
Urlaube können verheerende Folgen haben. Bei Jana und mir genügten sieben Tage Spanien, um drei Jahre Freundschaft zu zerstören. Sie ertrug mich nicht. Kritisierte meine Klamotten, meine Gesten, meinen Lippenstift. Dass ich das an mir abprallen ließ, machte sie noch verletzender. Wieso ich ständig in den Spiegel schaue, warf sie mir vor. „Tue ich das?“, entgegnete ich und wunderte mich, was sie daran so stört. Es war verrückt: In der Enge des Hotelzimmers ertrugen wir die wachsende Distanz zwischen uns nicht. Ich versuchte, bis zur Abreise friedlich zu sein. „Wir müssen reden“, forderte sie nach der Rückkehr per SMS. Zu getroffen für Rechtfertigungen, wollte ich zunächst Kraft sammeln. Doch nach einer Woche entschied sie per Mail „Es ist aus mit uns.“ Das musste ich erst mal sacken lassen, sprach mit Freunden, sogar einer Psychologin, stöberte im Netz, und da dämmerte mir: Ich hatte Liebeskummer – weil sie mich „nicht mehr liebt“. Ja, auch wir Frauen lieben einander. Für unsere Loyalität, dafür, dass die Freundin uns oft besser versteht als der Partner, sie jahrzehntelang für uns da ist. Dafür, dass wir manchmal total gleich sind – oder ja sooo verschieden. Aber genau darum gibt es zwischen uns auch so furchtbare Streits, schwelende Konflikte und schmerzhafte Trennungen. Liebeskummer geht irgendwann vorbei. Und der in Freundschaften? Wo sind die wunden Punkte, die Freundschaften an die Grenze bringen? Wir haben die größten Freundschaftsstresser analysiert…
WENN EINE NEIDISCH IST…
Situation: Schlankere Taille, glücklichere Ehe, teurere Handtasche: 59 Prozent der Deutschen glauben, dass andere Menschen nicht gönnen können. Wir Frauen vergleichen uns ständig – und jeder Wettbewerb hat nur einen Gewinner. Dabei kann neidvolle Anerkennung, z.B. über die erfolgreiche Diät, durchaus motivieren. Schließlich macht uns guter sogenannter „weißer Neid“ Sehnsüchte oder Ziele deutlich. Schlägt unsere Missgunst jedoch in einen permanenten Konkurrenzkampf um, den „schwarzen Neid“, haben wir ein echtes Problem.
Rettungsmaßnahme: Freundinnen müssen gönnen können. Sind Sie die Neiderin, versuchen Sie, der Ursache auf den Grund zu gehen: Warum können Sie sich nicht mit ihr freuen? Sie können das auch gern zugeben – dann weiß Ihre Freundin, warum Sie sich manchmal komisch verhalten. Andersrum gilt: Wenn Ihre Freundin neidisch auf Sie reagiert („Ach, dir gelingt ja auch alles…“ – „Schon wieder ein neuer Pulli?“), sprechen Sie das Thema behutsam an – wichtig ist allerdings der richtige Ton! Diplompsychologin Ulrike Martzinek hat einen Tipp: „Suchen Sie sich vorher etwas, auf das Sie bei Ihrer Freundin neidisch sind. Das anzusprechen wäre eine gute Eröffnung für ein Gespräch. Ein ,Ich beneide dich um deine tollen Haare‘ macht es der Freundin leichter zuzugeben, was sie Ihnen neidet: ,Dafür hätte ich gern auch so viel Erfolg.‘ Dann kann man darüber lachen, weinen, sprechen. Eine ,Du-Botschaft‘ wie ,Du bist doch bloß neidisch!‘ sorgt dagegen nur für Abwehr.“
Abschied nehmen: Neidische Menschen sind oft unzufrieden mit sich selbst – und selten kritikfähig. Falls die Missgunst Ihrer Freundin trotz Gespräch nicht erträglicher wird, nehmen Sie besser Abstand von dieser negativen Energie.
WENN BEIDE DEN GLEICHEN MANN WOLLEN…
Situation: Sie flirten auf einer Party gleichzeitig mit diesem unglaublich attraktiven Single? Sie schwärmen heimlich für den Ex Ihrer Freundin? Wenn beide Freundinnen den gleichen Mann wollen, gleichzeitig (extrem dumm) oder nacheinander (emotional für die Erste auch nicht viel besser), haben wir meist eine komplizierte Dreieckskiste, von der wir denken: Kann bitte mal einer das miese Drehbuch umschreiben?
