
KATJA STEHT AUF ZÜRICH...
Mein ein Herz schlägt für Zürich, seit ich dort einen Sommer lang als Korrespondentin für eine Nachrichten-Agentur gearbeitet habe. Viele Male war ich seitdem wieder dort, habe Cervelatwurst vom Grill genascht und die Füße in den See getaucht. Wahre Schätze fand ich in den Trödelläden, die man hier „Brockenhäuser“ nennt – rare Schallplatten etwa und einen Gürtel mit magischen Kräften. Seltsame Dinge geschehen an der Limmat: Einmal war ich an einem Knallerbsen-Attentat auf die Börse beteiligt. Und ich lernte einen Hund namens „Lotta“ kennen, bis heute schreiben wir uns E-Mails. Beinahe wäre ich sogar dorthin ausgewandert, habe dann aber doch gekniffen. Zum Wohnen ist mir Zürich zu klein – für sensationell schräge Kurzbesuche aber ideal.
... UND IRIS LIEBT WIEN
Anfangs hatte ich ein Problem mit Wien. Oder zumindest mit den 740 Kilometern Luftlinie, die mich plötzlich von meiner Schwester trennten. Sie zog für die Liebe an die Donau, und für jedes Glas Wein mit ihr musste ich nun ins Flugzeug steigen. Doch die Stadt hat mich so warm empfangen, dass ich ihr nicht böse sein konnte. In den letzten Jahren war ich 14 Mal da, habe im Sommer in der Donau gebadet, saß im Winter stundenlang im Kaffeehaus. Ich weiß, wo es das beste Schnitzel gibt und dass die Wiener „leiwand“ sagen, wenn sie etwas großartig finden. Nach außen hin bin ich Hamburgerin – aber, unter uns: Mein Herz schlägt im Dreivierteltakt.
1. Pflichtprogramm
Katja sagt:
Zürich hat natürlich eine berühmte Kirche: das doppeltürmige Großmünster am Ufer der Limmat – das gerade neue, hochmoderne Fenster erhält, gestaltet vom deutschen Künstler Sigmar Polke. Eröffnung ist am 18.Oktober (www.grossmuenster.ch).

So lange müssen Sie aber nicht warten, und überhaupt: Schöner als in einem dunklen Sakralbau ist es eh im Freien – vorallem,wennmanineiner knallroten Zahnradbahn fahren kann wie einst im Märchen-Wunderland! Die Polybahn, Einheimische nennen sie „Studenten- Express“, bringt Sie zur Panorama-Plattform der Universität (www.vbz.ch). Von dort genießen Sie einen wunderbaren Blick auf Kirche, Fluss und Altstadt. Die Fahrt dauert nicht einmal drei Minuten und kostet Sie nur ein Tram-Ticket (ab umgerechnet 1,65 €) – das „Berg-Feeling light“ bekommen Sie gratis dazu. Schöngeister sind die Zürcher, vor allem in Sachen Design und Architektur. Am Zürichhorn, einer grünen Landspitze am Ost-Ufer des Sees, können Sie von außen das bunte Le-Corbusier-Haus bewundern – und drinnen eine Sammlung grafischer Werke (www.centrele corbusier.com). Im Hintergrund als reale Foto-Tapete: die schneebedeckten Gipfel der Glarner Alpen. Und wenn Sie stilvoll baden wollen, dann tauchen Sie für wenig Geld am Letzigraben unter: Der wohl berühmteste Schweizer Autor und Architekt Max Frisch hat die Anlage gestaltet, die 2007 saniert wurde und unter Denkmalschutz steht (www.badi-info.ch/letzi.html).
Iris sagt:
Klar, zu Wien gehört der Stephansdom wie zu Hamburg der Hafen. Doch statt sich mit Touri-Massen durch die Kirche zu drängeln, setzen Sie sich lieber in die „Onyx-Bar“ (im Hotel Do&Co, www.doco.com) – und lassen Sie das Prachtwerk durch die Panorama- Scheiben in Ruhe auf sich wirken. Wer auch bei der 23. Wiederholung der alten „Sissi“-Filme Rotz und Wasser heult, sollte das „Sisi Museum“ – ja, die Dame schreibt sich im Original mit nur einem „S“ – in der Wiener Hofburg besichtigen. Die Kokainspritze neben prachtvollen Kleidern erzählt vom Licht- und Schattendasein der Kaiserin (www.hofburg-wien.at). Absolutes Muss ist das Museumsquartier (www.mqw.at). Erst zeitgenössische Kunst angucken, dann auf den „Enzis“ abhängen: Kunststoff-Blöcke, die den Innenhof im Sommer in eine urbane Liegewiese verwandeln. Im Winter werden sie zu Iglus umgebaut, in denen man Marillenpunsch trinken kann. Außerdem im MQ: Tanztheater, Konzerte, tolle Shops für Bücher und Musik.
