zum ersten Mal. Wie aufregend, seine Eltern kennenzulernen! Das werden wir in sechs Jahren nicht mehr so spannend finden. Man erkundet sich und den anderen wie einen neuen Kontinent, setzt Landmarken, testet ihn aus. Der Sex ist nicht mehr so hysterisch und kopflos wie am Anfang, dafür traut man sich, ihm nun im Bett die richtigen Knöpfe zu zeigen. Dazu kommen Fragen der Alltagstauglichkeit: Wie verhält er sich, wenn ich eine Bronchitis bekomme? Wie sexy ist seine Oberlippenlinie noch, wenn ich an einem Dienstagabend müde vom Büro nach Hause komme? Finde ich ihn so unterhaltsam wie am Anfang – oder nervt sein Entertainment-Programm doch irgendwie?
Ich liebe dich, sagen 52 % das erste Mal nach wenigen Wochen
Vieles lässt sich erst herausfinden, wenn die Beziehung konsolidiert ist. Verknallte Männer können viel erzählen, wenn der Sommerabend lau und die Frau attraktiv ist. Doch erst nach längerem Zusammensein wird klar, ob er wirklich so kinderlieb ist, wie er immer behauptet hat. Wie er es mit der Treue hält. Wie viel Freiheit er braucht. Jetzt kracht es auch schon mal: Eben war man noch voll ineinander verschossen in eine gemeinsame Wohnung gezogen, nun möchte man ihn pfählen und vierteilen, weil er den Begriff „Haushalt“ für ein usbekisches Fremdwort hält und seine Mutter in seinem Leben doch eine Wenn man sich für ihn entschieden hat größere Rolle spielt, als er uns weismachte. Schon steht man vor einem weiteren Meilenstein: Kann man miteinander streiten – und sich wieder vertragen? Will man sich alles gefallen lassen? Machen wir etwa wieder die gleichen Fehler wie mit dem letzten Mann? Willkommen in der wichtigsten Zeit der Partnerschaft. „Nach ein bis zwei Jahren bildet sich ab, was die Beziehung ausmacht“, so Julia Peirano. Im Schlechten – aber eben auch im Guten.
ANNA (30) & SVEN (38)
Die Mode-Einkäuferin und der Kreativdirektor sind seit drei Jahren ein Paar
Anna: Die frisch verliebte Phase haben wir hinter uns gelassen. Aber über die Jahre sind Sven und ich uns nähergekommen, man ist sich vertrauter. Inzwischen erzählen wir uns mehr und diskutieren Probleme aus. Wenn man frisch zusammen ist, traut man sich das nicht. Heute fällt es mir leicht, zu sagen, was mich nervt – und kriege nicht gleich Angst, dass unsere Beziehung sofort beendet ist.
Sven: Dass Anna zum Beispiel früher genervt war, wenn ich am Wochenende viel ausgegangen bin, habe ich oft nicht bemerkt. Mit den Jahren wurde ich bereitwilliger, Kompromisse zu machen, meine „Austob-Phase“ war irgendwann passé – und ich finde heute Fernsehabende zu zweit super. Auch wenn ich noch ab und zu feiern gehe. Gemeinsame Interessen haben sich erst mit der Zeit herauskristallisiert: Wir können gut zusammen kochen, das fanden wir auch erst später heraus.
Anna: Wir fühlen uns jetzt in der Beziehung angekommen. Klar muss man nach drei Jahren stärker aufpassen, dass der Alltag einen nicht auffrisst. Wir arbeiten beide viel, Sven muss manchmal noch am Wochenende in die Agentur oder kommt in der Woche erst nachts nach Hause. Da sieht man sich phasenweise nicht mal zum Essen. Die Gefahr ist, dass man sich in solchen Zeiten schnell auseinanderlebt. Zum Glück rettet uns immer ein großer Urlaub auf Bali einmal im Jahr, wo wir merken, dass wir uns immer noch sehr lieben!
