Sabbatical – 6 Tipps für die Auszeit des Lebens

Sabbatical – 6 Tipps für die Auszeit des Lebens

Abhauen? Aussteigen? Auswandern? petra-Autorin Anke Richter, in Neuseeland heimisch geworden, hat alles ausprobiert. Und gibt hier ihre Erfahrungen zum Thema Sabbatjahr weiter.

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Einfach mal Abhauen, und das nicht nur für 2 Wochen nach Mallorca: Der Schritt zum Sabbatjahr erfordert Mut und Willenskraft. Und das richtige Know-how. Unsere Autorin, die in Neuseeland einen Neuanfang gestartet hat, gibt hilfreie Tipps rund um den Sonderurlaub, das sogenannte Sabbatical. Na dann, Koffer packen und LOS!

Anke Richter "Was scheren mich die Schafe"© PR
„Was scheren mich die Schafe“: Als Kraut unter Neuseeländern: Der komische Alltag eines Auswandererlebens, KiWi, 304 S., 14,99 €, Anke Richter 

Bevor ich Migrantin im tiefen Süden wurde, war ich Aussteigerin auf Zeit. Zweimal. Das empfehle ich jedem bedingungslos. Denn es gibt dabei nichts zu verlieren, nur enorm viel zu gewinnen. Auswandern dagegen hat größere Dimensionen, für die nicht jeder automatisch geschaffen ist. Ich habe verkrachte Existenzen erlebt, die sich ihr neues Leben in der Ferne anders vorgestellt hatten. Verklärung der Fremde und die Realitäten vor Ort klaffen oft auseinander. Am Ende wird nach all dem Stress mit Visum, Sprache und neuer Kultur vielleicht doch nur die Kulisse ausgetauscht, an der entlang man morgens zur Arbeit fährt – meist zu einer schlechter bezahlten. Wer einen Tapetenwechsel für immer plant, hat im Sabbatical die beste Möglichkeit, anzutesten, ob das Traumland auf Dauer wirklich taugt. Dafür braucht es mehr als eine Pauschalreise. Wer ein paar Monate Zeit hat, kann seine Fühler ausstrecken und den fremden Wohn- und Arbeitsmarkt abtasten, aber sich dennoch vogelfrei fühlen: keine Verpflichtungen, nur Chancen. Und obendrauf natürlich Urlaub, den man dann nicht mehr hat, wenn der Alltag in der neuen Heimat beginnt.

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Tipp 2: Auf Nummer unsicher gehen

Als ich das erste Mal abhaute, ging es allein nach Australien. Als Backpackerin unterwegs im Regenwald, mit einem Laster durchs Outback – ein riesiges Abenteuer. Aber ganz ehrlich, eigentlich habe ich wenig riskiert. Ich hatte Geld für einen Mietwagen, konnte mich fließend verständigen, und meine Stelle war mir auch nach fünf Monaten Abwesenheit noch sicher. Selbst mein Freund wartete treu auf mich. Erst als ich merkte, dass Sicherheitsdenken und zu viel Planen eher bremst als hilft, verbrannte ich meinen Reiseführer im Lagerfeuer und ließ mich treiben. Das war die beste Zeit der Auszeit. Als ich wiederkam und den ersten deutschen Sabbatical-Ratgeber schrieb, saß ich bald als Expertin in Talkshows und Radiosendungen. Die Fragen kreisten vor allem um Versicherungen, Rente, Finanzen. Vielleicht ist es ein sehr deutscher Zug, alles immer unter Kontrolle haben zu wollen: Doch im Grunde steckt hinter allem die große Sehnsucht nach mehr Freiheit. Für die kann man keinen Vertrag auf dem Papier abschließen. Nur im Kopf, ohne Kleingedrucktes: Ich traue mich, ich mache das, es wird schon gut gehen.

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Tipp 3: Wer soll das denn bezahlen?

Wenn ich begeistert von meiner Auszeit erzählte, hörte ich immer wieder: „Würde ich ja auch gern machen, aber ...“. Am häufigsten tauchte das Argument auf, dass man sich ein Sabbatical einfach nicht leisten könne. Dabei ist Aussteigen auf Zeit schon lange kein Luxus für Besserverdienende mehr. Und in Ämtern, Schulen und vielen großen Firmen wird oftmals Langzeiturlaub angeboten. Es ist also eher die Schere im Kopf als der Stand des Bankkontos, der den Absprung verhindert. Wer nur über ein knappes Budget verfügt, hat eine Menge Möglichkeiten, auch in der Ferne billig über die Runden zu kommen.

