Mode-Trends: Das macht guten Stil wirklich aus

Bei unserem modischen Ausdruck geht es um so viel mehr als darum, Trends zu folgen. Was zählt: Klarheit im Inneren.

Text: Sörre Wieck

Zwei stylische Frauen in Kleidern© Launchmetrics Spotlight
"Sind Menschen ähnlich gekleidet, unterstellen wir ihnen, sie sind auf unserer Wellenlänge und vertreten die gleichen Werte."

Manchmal sehen wir eine Frau in der Menge und denken: Chapeau! Die hat Stil! Weil sie scheinbar mühelos elegant einfach ein stimmiges Bild abgibt – mit vielleicht edlen Stoffen, Schnitten und Farben hat sie die eigene Persönlichkeit perfekt unterstrichen. Und man seufzt etwas neidisch ...

Das Schöne: Stil kann man lernen. Und: Guter Stil hat natürlich nicht nur mit der Art zu tun, wie wir uns kleiden, sondern auch damit, wie wir mit uns und unserem Umfeld umgehen. Er ist ein Gesamtpaket. "Wer sich nicht um seinen Stil kümmert, verliert einen großen Teil an positiver Wirkung. Dabei geht es nicht um Trends, sondern um Selbstausdruck. Er kenne dich selbst und über trage es auf Mode", rät die Diplom-Psychologin und Autorin Eva Wlodarek, die online auch den Kurs "Den eigenen Stil finden – sich optimal kleiden" anbietet (siehe wlodarek.de/Angebote). Doch wie gelingt das?

Übungssache

Zunächst einmal könne ein wenig Inspiration nicht schaden, sagt Eva Wlodarek. Vielleicht gibt es ein Stilvorbild, dessen Kleidung dich anspricht? Etwa Jil Sander mit ihren klaren Schnitten und reduzierten Farben, die so minimalistisch wie zeitlos elegant wirkt? Oder Iris Apfel, die mit exzentrischen, farbenfrohen Looks ihre Persönlichkeit unterstreicht? Egal, wer dich inspiriert – ein Moodboard hilft, eigene Stilvorlieben zu visualisieren. Und dann geht es nicht nur um Nachahmung, sondern um die besondere Mischung aus "so möchte ich auch aussehen" und der eigenen Persönlichkeit. 

Wlodarek empfiehlt dazu diese Übung: Notiere drei Eigenschaften, die du besitzt oder die andere dir zuschreiben, etwa mutig, ehrgeizig, treu oder optimistisch. Im nächsten Step übertrage diese auf Kleidung und Accessoires. Siehst du dich beispielsweise als kompetent, locker und freundlich, könntest du dies so umsetzen: Ein gerade geschnittener Blazer betont die Kompetenz, eine Jeans wirkt locker, und ein Accessoire wie ein buntes Halstuch überträgt die Fröhlichkeit. "Wir sind nicht eindimensional. Mit diesem Dreier-Set bringen Sie mehr Individualität in deinen Stil", so Wlodarek. Welche Art von Kleidung welche persönliche Eigenschaft gut repräsentiert, erfordert Übung. Aber die Mühe lohnt sich: "Deine Kleidung spricht. Immer. Selbst wenn du dich dafür nicht interessierst."

"Der Schlüssel zum Stil liegt darin, zu lernen, wer man ist."

 

Iris Apfel, ewig junge Fashion-Ikone

Freund oder Feind?

Grund dafür sei unser genetisches Erbe, so Wlodarek: "Unsere Vorfahren mussten am Äußeren erkennen, ob jemand Freund oder Feind ist. Deswegen sind wir auch heute noch darauf geeicht, anhand der Kleidung zu schauen: Passt die Person zu mir? Werde ich mich mit ihr verstehen? Es ist in uns angelegt, dass wir Gleiches schätzen. Sind Menschen ähnlich gekleidet, unterstellen wir ihnen, sie sind auf unserer Wellenlänge und vertreten die gleichen Werte." Um Zugehörigkeit zu finden, müsse man sich nicht komplett verstellen. Es gehe ja um den eigenen Stil – aber Zugeständnisse zum Dresscode einer Gruppe erhöhen den "Wir mögen dich"-Faktor. Und seine Individualität kann man auch mit Accessoires unterstreichen.

