
Diäten sind tot
Die Rechnung ging nie auf. Egal, wie gut wir in Mathe waren. Nach strengster Kalorienzählerei und erfolgreichem Verlust an überflüssigem Fett ging es meist schnell wieder aufwärts – mit dem Gewicht. Weder die nächste „Eskimo“- noch die „Kohlsuppen“- oder die „South Beach“-Diät konnte das Ergebnis auf Dauer halten. Und jetzt sagen Ernährungswissenschaftler endlich das, was unser Körper schon immer gezeigt hat: Diäten sind tot!
„Es ist sehr schwierig, das eingespielte Ernährungsmuster dauerhaft zu ändern“, erklärt Prof. Hans-Georg Joost, der am Leibniz-Institut Berlin neue Ernährungsempfehlungen entwickelt. „Zunächst mal funktionieren Crash-Diäten wie die ‚Atkins-Diät‘. Aber nach etwa sechs Wochen ohne Kohlenhydrate folgt fast immer der Einbruch. Das bevorzugte Essmuster setzt sich wieder durch und der Körper kehrt zu dem Gewicht zurück, auf das er programmiert ist.“ Nur ein individuelles Konzept kann das System austricksen. „Um dauerhaft schlank und gesund zu bleiben, muss jeder für sich herausfinden, was für seinen Körper funktioniert und was der Geist durchhalten kann.“ Im Idealfall ist das ein sättigender, ausgewogener Mix aus Gemüse, Obst, Pflanzenfetten, Fisch, Geflügel und so wenig Fast Food wie möglich. „Dazu zählen übrigens nicht nur Pommes und Hamburger, sondern alles, was aus der Kombination Fett, Zucker und Salz besteht. Genauso wichtig wie das Richtige auf dem Teller ist Sport“, weiß der Ernährungsmediziner. Ansonsten bleibt der Traumbody ein unwirklicher Traum.
Besser trainieren
„Baue Muskeln auf, iss gesund, höre auf, Kalorien zu zählen und für deine Badezimmer-Waage zu leben. Schon zehn bis 30 Minuten Bewegung täglich machen stärker und relaxter“, relativiert Arlow Pieniak den Aufwand. Der Personal Trainer und Buchautor motiviert seine Kunden mit dem Slogan „Strong is the new sexy“. Das finden übrigens auch die Fashion-Designer. Sie buchen inzwischen bevorzugt Models mit einem (aus-)trainierten Body als mit sichtbaren Rippen-Mustern unter der Haut. „Bekommt der Körper zu wenig Nahrung, geht er an die Muskelmasse, um die täglichen Anforderungen zu schaffen. Wir nehmen dann zwar an Gewicht ab, werden aber schwabbeliger. Besonders jenseits der 30“, sagt der Hamburger Sportcoach. Wer auf Dauer abnehmen und straff bleiben möchte, kommt um regelmäßiges Krafttraining nicht herum. Denn Muskeln verbrauchen Energie, begünstigen den Fettstoffwechsel und erhöhen den Grundumsatz. Arlow Pieniak sieht noch einen Vor- teil: „Wenn du dich nicht andauernd mit deinem Gewicht beschäftigst und mit dir selbst zufrieden bist, wirkst du viel attraktiver.“
Intervallfasten zur langfristigen Gewichtsabnahme
Rund 1,6 Milliarden Menschen über 15 Jahre gelten laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als übergewichtig, in Deutschland liegt jeder zweite Erwachsene über der Norm. Ein Ort, für den diese Statistik nicht gilt, ist Hollywood. Perfektion ist hier normal. Der Code für einen schlanken Körper lautet seit Neuestem: „16/8“. Dahinter verbirgt sich ein Food-Trend, bei dem 16 Stunden nichts in den Magen wandert und 8 Stunden gut gegessen werden darf. Kein nerviges Kalorienzählen, kein