2. Shopping
Katja sagt:
Unzählig kleine, teils schräge Kunst- und Design-Shops finden Sie im Josefstraßen-Areal. Mit etwas Glück erwischen Sie einen Vernissage-Termin bei „Einzigart“ (www.einzigart.ch), erstöbern ein witziges Ding im Hinterhof bei „Lilli Tulipan“ (www.lilli-tulipan.ch) oder schauen im Atelier der Künstlerin Nadja Ullmann vorbei, deren Objekte Sie auch gleich kaufen können (www. atelieroffen.ch). Achtung: Sollten Taschen-Fetischistinnen zu Ihren Freundinnen zählen, verraten Sie nichts von Ihrem Zürich-Trip! Sonst nötigen die Sie, Dutzende Unikate des Schweizer Immer-noch-hip-Fabrikats „Freitag“ mitzubringen. Ein (Einkaufs-) Erlebnis bietet der „Freitag“-Store allemal: Er befindet sich in einem Turm aus Gütercontainern (www.freitag.ch). Luxus-Laufkundschaft wie echte Öl- Scheichs und vor Schmuck klimpernde Russinnen begegnen Ihnen auf der Banken- Meile Bahnhofstraße. Ich empfehle: Machen Sie einen Bogen drum. Oder wollen Sie sich Mineralwasser mit Goldfäden für 35 Euro je Flasche leisten? Falls ja: Bummeln Sie durch die edle Lebensmittelabteilung des Kaufhauses Globus (www.globus.ch) – und staunen Sie.
Iris sagt:
Die Wiener haben auch eine Mega-Einkaufsmeile: die Mariahilferstraße. Lassen Sie sie getrost links liegen, dort reihen sich bloß Ketten-Filialen aneinander. Steuern Sie lieber den Kreativ-Bezirk Neubau an. Die Lindengasse gilt als Epi-Zentrum junger Mode. Wie die von Mandarina Brausewetter. Die Designerin verkauft in ihrem Laden „The Hot Dogs“ von Grafitti inspirierte T-Shirts sowie Blazer aus Sweatshirt- Stoff (www.thehotdogs.org). Besser als seinen Ruf finde ich den Flohmarkt am Naschmarkt, weil man dort echte Schnäppchen machen kann, etwa antiken Schmuck, Vintage-Kleider, Möbel und Accessoires (samstags 6 bis18Uhr,U-BahnKettenbrückengasse). Wer es puristischer mag: „Sterngasse 4“ bietet eine Auswahl internationaler Designer-Mode von Marc Jacobs bis Stella McCartney (www.sterngasse4.at).
3. Ausgehen
Katja sagt:
Zürich zählt 400.000 Einwohner, also nur etwa ein Viertel so viele wie Wien, aber ich wette: Die Kneipendichte ist dreimal so hoch! „Ausgehen“ heißt hier „Usgang“.Weil in Zürich kein Stadt-Magazin erscheint, müssen Sie sich im Internet schlau machen (www.usgang.ch, www.zueritipp.ch). House und Dance Classics dominieren die Edel-Clubs, in denen es Banker und Börsianer krachen lassen, wie im „Kaufleuten“ (www.kaufleuten.com). In den Stadtteilen – hier sagt man „Kreisen“ – Nr. 4 und 5 ballen sich originellere Lokale wie die Musik-Bar „Mata Hari“ (www.matahari.ch), die „Toni Molkerei“ (www.tonimolkerei.ch) und die Bar „La Catrina“ (www.lacatrina.ch).