Psychologie der Mode

Doch abgesehen von Gruppenzugehörigkeitsgefühlen, die Kleidung weckt und transportiert, kann sie noch viel mehr. So können bestimmte Farben etwa unsere Stimmung ändern oder verstärken. Gelb zum Beispiel soll die guteLaune fördern – wer keinen Pulli in der auffallenden Farbe zu seinem Teint passend findet, kann auch ein gelbes Accessoire wählen. Töne wie Beige machen hingegen "unsichtbar" – ideal, wenn wir nicht angesprochen werden oder im Mittelpunkt stehen wollen. Aber auch die Texturen der Kleidung "sprechen": Glatte Stoffe wie bei Business-Blazern wirken tough, weiche Materialien wie Cashmere lassen auch uns sanfter und zugänglicher erscheinen, die Lederjacke hingegen kann ein stärkender Mutmacher sein. Und mit den goldenen Ohrringen fühlen wir uns gleich wertiger als mit dem Plastik-Modeschmuck aus dem Sale. Doch ganz egal, aus welchen Elementen wir unseren optischen Stil kreieren – niemand kann einen Stil glaubwürdig verkörpern, ohne die entsprechenden inneren Werte zu pflegen.

"Stil ist etwas, das sich von unserer Seele in die Außenwelt spiegelt.

Alber Elbaz, Modeschöpfer

Stilvolles Verhalten

"Stil ist eine grundsätzliche innere Haltung", sagt Eva Wlodarek. Und die basiere im Wesentlichen auf fünf Säulen. Eine davon sind unsere Werte, also die Pflege klassischer Tugenden wie Ehrlichkeit, Authentizität und Loyalität. Eine weitere Zutat sei die Rücksichtnahme – eben nicht egoistisch die Ellenbogen ausfahren oder sich an der Supermarktkasse vordrängeln. Ebenfalls zum guten Stil gehöre echte Bescheidenheit. "Das heißt nicht, dass du dich zurücknehmen musst – du darfst durchaus auf deine Fähigkeiten hinweisen. Nur sollte man dabei nie vergessen, dass man sich nicht alles selbst verdankt. Egal in welchem Bereich, oft haben andere schon Vorarbeit geleistet", so die Expertin.

Ein weiterer Punkt auf der inneren Stil-Agenda ist Empathie. "Du kannst keinen Stil haben, ohne dich in andere einfühlen zu können", sagt Wlodarek. Und erzählt eine Anekdote über die aus einfachen Verhältnissen stammende Sängerin Edith Piaf. "Als sie zu Beginn ihrer Karriere zu einem feinen Essen eingeladen war und neben ihrem Gedeck eine Fingerschale fand, trank sie daraus – statt wie vorgesehen ihre Finger nach dem Gang darin zu reinigen. Um sie nicht bloßzustellen, nahm der Gastgeber daraufhin beiläufig auch seine Fingerschale und trank daraus – und bewies auf diese Weise eine Menge Stil."

Ebenfalls wichtig sei der Faktor Selbstdisziplin. Dazu gehöre auch, seine Launen im Griff zu haben. Klar: Jemanden anzubrüllen, wenn etwas nicht klappt, ist ziemlich stillos – egal, wie gut man dabei gekleidet ist. Eva Wlodarek weiß: "Niemand wird all diese Punkte immer einhalten. Aber für ein stilvolles Leben ist es gut, sie anzustreben."

Verwendete Quelle: Artikel erschien in der Petra-Printausgabe 1/24

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