
Es duftet nussig, würzig oder süß. Es macht die Haut eines gebackenen Hähnchens knusprig, es macht Vollmilchschokolade sahnig und Eis cremig. Fett ist ein Star. Und genau wie viele andere Stars, so hat auch das Fett ein Problem mit seinem Image. 100 Gramm Fett haben rund 900 Kalorien, und Low-Fat-Diäten und Light-Produkte vermitteln immer wieder die Botschaft, dass man um Fett einen Bogen machen sollte, wenn man nicht bald in einer Polizeistation den Vordruck für eine Vermisstenmeldung ausfüllen will, weil man seine Taille nicht mehr findet. Denn auf den ersten Blick wirkt es ganz einfach: Fettzellen enthalten Fett, also führt man dem Körper am besten kein Fett zu, dann lagert er auch keines ein. So ist es doch, oder?
Fette vs. Kohlenhydrate
Nein, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Gonder. Sie hat viele Fachartikel und Bücher über unterschiedliche Ernährungsstile geschrieben, in dem Buch "Mehr Fett!" (Systemed, 224 S., 19,95 Euro) bricht sie den Fetten eine Lanze: Sie haben ihren schlechten Ruf zu Unrecht. "Wenn jemand übergewichtig ist, dann sind oft nicht Fette, sondern Kohlenhydrate das Problem, denn sie führen zu einer starken Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse", sagt sie. "Dadurch sinkt der Zuckerspiegel, das Gehirn reagiert darauf mit Hunger, und der muss gestillt werden, man isst immer mehr. Auf Fett reagiert die Bauchspeicheldrüse kaum, es kann von fast allen Zellen des Körpers prima zur Energieversorgung genutzt werden." Fett verzögert auch die Weitergabe von Mageninhalt an den Darm, darum hält eine fettige Mahlzeit länger satt.
Frauen, freut Euch - Fett ist Euer Freund
Gerade Frauen sollten sich mit den Fetten anfreunden: "Sie können Fette besser verwerten als Männer", sagt sie. "Das Östrogen erleichtert die Verarbeitung im Stoffwechsel, darum können Frauen den Magerjoghurt und andere fettarme Produkte ganz entspannt durch Varianten mit normalem Fettgehalt austauschen." Das macht nicht nur länger satt, sondern auch mehr Freude. "Viele Aromastoffe sind fettlöslich und kommen ohne Fett gar nicht zur Wirkung", sagt Ulrike Gonder. "Wissenschaftler haben vor Kurzem festgestellt, dass es auf der Zunge sogar Rezeptoren gibt, die Fett erkennen. Ohne Fett schmeckt es einfach nicht, und einen Ernährungsstil, der keinen Genuss bietet, hält niemand durch."

Fett - gut für Gehirn, Haut, Haare, Knochen und Zähne
Der Mensch liebt Fett, weil der Körper es braucht. Fett bringt den Zellen Energie und dient als Baumaterial: Jeden Tag werden im Körper Millionen von Zellen durch neue ersetzt, ihre Hüllen enthalten Fettmoleküle, die aus dem Dünndarm mit dem Blut herbeigeschafft werden. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Kollegin beim Dösen im Strandurlaub ein paar Punkte ihres Intelligenzquotienten in den Sand gesetzt hat? Vielleicht geben Sie ihr mal heimlich einen Schuss Rapsöl in den Latte macchiato – Fett macht 60 Prozent der Trockenmasse des Gehirns aus und ist wichtig für die Signalübertragung zwischen Nervenzellen. (Erwarten Sie aber keine Wunder.) Auch für die Schönheit spielen Fette eine große Rolle: Sie tragen fettlösliche Vitamine zu den Zellen, darunter Vitamin A, wichtig für eine glatte Haut, Vitamin E für kräftige Haare und Vitamin D für Knochen und Zähne. Die Leber baut Fett zu einem anderen Fettmolekül um, dem Cholesterin – je nach Art des Cholesterins ist es einer der großen Schurken oder Freunde des Stoffwechsels. Das LDL-Cholesterin steht für light density lipoprotein, es kann die Wände von Blutgefäßen verkleben und so Herzinfarkte und Schlaganfälle auslösen. Ganz anders das HDL-Cholesterin, das bedeutet high density lipoprotein – es wirkt schützend und senkt das Risiko. (Eselsbrücke: "hdl" steht oft als "Hab dich lieb" in SMS, und das HDL-Cholesterin ist ja auch das freundlichere.)
