
Die amerikanische Yoga-Lehrerin Rainbeau Mars kam auf eine super Idee. Sie forderte Freunde und Familie auf, doch bitte drei Wochen lang zu fasten: „Damit ihr am Tag meiner Hochzeit alle richtig toll ausseht!“ Wie die Feier auf Hawaii dann ausging, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich waren die Gäste nach dem ersten Glas Sekt stockbesoffen, kloppten sich um das letzte Tofu-Schnitzel, aber hatten dabei einen irren Glow im Gesicht. Okay, Rainbeau Mars meinte es sicher gut, aber am Ende ist sie doch nur eine typische Bridezilla: ein despotisches Heiratsmonster mit Hang zum Perfektionismus. In den USA haben die Bridezillas nicht nur eine eigene Dokusoap, sie legen mit ihren Forderungen die „Ernsthaft?“-Messlatte regelmäßig tiefer. Die eine Braut zwingt ihre Brautjungfern, sich die Haare dunkel zu färben, damit sie als einzige Blondine auf ihrer Feier leuchten kann. Eine andere lädt ihre schwangere Freundin direkt wieder aus, weil die mit ihrem dicken Bauch die Fotos ruinieren würde.

Lektion Nummer eins für alle echten Bridezillas: Vorschläge nicht diskutieren, sondern auskreischen. Die zur Deko passenden Schmetterlinge müssten tiefgefroren aus China importiert und hier wieder aufgetaut werden? Ja – na und? Man heiratet ja wohl nur einmal, kreisch!
„Das Thema Hochzeit und Selbstverwirklichung wird auch hier immer größer“, sagt die Wedding-Planerin Anna Brinkmann (weddingdesign-hamburg. de). Wobei wir natürlich vom Ausmaß amerikanischer Hysterie noch weit entfernt sind.
Hier geht der Trend eher in Richtung stimmungsvolle Lifestyle-Hochzeit, am liebsten draußen, alle an einem langen Tisch, mit Blick aufs Meer oder in die Berge. „Der Wunsch nach rüschigem Prinzessinnen-Kleid, Kutsche und weißen Tauben ist out“, so Brinkmann. „Die meisten träumen von einem schönen, individuellen Fest mit Freunden und Familie. Das darf dann aber gerne bis ins kleinste Detail durchgestylt sein.“ Dafür begibt sich Anna Brinkmann auf Recherche: Sie schaut, wie das Brautpaar lebt, welche Farben es mag, in welche Restaurants es geht. „Ich versuche, Geschmack und Stil des Paares zu verstehen und für die Feier umzusetzen.“ Niemand braucht mehr ei- nen Hubschrauber, der vor der Kirche weiße Tulpen abwirft. „Viel wichtiger ist ein stimmiges Konzept, das sich durch die Feier zieht. Die Flipflops der Braut, die zu einem Thema ausgewählt sind, das Etikett der Weinflasche, auf dem das Logo des Paares auftaucht“, erklärt die Hochzeitsplanerin. Soll ja später auch hübsch bei Instagram oder Facebook rüberkommen. Oder in dem Film, den der eigens engagierte Videograf dreht und professionell bearbeitet. Das ist Lichtjahre entfernt von Onkel Kurts ruckeliger Super-8-Kamera, mit der früher gefilmt wurde. Also, zumindest so lange, wie Onkel Kurt nüchtern war und nicht nur die Dekolletés der Damen abzoomte.
Doch egal, ob die zukünftige Braut nun in Hollywood oder im Penny-Markt Kaiserslautern an der Kasse sitzt, sie hat nur einen Wunsch: Die Feier muss perfekt werden. Die Location total einzigartig, das Kleid „wow!“, die Torte voll individuell. An dieser Stelle kommt die Trauzeugin ins Spiel, der so ziemlich die undankbarste Aufgabe zufällt. Die Organisation der Junggesellinnenparty zum Beispiel, wo zwischen „witzig“, „geschmacklos“ und „hatten wir schon bei Sabine“ ein ganz schmaler Grat verläuft. Nebenbei federt die Trauzeugin die täglichen Nervenzusammenbrüche der Braut ab. Da wundert es nicht, wenn einige Frauen auf die tränenumflorte Frage der besten Freundin („Möchtest du, liebe Claudia, meine Trauzeugin werden?“) am liebsten antworten würden: „Warum fragst du nicht deine Schwester?“

Eine Hochzeit muss so akribisch geplant werden wie ein Nasa-Flug: Tippt man „Hochzeitsvorbereitung“ bei Google ein, findet man ohne Ende To-do-Listen („Checken Sie, ob der Termin der Trauung nicht zufällig auf das Endspiel der EM fällt.“ – „Vergessen Sie nicht, bei Ihrer Floristin Anstecker für die Blumenkinder zu bestellen.“). In Brautmagazinen wird über mehrere Seiten lang die Frage diskutiert, ob es okay ist, wenn sein Anzug teurer ist als ihr Kleid. Das sind Probleme, von denen man früher noch nicht einmal ahnte, dass sie existieren. Mal ehrlich, kann man heute überhaupt noch ganz normal heiraten? Schließt dieses „perfekt“ nicht echte Gefühle aus? Romantik, so sollte man meinen, entsteht doch erst aus Spontaneität heraus.
Zum Glück gibt es ja einen Überraschungsfaktor, den man weder planen noch programmieren kann: die lieben Hochzeitsgäste! Der entfernte Verwandte, der irgendwann aufsteht und mit den Worten „Wassichnochsagnwollde“ rückwärts ins Buffet kippt. Die Kollegin, die den Bruder des Bräutigams auf dem Damenklo vernascht und dabei von der Schwiegermutter erwischt wird. Oder der alte Schulfreund, der jetzt einen Esoterik-Shop betreibt und vor den versteinerten Gesichtern des Brautpaares eine zwanzigminütige Trommel-und-Tüchernummer vortanzt. Das sind am Ende die „Weißt du noch?“- Geschichten, an die man sich erinnert, wenn die lustigen Schnurrbart-Fotos aus dem Retro-Passbildautomaten schon längst verblichen sind.