Das Kleid meines Leben

Das Kleid meines Leben

Na klar stehen wir auf die Luxusteile von Prada, Chanel oder Louis Vuitton. Doch nicht mal sie würden wir gegen dieses eine tauschen: das Kleid, an dem kein Label, sondern eine unvergessliche Erinnerung hängt. Sieben Frauen über den wahren Wert ihres Lieblingsstücks.

Frau im Brautkleid© Vladimir Surkov - iStockphoto
Frau im Brautkleid

Fast jede von uns hat es in ihrem Schrank oder zumindest noch im Kopf: dieses eine Kleid. In dem wir uns ganz besonders gut fühlen – sexy, weiblich, stark. Weil Stoff und Schnitt unseren Rundungen schmeicheln, die Farbe gewagt, aber großartig ist oder Erinnerungen daran hängen. Das erste oder auch schlimmste Date, die durchgemachte Nacht am Strand, die legendäre Party oder der Weltklasse-Sex. Auf dem Kleiderbügel gesellt es sich unauffällig zu all den anderen Kleidungsstücken. Heiß geliebt und häufig getragen oder schon halb vergessen und beim letzten Ausmisten versehentlich beinahe in den Altkleidersack befördert. Doch ein mit Emotionen besetztes Stück Stoff schmeißt man nicht so einfach weg oder verkauft es – womöglich für einen Euro – bei Ebay. Auch wenn es vielleicht schon längst nicht mehr passt, aus der Mode gekommen ist oder Gebrauchsspuren aufweist – wir bleiben ihm treu. Manchmal begleitet es uns gar ein Leben lang.

Nina zum Beispiel besitzt noch ihr Lieblingskleid aus Kindertagen, das die Patentante ihrer Zwillingsschwester einst in doppelter Ausführung anfertigte. „Wir trugen die Kleidchen zur Taufe meines Bruders und fanden uns superchic. Meins war weiß mit blauen Enten, das meiner Schwester blau mit weißen Enten“, erinnert sich die 30-Jährige.

Oder wir halten ein Kleid in Ehren, das bereits vor uns auf die Welt kam, weil schon unsere Mutter es trug. Jetzt hängt ihr ehemaliger Stolz in unserem Schrank, und jedes Mal, wenn wir es sehen oder tragen, fühlen wir uns ihr ganz nah. So wie Karen, für die das Erbstück die schönste Erinnerung an ihre verstorbene Mutter ist, oder wie Urte, die nun weiß, dass auch Mamis ein Kleid brauchen, in dem sie sich verführerisch fühlen (dürfen). Das Kleid unseres Lebens kann die unterschiedlichsten Geschichten erzählen – von heiter bis traurig, von romantisch bis aufregend. Sieben stellen wir Ihnen hier vor – samt Trägerin und bestem Stück.

KAREN (39 Jahre, Buchhändlerin)

Die schönste Erinnerung an Mama

„Das Kleid meines Lebens gehörte meiner Mutter, die kurz nach meiner Geburt starb. Es ist außer ihrem Ehering und Fotos das Einzige, was ich von ihr noch besitze. Sie ließ es sich 1965 für ihre Hochzeit schneidern. Aus einem fantastischen türkisgrünen Stoff, plissiert an der Taille und mit Knöpfen aus Swarovski-Kristall. Als mein Vater es mir vor vielen Jahren schenkte, dachte ich, ach, da wirst du eh nie reinpassen. Aber ich nahm mit der Zeit über 20 Kilo ab – drei Kinder halten einen in Bewegung. Mit 54 Kilo war es so weit: Ich konnte das edle Erbstück endlich anprobieren. Und als ich so vorm Spiegel stand, sah ich meine Mutter darin. Das war schon ein sehr bewegender Moment… Zum 40. Hochzeitstag der Schwester meiner Mutter führte ich das Kleid erstmals aus. Meine Tante musterte mich den Abend über verstohlen und fragte schließlich: ‚Das ist doch Mamas Kleid, oder?‘ Wir hatten beide Tränen der Rührung in den Augen. Seither trage ich das Kleid immer wieder zu schönen Gelegenheiten.“