Was hat es eigentlich mit den "Fettsäuren" auf sich?
Die Art der Fette, aus denen die Leber das Cholesterin baut, hat großen Einfluss auf seine Qualität. Alle Fette enthalten Fettsäuren: Mehrfach ungesättigte Fettsäuren senken den gesamten Cholesterinwert im Blut, sie heißen essenzielle Fettsäuren, weil der Körper sie nicht selbst herstellen kann. Zu ihnen gehören die Omega-3-Fettsäuren aus Raps-, Walnuss- und Leinöl und aus fettreichem Fisch wie Hering, Lachs und Thunfisch. Auch Omega-6-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigt, sie finden sich in Soja, Sonnenblumen- und Distelöl. Olivenöl, Nüsse und Avocados enthalten viele einfach ungesättigte Fettsäuren, die den Anteil des LDL-Cholesterins senken und des günstigen HDL-Cholesterins erhöhen. In Käse, Butter und Wurst hingegen stecken viele gesättigte Fettsäuren, die das LDL-Cholesterin in die Höhe treiben. Und bei den Trans-Fettsäuren ist dann alles vorbei, sie bringen das LDL-Cholesterin rauf und das HDL-Cholesterin runter, eigentlich eine Katastrophe. Als Faustregel gilt: Flüssige Fette enthalten mehr ungesättigte Fettsäuren als feste, Öle sind günstiger für den Cholesterinhaushalt als Butter oder Margarine.

Mit Fett abnehmen
Eine Studie der Universitäten München, Wien und Tübingen entdeckte jüngst, dass gerade italienisches Olivenöl viel von den Aromastoffen Hexanal und E2-Hexenal enthält. Sie bewirken, dass Zucker langsamer aus dem Blut in die Körperzellen gelangt, und halten besonders lange satt. Wenn gleichzeitig an den Kohlenhydraten gespart wird, darf Fett ruhig etwa 40 Prozent der Nahrung ausmachen. Wichtig ist, dass der Kaloriengehalt der Nahrung insgesamt gleich bleibt oder, wenn man abnehmen möchte, etwas sinkt. Am einfachsten geht es, wenn Sie die Portionen der Kohlenhydrate halbieren: Essen Sie nur halb so viel Reis zum Fisch oder nur halb so viele Kartoffeln zum Fleisch, geben Sie stattdessen mehr Öl ans Gemüse oder an die Kartoffeln. Auch bei der Zubereitung von Fleisch lassen sich Kohlenhydrate einsparen: Verwenden Sie beim Schnitzel Kräutermarinade als Paniermehl, bei Hühnchen gehen auch Sesam oder Kokosflocken. Lassen Sie beim Brot eine Scheibe weg oder schneiden Sie die Scheiben dünner, bei den Belägen können Sie gesättigten Fettsäuren aus tierischen Fetten leicht aus dem Weg gehen: Supermärkte führen heute oft neben Margarine auch streichfestes Fett aus Olivenöl als Ersatz für Butter, in den Lebensmittelabteilungen von Drogeriemärkten und Reformhäusern finden sich herzhafte pflanzliche Brotaufstriche, die Sonnenblumenöl als Fett enthalten. Bioläden haben in ihren Kühlregalen häufig Produkte aus Sojaeiweiß, Kräutern und Gewürzen, die wie Wurst aussehen und die Sie wie Aufschnitt auf Brot essen können. (Mittlerweile schmecken die tatsächlich ganz gut.) Legen Sie am Schluss noch ein paar Gurken- oder Tomatenscheiben auf den Käse oder den Aufschnitt, sie enthalten viele Fasern und verlängern das Gefühl der Sättigung. Haben Sie etwas Remoulade im Haus? Kommen Sie – einen kleinen Tupfer auf die Gurkenscheibe! Es ist doch nur Fett.