Rettungsmaßnahme: Klären Sie, wer Vorrang hat, oder verzichten Sie beide. Sind Sie die Dritte: Führen Sie sich vor Augen, ob Ihre Verlustangst oder Ihr emotionaler Besitzanspruch (denn nichts anderes ist Eifersucht) überhaupt berechtigt ist. Vielleicht gehen Sie auch erst mal auf Abstand. Das kann der beste Weg zur Heilung sein. Denn irgendwann sind auch Sie wieder verliebt, versprochen! Und wenn Sie sich in den Ex Ihrer Freundin verliebt haben (und diese möglichst mit ihm emotional abgeschlossen hat), sagen Sie es Ihr. Schnell. Und zwar ehe Sie Ihren Beziehungsstatus bei Facebook ändern.
Abschied nehmen: Heimlich getroffene Expartner, flirten mit dem Partner oder gar Seitensprünge sind absolute No-Go’s. Freundinnen betrügen und belügen in Herzenssachen nicht. Sobald nicht mit offenen Karten gespielt wird, schießen Sie beide in den Wind. Worte nützen da nichts mehr, jetzt zählen nur Taten.
WENN MAN NICHT MEHR VERTRAUT…
Situation: Sie sitzen mit Ihrer Clique im Café und bestellen trotz Diätplan diese köstliche Torte. Da tut ein Kommentar wie „Na, du hältst ja schon wieder nicht durch…“ besonders weh. Weil Sie sich vor allen bloßgestellt fühlen – von Ihrer Freundin. Genauso schrecklich: Ihre Freundin plaudert ständig Geheimnisse weiter. Freundinnen müssen loyal sein, sich beschützen und gegenseitig vertrauen können.
Rettungsmaßnahme: Sprechen Sie die Verletzung konkret und am besten sofort an. Echte Freundinnen sind empathisch und schlagen unter vier Augen einen neuen Yogakurs vor, der hilft nämlich im Gegensatz zum blöden Kommentar zur Torte. Entschuldigen Sie sich umgehend, falls Ihnen etwas rausgerutscht ist. Wenn wir kleine Seitenhiebe immer gleich aus dem Weg räumen –und verzeihen –, kann das Vertrauen überleben. Nichts ist schlimmer, als ständig runterzuschlucken und am Ende eine ganze Liste blöder Sprüche plus der damit verbundenen Gefühle mit sich rumzuschleppen…
Abschied nehmen: Bedauerlich, wenn Ihre Freundin nicht nachvollziehen kann, wieso Sie verletzt sind, denn diese Sehnsucht nach Vertrauen unter Frauen steckt einfach in uns. Da können wir gar nichts dran ändern. Sie stammt übrigens aus unserer steinzeitlichen Existenzangst. „Nicht nur für die eigene Eitelkeit, sondern für das Überleben der eigenen Brut suchten Höhlenfrauen nach Zusammenhalt und Austausch unter Frauen“, erklärt Psychologin Ulrike Martzinek. Wem Sie nicht mehr vertrauen, der muss Ihre Höhle eben verlassen.
WENN GELD DOCH EINE ROLLE SPIELT…
Ursache: Freunden Geld leihen – für jeden zweiten Deutschen ein unvorstellbarer Freundschaftsdienst, sagte eine TNS-Infratest-Studie. Doch was, wenn die eine gut verdient und die andere chronisch pleite ist? Überlegen Sie, wie nahe Ihnen die Freundin steht. Mancher würden wir sofort 500 Euro in die Hand drücken, weil es uns gerade nicht weh tut, sie aber den Strom nicht zahlen kann. Anderen laufen wir für 50 Euro monatelang erfolglos hinterher. Und bekommen bei jedem Nachfragen eine dumme Antwort und Schnappatmung.
Rettungsmaßnahme: Halten Sie geliehene Summen immer schriftlich fest. Das erspart beiden Seiten Konfliktpotenzial. Vielleicht machen Sie sich zum Prinzip, nur die Summen an die Menschen zu verleihen, denen Sie die im Zweifelsfall auch schenken würden. Freundinnen sollten außerdem Verständnis haben, wenn eine aus Sparmaßnahmen auf getrennten Rechnungen oder Bus statt Taxi besteht. Und wer gern einlädt, sollte bedenken, dass Einladen wie Schenken ist und man nichts zurück erwarten sollte.