Punktesystem – Timing ist beim Intervallfasten alles. „Wer damit zurechtkommt, z. B. zwischen 18 Uhr abends und 10 Uhr morgens nichts zu essen, hat gute Chancen, dauerhaft sein Gewicht zu halten“, sagt Prof. Valter Longo, Biogerontologe und Zellbiologe der University of Southern California in Los Angeles. In der langen Essenspause produziert der Körper kein Insulin, welches ihn dazu anregt, das Fett zu speichern, sondern das fettspaltende Hormon Glucagon, das gleichzeitig den Blutdruck senkt und den Appetit zügelt. Der 49-jährige Valter Longo lebt nach seinen Erkenntnissen: „Abends esse ich meist Nudeln, aber nur etwa 35 Gramm. Dazu kommt viel Pflanzliches, ein halbes Pfund Erbsen, Bohnen oder gemischtes Gemüse. Oder ich esse Lachs mit viel Salat.“ Kritisch sieht der Langlebigkeits-Forscher die aktuell gehypten eiweißreichen Diäten: „Sie helfen zwar kurzfristig, Gewicht zu verlieren, Proteine führen aber im Übermaß zur Ausschüttung des Wachstumsfaktors IGF-1 und der fördert auch die Vermehrung von Krebszellen."
Gesund und schlank mit Clean Eating
Beim Clean Eating lebt und isst man weder mit der Zeit im Nacken, noch braucht man Kalorien zu zählen. Hier lautet die oberste Regel: Das Essen soll naturbelassen und möglichst in Bioqualität sein – unverarbeitete Rohstoffe wie Gemüse, Obst, Salat, Fleisch, Fisch, Vollkornprodukte und pflanzliche Fette stehen im Vordergrund, Zucker und Weißmehl im Abseits. Gestrichen sind synthetische Zusätze, Süß-, Farb- und Aromastoffe sowie Geschmacksverstärker und ungesunde Transfette. Bei Fertigprodukten muss allerdings die Zutatenliste studiert werden. Es gilt: je kürzer, desto besser. Für Dr. Anne Fleck gehören zum gesunden Essen unbedingt mehrfach ungesättigte Omega- 3-Fettsäuren wie Leinöl, das zusammen mit Weizenkeimöl einen guten Zellschutz bietet: „Unser Körper besteht aus Milliarden von Zellen – die Zellwand als Schutzschild aus Phospholipiden, also Fetten. Durch die Öle wird die Zelle gestärkt und der Fettstoffwechsel reguliert.“ Ihre liebsten „sauberen“ Lebensmittel sind Avocados, Cashewkerne und Basilikum, die auch im Buch der Ernährungsmedizinerin eine große Rolle spielen.
Intuitiv essen - ohnn Verzicht
Dogmen und Verzicht liegen dir einfach überhaupt nicht? Dann heißt die Lösung vielleicht: Intuitives Essen. Dabei geht es darum, nur dann zu essen, wenn der Körper wirklich nach Nahrung verlangt und das zu essen, was er will. Das Problem: „Die meisten von uns haben verlernt, die Signale des Körpers richtig zu deuten“, sagt Mareike Christina Awe. Die angehende Medizinerin hat mit ihrem Partner Marc Reinbach ein Coaching-Programm entwickelt, das Teilnehmer mit Video- und Audio-Trainings beim intuitiven Abnehmen begleitet. „Bei unserer Methode gibt es keinen Verzicht und deshalb keinen Frust. Unsere Kunden lernen, verankerte Essgewohnheiten infrage zu stellen, aufzulösen und durch neue, positive Verhaltensmuster zu ersetzen.“
Positiv an allen Nicht-Diäten: Für die meisten Menschen geht die Rechnung auf. Und über den auf Facebook kursierenden Abnehmspruch „Ich wollte in diesem Jahr fünf Kilo abnehmen – es sind nur noch acht“ können sie nur noch schmunzeln.