
London in den Swinging Sixties. Bei Vidal Sassoon an der Bond Street geben sich Models wie Twiggy und Jean Shrimpton die Klinke in die Hand, die Beatles und Mary Quant lassen sich hier die Haare schneiden. Das Lebensgefühl ist wild – und das soll man bitte schön auch an den Frisuren sehen. Weg mit den „Beton“-Locken, die sind ja sooo Fünfziger. Mittendrin: der Friseur Paul Mitchell, der für seine lässige Schnitttechnik schon zahlreiche Preise abgeräumt hat. Aber der Mittzwanziger will mehr. Er träumt von einem eigenen Salon in New York.

Zur gleichen Zeit in Los Angeles. Der 20-jährige John Paul DeJoria ist frisch aus der Navy entlassen und arbeitslos. Seit seine Ehe in die Brüche gegangen ist, wohnt er mit seinem Sohn in einem Auto. Um über die Runden zu kommen, sammelt er Pfandflaschen. Später zieht er von Haustür zu Haustür und verkauft Versicherungen. Er hat Talent. Schritt für Schritt geht es für ihn aufwärts. Paul Mitchell hat es derweil tatsächlich nach New York geschafft. Als Inhaber von „Superhair“ schneidet er Promis wie Raquel Welsh, Talklady Barbara Walters und sogar Präsidentengattin Pat Nixon die Haare. Er fährt für seine Seminare und Frisurenshows kreuz und quer durchs Land. 1971 lernt er John Paul DeJoria kennen, der es inzwischen zum Verkaufsrepräsentanten für die Firma Redken gebracht hat. Die beiden freunden sich an.

Mitte der 70er kommt es zu einem Bruch im Leben des umtriebigen Mitchells. Er bricht unter einem Burnout-Syndrom zusammen, schmeißt alles hin und zieht nach Hawaii. Inspiriert von seiner Umgebung kommt ihm die Idee, eine Haarpflegeserie mit Extrakten des Awapuhis zu kreieren: Der „hawaiianische Ingwer“ gibt dem Haar verlorene Feuchtigkeit zurück. Diese Haarpflege soll exklusiv an Friseursalons verkauft werden. Und Marketingtalent John Paul DeJoria, gerade mal wieder ohne Job, kümmert sich um das Geschäft.
Mit 700 Dollar Startguthaben gründen die Freunde 1980 „John Paul Mitchell Systems“. Ihr „Büro“ besteht aus einem Postfach und einem Anrufbeantworter, der von einer Freundin mit vornehmem britischen Akzent besprochen wird. Die puristische Schwarz-Weiß-Optik ihrer Produkte ist keine Strategie – die zwei Jung-Unternehmer können sich einfach keine farbigen Designs leisten.
Bei der Qualität ihrer Pflegeserie lassen sie sich allerdings auf keine Kompromisse ein. Sie schwören auf natürliche Inhaltsstoffe, eine umweltschonende Produktion und den Verzicht auf Tierversuche. Diese Einstellung ist heute bei vielen Firmen die Regel – Anfang der 80er-Jahre gilt sie als revolutionär! Auch heute wird die Pflanze Awapuhi auf der eigenen organischen Farm angebaut. Den riesigen Erfolg hat Paul Mitchell nicht mehr erleben dürfen. Er stirbt 1989 an Krebs. Seitdem leitet sein Sohn Angus gemeinsam mit DeJoria die Geschäfte.

Auch wenn „Paul Mitchell“ jährlich um die 800 Millionen Dollar Umsatz macht, strahlt es immer noch das Image des freundlichen Familien-Unternehmens aus. Was vor allem an den Chefs liegt, die Jeans und T-Shirt jedem Nadelstreifenanzug vorziehen. Neben dem Umweltschutz setzen sie sich für humanitäre Projekte ein. Angus Mitchell lebt die Hälfte des Jahres auf Hawaii: Genau wie sein Vater liebt er die Natur. John Paul DeJoria hat coole Nebenjobs (Harley-Handel, Nachtclub) und wurde gerade zum UN-Botschafter für erneuerbare Energien ernannt. Übernahme-Angebote von Großkonzernen schmettern die Männer regelmäßig ab. Allein das macht sie so sympathisch.
Historie im Überblick
- 1980 Paul Mitchell und John Paul DeJoria gründen die „John Paul Mitchell Systems“
- 1989 Paul Mitchell stirbt und sein Sohn Angus übernimmt zusammen mit DeJoria die Geschäftsführung
- 2001 Mit der „Tea Tree“-Serie wird der Wellness-Markt erobert
- 2002 „Ultimate Face Cosmetics“ ist die eigene Kosmetiklinie
- 2004 Launch von „Super Skinny Serum“ – das Produkt wird der Bestseller
- 2010 Das Unternehmen beliefert in zwischen über 90.000 Friseursalons in 75 Ländern
- 2011 Ganz neu in den Läden: die Serie „Awapuhi Wild Ginger“