Iris sagt: Nachtsfunkelt das gläserne Palmenhaus im Wiener Burggarten wie ein Diamant. Von gemütlichen Ledersofas aus kannmanSterne guckenundden DJTunes lauschen (www.palmenhaus.at). Gleich in der Nähe – in einer ehemaligen Fußgängerunterführung – liegt Wiens schickster Disco-Club:Impastellfarbenen Licht des „Passage“ sieht man hübsch rosig aus, während man mit der Wiener Jeunesse Dorée über die Tanzfläche schiebt (www.sunshine.at). Samttapeten und plüschige Separées erinnern daran, dass das „Tanzcafé Jenseits“ mal eine Animier-Bar war (www.tanzcafe-jenseits.com). Die perfekte Location für das „Fluchtachterl“, das letzte GlasWein vor dem Heimweg. Unddamit Sie nichts verpassen: Pflichtlektüre für Wiener Nachtschwärmer ist das wöchentliche Stadt-Magazin „Der Falter“ (www.falter.at).
4. Restaurants & Cafés
Katja sagt:
Törtchen gibt’s in Zürich auch. Die tollsten und vielleicht teuersten im Haupthaus der berühmten Confisérie „Sprüngli“ (www. spruengli.ch), die buntesten in der Konditorei „Caredda“ (www.konditorei-caredda.ch), in der Maler und Musiker neben Metzgern sitzen. Traditionelles wie Geschnetzeltes oder Fondue wird stilecht in der urigen Oepfelchammer („Apfelkammer“) serviert, in der schon Dichter Gottfried Keller speiste und in den 20ern viele Dada-Künstler (www.opefelchammer.ch). Schlange stehen müssen Sie vermutlich vorm „Lily’s“, dem aktuellen Szene-Treffpunkt der Stadt (www.lilys.ch). Panasiatische Küche, lange Tische und Bänke – hier kommen Sie schnell mit Zürchern ins Gespräch, die übrigens gar nicht so wortkarg sind, wie oft behauptet wird. Noch exotischer geht es im „Maison Blunt“ zu: Auf marokkanischen Diwanen können Sie nordafrikanische Köstlichkeiten genießen – und sich mit der Wasserpfeife glücklich blubbern, natürlich drogenfrei (www.maison-blunt.ch).
Iris sagt:
Neu und angesagt bei den Wiener Hipstern ist das „Neni“ am Naschmarkt. Auf der Karte stehen israelische Spezialitäten. Nirgendwo kann man besser „Leute gucken“ als auf der Neni-Terrasse. Und beim Anstehen vor den Unisex-WCs kommt man sich schon mal näher... Nicht gerade schick, aber verdammt lecker ist es im „Café Anzengruber“: Es gilt als Geheimtipp für das beste Wiener Schnitzel (Schleifmühlgasse 19). Ebenfalls deftige Küche serviert das Restaurant „Motto“(www.motto.at). Hier sitzt man auf barocken Stühlen, von der Decke baumeln lila bemalte Baby-Puppen. Abgefahren! Oder wollen Sie einen Nachmittag ins alte Wien reisen? Dann setzen Sie sich in eine Filiale der Café-Konditorei „Aida“. Hier scheint die Zeit stehen geblieben – in Rosa: von den Söckchen der Serviererinnen über die Haartönung der betagten Kundschaft bis zum Papier, in das die üppigen Tortenstücke verpackt werden (www.aida.at).
5. Worüber man spricht – und wie
Katja sagt:
In Zürich kriegen Sieamschnellsten ein Bier,wenn Sie nach einer „Stange“ fragen. Das CroissantamMorgendanach nennen Sie zärtlich „Gipfeli“. Zur Begrüßung sagt man „Gruezi wol“, und „Danke“ geht so: „Merci villmal“. Schweizer B-Promis schimpft man „Cervelat-Prominenz“. Nirgendwo sonst werden so viele Missen gekürt. Bei den Eidgenossen geht es zu wie bei Berlusconi unterm Sofa. Informieren Sie sich unbedingt über den Hamster und die Nuss-Allergie der Vize- Miss-Thermohandschuh,wenn Sie mitredenwollen. Käseblätter finden Sie genug (www.20min.ch, www.klatschheftli.ch).
Iris sagt:
Zum Mitlästern an der Bar-Theke studieren Sie das „Seitenblicke“- Magazin.Darin wird böse über Ösi-Promis geklatscht, wie Bauunternehmer „Mörtel“ Lugner und seine jeweils aktuellen Mausis (www.seitenblicke.at). „Hallo“ heißt „Zeawas“, statt „Tschüs“ sagen Sie „Babatschi“. Und wenn Sie richtig Eindruck schinden wollen, dann bestellen Sie eine Bratwurst mit Senf und eine Dose Bier mit folgenden Worten: „A Eitrige mit am Siassen und a 16er Blech.“