Faustregel Nummer eins: Weniger ist mehr. Drei Wochen im Sternehotel auf Bali werden schneller langweilig als drei Monate in einer asiatischen Gastfamilie. Es gibt unzählige Organisationen, die „Volunteers“ brauchen, wobei vor dem blühenden Geschäftszweig „Voluntourism“ nur gewarnt werden kann: Es schadet mehr, als dass es nutzt, ein paar Kindern im kambodschanischen Waisenheim mal kurz den Kopf zu streicheln. Statt solcher Feel-Good-Aktionen empfehle ich WWOOFing (Willing Workers on Organic Farms), das es weltweit gibt: als freiwillige Helferin auf Öko-Farmen arbeiten. Man taucht viel tiefer in das Leben der Menschen ein, als wenn man nur vom Hostel zur nächsten Sehenswürdigkeit gondelt. Und in einem teuren Reiseland wie Neuseeland braucht man wochenlang keinen Cent auszugeben, wenn man vier Stunden täglich gegen Kost und Logie beim Unkrautzupfen oder Stallausmisten hilft.

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Tipp 4: Familie muss mit, Schule darf warten

Spätestens wenn Kinder da sind, verbietet sich für viele eine Auszeit. Ich sage: Quatsch – jetzt erst recht! Zum einen gibt es kaum ein Land mit so großzügiger Elternzeit- und Kindergeld-Regelung wie Deutschland. Warum nicht die Elternzeit beider Partner zusammenlegen und sich kurz nach der Geburt samt Baby absetzen? Mit einem Säugling zu reisen ist einfacher als gedacht – vor allem dort, wo das Klima mild ist und keine Tropenkrankheiten drohen. Aber auch mit Kleinkindern im Vorschulalter macht ein gemeinsames Abenteuer Spaß und bereichert den Horizont und das Repertoire an Familienerinnerungen. Mein zweites Sabbatical fand in der Südsee statt, diesmal zu dreieinhalbt: Mit Mann, der Mediziner ist, und kleinem Sohn ging es nach Tokelau, der neuseeländischen Kolonie in der Südsee. Sieben Monate lang lebten wir als Arztfamilie auf einem winzigen Atoll, das nicht immer idyllisch war. Ich war schwanger. Unserem Vierjährigen fiel die Umstellung auf polynesische Kultur und Sprache, fremdes Essen und tropische Temperaturen am leichtesten. Sein Bruder bekam später einen tokelauischen Zweitnamen. Eine kostbare Zeit.

wueste_sinnsuche_entspannen-urlaub-reise© seasons.agency / Jalag / Lengler, Gregor
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Tipp 5: Sinnsuche und Kurswechsel

„Ich werde mir Urlaub nehmen, so lange ich brauche“, sagt Cary Grant zu Katherine Hepburn in der Komödie „Die Schwester der Braut“. „Nur um Spaß zu haben?“, fragt sie. Er: „Nein! Ich will herausfinden, warum ich arbeite.“ Der Film ist von 1938, macht aber mehr Sinn denn je. Ein Sabbatical ist viel mehr als nur chillen. Die Auszeit soll nicht nur guttun, sondern auch essenzielle Fragen anstoßen: Was will ich wirklich, beruflich wie privat? Mache ich da weiter, wo ich aufgehört habe, oder brauche ich einen Kurswechsel? Stimmt der Job noch, die Beziehung, das Lebensmodell, der Freundeskreis? Und wenn nicht: Muss ich jetzt alles radikal über den Haufen werfen, oder lassen sich einige Aspekte sanft verändern? Die Sinnsuche beginnt sicher nicht am ersten Tag. Sie ergibt sich, wenn das Alltagsgetriebe stillsteht: Unwichtiges verblasst, Sehnsüchte und Ziele werden klarer.

Frau, Sehnsucht© iStockphoto
Frau, Sehnsucht

Tipp 6: Alles Ende ist schwer

Mit einer Auszeit ist es wie mit einer verflossenen Liebe: Wenn man nicht um sie trauert, hat sie sich nicht wirklich gelohnt. Daher bitte darauf gefasst machen, dass einen nach der Rückkehr vorübergehend der Sabbatical-Blues runterziehen kann – ähnlich wie die Hormonumstellung nach der Geburt. Das ist oft dann der Fall, wenn man in die alten Verhältnisse zurückkehrt und sie kritisch mit neuen Augen sieht. Aber die gute Nachricht ist: Man kann immer wieder gehen. Das ist das Mantra, das durch die Depri-Zeiten hilft: einmal Freiheit, immer Freiheit. Und warum nicht am Ende des Sabbaticals einfach schon das nächste planen? Bei mir hat es 15 Jahre gedauert, weil der Umzug ins Ausland dazwischen lag. Aber ab September seile ich mich für drei Monate von zu Hause ab. Denn auch von einer wunderschönen neuen Heimat muss man sich irgendwann mal wieder eine Pause gönnen.

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