MARLENE (29 Jahre, Wirtschaftsfachwirtin)

Eine tröstende, luftig leichte Sommerliebe

„Trägerlos, beige mit großen grünen und orangefarbenen Blumen, schmaler Gürtel, luftig leicht, chic und mädchenhaft zugleich – so sah meine Begleitung durch die schlimmste Trennung meines Lebens aus. Vergangenen Sommer verließ mich mein Freund nach drei Jahren für eine andere Frau. Auf einmal saß ich alleine da in unserem großen Haus. Doch meine Familie und mein engster Bekanntenkreis fingen mich auf, sorgten dafür, dass ich mich nicht verkroch und vereinsamte. Beim Shopping- Bummel mit Freundinnen verliebte ich mich in dieses beschwingte Blümchenkleid. Ich trug es gleich auf der nächsten Party – und fühlte mich nach Monaten endlich wieder gut. Das Kleid hatte mir meine Lebensfreude zurückgegeben. Gerade war ich in Portugal im Urlaub, mit meinem Lieblingsstück im Gepäck. Ich hatte es an, als ich in einer Strandbar jemanden kennenlernte. Wir treffen uns in vier Wochen wieder. Mal sehen, ob es mir noch mal Glück bringt...“

MERLE (33 Jahre, Werbekauffrau und Sängerin)

Der lilafarbene Stoff, aus dem die Freiheit ist

„Knapp 40 Euro hat das wichtigste Kleid gekostet, das ich je besaß. Dunkellila mit Pünktchen, figurbetont, 50er-Jahre-Stil. Leider ist es aus Polyester, und daher trage ich es nur noch selten. Aber darauf kommt es nicht an, denn es steht für ein Lebensgefühl und eine besondere Geschichte, die sich vor zwei Jahren ereignete. Ich war mit meiner damaligen Band vor dem Aus, und auch privat lief es nicht gut. Kurz vor einem unserer letzten Gigs rief mich eine Clubbekanntschaft an, die ich leider aus den Augen verloren hatte. Wir spürten sofort wieder, dass wir auf einer Wellenlänge lagen, und verabredeten uns fürs Wochenende. Ich war euphorisch, in mir löste sich ein Knoten. Ich wusste, dass ich neue Wege gehen, mich von meiner Band trennen und neu verlieben konnte. Die Leichtigkeit, die ich an dem Abend fühlte, werde ich nie vergessen. Als ich auf die Bühne ging, gab ich noch mal alles. Ich flog förmlich, und mein bezauberndes Outfit flog mit. Die Band hat sich danach aufgelöst. Mit dem Mann bin ich noch heute zusammen. Und mein Kleid der Freiheit hat auf ewig einen Ehrenplatz in meinem Schrank.“

NINA (30 Jahre, Physiotherapeutin)

Wenn aus den Kleinen große Stars werden...

„Mein Lieblingskleid aus Sandkastentagen habe ich noch immer. Damals hatte die Patentante meiner Zwillingsschwester jeder von uns etwas Hübsches zur Taufe unseres Bruders genäht. Zuckersüß sahen wir darin aus, fanden die Verwandten. Das denken auch meine Schwester und ich, wenn wir uns die Fotos von früher angucken. Ihr Kleid war blau mit weißen Enten, meins weiß mit blauen Enten. Früher hatte es noch einen weißen Rüschenkragen und weiße lange Puffärmel. Nur nicht bekleckern, war die Devise. Schließlich handelte es sich um mein feines Prinzessinnenkleid. Noch heute ziehe ich Kleider nur zu feierlichen Anlässen wie Hochzeiten an. Und wenn ich mal ein Kind habe, darf es natürlich auch das Entchenkleid tragen. Denn man fühlt sich ganz groß darin und steht bei jeder Familienfeier im Mittelpunkt.“