Abschied nehmen: Sie fühlen sich ausgenutzt und sind genervt, weil Sie ständig draufzahlen – und das ohne mal ein „Dankeschön“ zu erhalten? Bei verschmerzbaren Summen verzichten Sie; bei großen Summen bitten Sie gemeinsame Freunde um Hilfe. Und ziehen dann einen konsequenten Schlussstrich. Sich finanziell geschröpft zu fühlen ist ein Trennungsgrund. Freundschaft sollte Zinsen bringen – und nicht Nerven kosten…
WENN SICH BEIDE AUS EINANDERLEBEN…
Ursache: Am Anfang steht eine gemeinsame Basis: die gleichen Spickzettel in der Schule, die Clique, der Job. Und dann? Sind Sie irgendwann zweifache Mutter, Ihre Freundin Globetrotterin. Sie das It-Girl und die andere der Öko. Interessiert uns dann noch, was die andere heute denkt? Nerven Ihre Ansichten sogar auf einmal? Spätestens wenn beide nur noch aus Gewohnheit oder Pflichtgefühl zum Hörer greifen, haben wir uns eigentlich nichts mehr zu sagen.
Rettungsmaßnahme: Bringen Sie Verständnis für das Leben der anderen auf und teilen Sie bewusst Zeit. Und erinnern sich an die anfänglichen Gemeinsamkeiten. „Wie bei Paaren ist die Sympathie des ersten Augenblicks entscheidend, denn diese Anfangsenergie kann in Krisenzeiten helfen, wieder ins Gute zurückzufinden“, sagt Psychologin Ulrike Martzinek. Schließlich ist eine gute Freundin Ihr „anderes Ich“ – mit einem vielleicht heute fremden, aber auch bereichernden Leben. Manchmal hilft ein intuitives oder bewusstes Zurückziehen. Während die Freundschaft ruht, können beide aus der Distanz schauen, ob sie sich wieder annähern möchten.
Abschied nehmen: Unerträglich, wenn Sie sich dauernd rechtfertigen müssen oder nicht mehr authentisch sein dürfen, nur weil Sie in den Augen der Freundin zu spießig, oberflächlich, anders sind. Sagen Sie offen, dass sie sich auseinandergelebt haben und keine Gemeinsamkeiten mehr finden. Auch bei Freundinnen kann die Basis bröckeln – und die Liebe abhandenkommen. Das ist nicht schlimm, das ist das Leben.
FRAUEN WOLLEN VERSTEHEN
Ulrike Martzinek Diplompsychologin, arbeitet seit 15 Jahren in freier Praxis in Hamburg als systemische Familienund Paartherapeutin und Mediatorin. www.martzinek.de
Wieso brauchen Frauen in Freundschaften eine Klärung, während Männer Konflikte lieber auslaufen lassen?
Martzinek: Frauen wollen in ihren Entscheidungen verstanden werden. Selbst nach einer Trennung wünschen Sie sich eine gewisse Fehlereinsicht. Lautstarke Kommunikation ist Frauensache. Männer nehmen Trennungen lieber hin, statt sich mit sich selbst zu beschäftigen. Selbst wenn die Männerfreundschaft einen Knacks bekommen hat, wird es wohl unkommentiert auslaufen. Das klingt vielleicht erst mal desinteressiert. Sie verlieren aber so auch seltener die Achtung voreinander.
Ist der Schmerz nach einem Freundschafts-Aus wirklich mit Liebeskummer vergleichbar?
Frauenfreundschaften haben etwas sehr Intimes. Vom Sex mit dem Partner bis zur Kenntnis, wie die andere sich während ihrer Regel fühlt oder ob sie ihren Busen zu klein findet – alle Selbstzweifel werden in sehr engen Freundschaften geteilt. Da bricht natürlich wirklich etwas weg, wenn dieses Vertraute verloren geht. Das Problem stellt sich mangels einer solchen Nähe bei Männern weniger. Die denken eher: Ein Mann, ein Wort, das muss ich akzeptieren. Da nützt jetzt auch leiden und lamentieren nichts.
Welche Art des Schlussmachens empfehlen Sie?
Ich weiß aus meiner Erfahrung als Mediatorin, dass lange Erklärungen und Rechtfertigung nicht viel nützen. Trotzdem würde ich ein finales Gespräch empfehlen. Eine klare Haltung, Entschlossenheit und das Wissen, dass die Trennung jetzt gleich ganz sicher schmerzen wird, helfen dabei. Ein Brief ist der schwierigere Weg. Da stehen dann für Jahrzehnte Dinge niedergeschrieben, die man vielleicht schon eine Woche später nicht mehr so sagen würde. Auslaufen lassen – sicher die eher männliche Variante – ist okay, wenn es passt. Auch dazu gehören ja immer zwei.
Haben Sie einen grundsätzlichen Rat, um die häufigsten Freundschaftskonflikte zu vermeiden?
Frauen wünschen sich oft, dass sie sich untereinander „mehr Luft“ lassen und eine gesunde Mischung aus Nähe und Distanz schaffen. Man muss nicht immer alles von der anderen wissen. Ein bisschen mehr Eigenständigkeit in Entscheidungen und im Leben tut nicht nur in der Beziehung, sondern auch in Freundschaften unglaublich gut.