Phase 3: Wenn man sich lange vertraut
DIE NÄCHSTEN JAHRE BIS ZUR (UN)ENDLICHKEIT … Auf die einen wirken langjährige Beziehungen so einschläfernd wie ein Aquarium voller seeeehr langsamer Fische – den anderen treibt es vor Rührung die Tränen in die Augen. Paare, die es wie einst Helmut und Loki Schmidt lange und meist einträchtig miteinander aushalten, sind eine Seltenheit. Wir bestaunen sie wie wahr gewordene Figuren aus einem Kinderbuch von Astrid Lindgren und fragen uns, wie man das schaffen kann. Mit ein und demselben Mann – unvorstellbar! Aber war da nicht so etwas wie Sex?
Nach 6,5 Jahren nimmt die Lust auf Sex deutlich ab, geben 68% zu
Gottfried Benn hatte schon recht, als er schrieb, dass die Ehe eine Institution zur Lähmung des Geschlechtstriebes sei. Das Feuer wird durch den Alltag erstickt und erlischt, das Begehren versickert, und mit ihm der Respekt. Niemanden behandeln wir so eklig, unwirsch und nachlässig wie den Partner. Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen fünfmal so viel Anerkennung brauchen wie schlechte Kritik. Wann haben wir ihm das letzte Mal ein Lob gegönnt? Das muss in der Kreidezeit gewesen sein. Ob es daran liegt, dass man meint, ein starkes Gefühl hielte immer alles aus? Dabei ist es genau andersherum –nichts ist empfindlicher als die Liebe, nichts so zart, je länger sie dauert.

Psychologin Julia Peirano: „Eine Beziehung funktioniert wie ein Garten, der wächst – oder wie ein Oldtimer, der mit der Zeit an Wert gewinnt und immer kostbarer wird. Aber wenn man nichts in den Wagen investiert, verwandelt sich das Schmuckstück in eine Rostlaube – und der ungepflegte Garten verödet zur Wüste.“ Schon spricht man von Trennung, von Scheidung und Sorgerecht. Zu tief sind die Wunden, die man sich gegenseitig über die Jahre geschlagen hat – und die Zeit heilt sie nicht mehr. Vielleicht hätte man früher merken müssen, dass das frische Grün verdorrt und dass man Unkraut nicht mit TNT bekämpft, sondern mühsam zupft. Man war ein lausiger Gärtner. Andererseits ist es nie zu spät, sich zu erinnern. Dann denkt man zurück an diesen Mann, der noch immer diese zum Verrücktwerden scharfe Linie an der Oberlippe hat, gerne Pepsi säuft und ein Thema mit seiner Mutter hat. Vielleicht erinnert man sich auch, dass sich der ganze Aufwand um diesen einen Mann doch lohnt. Denn das Grandiose an der Liebe ist doch, dass sie immer neu sein kann – aber nicht muss.
ALINE (33) & JAN (34)
Die Marketingreferentin und der 3-D-Designer sind schon über elf Jahre zusammen – und seit 16 Monaten Eltern der kleinen Marlene
Aline: Jan und ich waren lange nur miteinander befreundet, bevor wir uns verliebt haben. Dadurch entstand die erste Zerreißprobe: Wir konnten beide erst mal nicht damit umgehen, dass aus Freundschaft Liebe wurde. Alles wurde plötzlich zu eng. Deshalb zog ich nach London, damit jeder sich Gedanken machen konnte, was er möchte. Die zwei Jahre waren eine Bewährungszeit: Bleiben wir trotz räumlicher Trennung zusammen? Diese bewusste Rückzugsentscheidung hat aber unsere Beziehung letztendlich gerettet und so stabil gemacht.
Aline: Als Jan dann nach zwei Jahren zu mir nach London zog, haben wir ein gemeinsames Leben aufgebaut und einige Jahre später geheiratet. Seit unsere kleine Tochter auf der Welt ist, müssen wir besonders darauf achten, dass wir trotz Kind unsere Beziehung weiter pflegen - und nicht nur Mama und Papa sind.
Jan: Man läuft leicht Gefahr, dass man sich im Alltag als Liebespaar vergisst oder sich die Gespräche nur noch ums Kind drehen. Man stellt seine Bedürfnisse als Paar schnell hintan. Aber das Tolle nach so vielen Jahren ist, dass man nicht gleich hinschmeißt, wenn Probleme auftreten.
Aline: Trotzdem haben wir aber immer noch Schmetterlinge im Bauch. Und ehrlich gesagt – ich bin froh, dass die unsichere Anfangszeit vorbei ist …