NICOLE (37 Jahre, First-Class-Flugbegleiterin)

Weiblichkeit zum Wickeln für jeden Anlass

„‚Feel like a Woman, wear a Dress‘ – das Zitat stammt von meiner Lieblingsdesignerin Diane von Furstenberg, der Erfinderin des Wickelkleids. Ich bin beruflich oft in den USA, wo ihre Kleider in den besten Kaufhäusern hängen. Die größte Auswahl gibt’s in New York im Meatpacking District und bei Bloomingdale’s. Dort habe ich 2007 mein bestes Stück erstanden. Eine Anschaffung fürs Leben und ein Allrounder, der sich mit den Accessoires verändert, mal konservativ, mal sexy aussieht. Ich habe das Kleid schon auf Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, Geburtstagspartys oder mit Flip-Flops beim Shoppen getragen. Auch für Flugreisen ist mein Wrapdress perfekt, da es bequem ist wie eine Jogginghose und knitterfrei bleibt. Und: Es passt sich der Figur an. Ein paar Kilo mehr fallen kaum auf. Sogar hochschwanger passe ich noch in meinen geliebten Klassiker. In ihm fühle ich mich in jeder Situation perfekt gekleidet und irre weiblich.“

URTE (36 Jahre, Immobilienkauffrau)

Auch Mütter dürfen sexy sein!

„Als ich mit 14 das Kleid im Schrank meiner Mutter entdeckte, war ich empört. Silberfarben, hauteng, durchsichtig – supersexy. So etwas durfte doch eine Mutter nicht tragen! Ich stellte sie mit großen Fragezeichen in den Augen zur Rede. Ach, sie hätte es von einer Freundin geschenkt bekommen und es einmal auf einer Silvesterparty getragen, ich könne es gern haben, antwortete sie mir. Nichts lieber als das! Mit 19 zog ich es zum ersten Mal an. Ebenfalls zu Silvester, das ich mit Freunden in Kapstadt verbrachte. Das Outfit war der absolute Hit. Ich fühlte mich großartig, frei und verwegen. Auf Unterwäsche hatte ich an diesem Abend verzichtet, damit sie sich nicht unter dem dünnen Stoff abzeichnete. Seitdem trage ich das Kleid (fast) immer, um das neue Jahr zu feiern. Passend dazu dunkelblaue Pumps mit silbernem Rand und eine Bakelit-Handtasche im Art-déco-Stil. Heute habe ich selbst eine Tochter und weiß: Auch eine Mutter braucht ein Kleid, in dem sie sich verführerisch weiblich fühlen darf.“

ANN-KATRIN (30 Jahre, Ergotherapeutin)

Ein wahr gewordener Traum in Weiß

„Nach dem Kleid für den schönsten Tag meines Lebens machte ich mich im April auf die Suche. Ein Traum in Weiß sollte es sein – natürlich! In einem Brautmodengeschäft in meiner Heimatstadt Braunschweig entdeckte ich ‚mein Kleid‘ bereits bei der dritten Anprobe: schlicht, cremefarben und aus reiner Seide. Es sah so elfenhaft aus und hatte doch eine gewisse Schwere. Wunderschön – aber viel zu teuer! Nach vielen weiteren Anproben in anderen Läden war mir klar: So eines findest du nicht wieder. Also durchforstete ich das Internet und wurde tatsächlich bei Ebay fündig. Eine Verkäuferin bot mein Traumkleid an – ungetragen und in meiner Größe. Ich fuhr nach Hamm in Westfalen, um das Kleid anzuprobieren. Ich war unglaublich aufgeregt und dachte, so viel Glück kann man doch gar nicht haben. Es passte! Und statt 1800 habe ich nur 700 Euro gezahlt. In fünf Wochen heiraten wir, und dann endlich darf mich auch mein Mann darin bewundern.“

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