Kann man lieben lernen?

In den Falschen verliebt?

Die eine verknallt sich Knall auf Fall in den Mann der besten Freundin, die nächste mit schöner Regelmäßigkeit in Mistkerle. Ist das nun Schicksal? Kann man da nichts machen? PETRA-Autorin Yvonne Adamek über den Einfluss, den wir auf unser großes Glück haben.

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Es ist einfach so passiert. Gegen Gefühle kann man eben nichts machen. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt, Liebe darf alles… Um eine Ausrede ist man nie verlegen, wenn man gerade mit seinem Chef in die Federn steigt, einen verheirateten Mann um den Finger wickelt oder zum wiederholten Mal auf einen Schnacker hereinfällt. Na ja, was heißt hier Ausreden. Sind es denn wirklich welche? Völlig egal, ob wir uns mit 15 bis über beide Ohren in den Schulschwarm vergucken oder mit 75 feststellen, dass Liebeskummer keine Frage des Alters ist, eine Frage bleibt unbeantwortet: Sind wir unseren Gefühlen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert? "In wen wir uns verlieben, können wir tatsächlich nicht beeinflussen“, sagt Dr. Sandra Konrad, Psychologin und Autorin. "Verliebtheit ist ein unbewusster Prozess.“ Alles beginnt mit bestimmten äußerlichen Merkmalen, die uns gefallen. Dazu entsteht sofort ein Bild in unserem Kopf, wie der andere sein könnte – eine Art Projektion unserer Idealvorstellungen von einem Partner. „Wenn uns jemand gefällt, neigen wir dazu, all das, was uns in Kindheit, Jugend und in vorangegangenen Beziehungen geprägt hat, auf ihn zu übertragen.“ Ob das Bild wirklich passt oder eine komplette Fehleinschätzung war, merken wir erst, wenn eine Beziehung sich der Realität des Alltags stellen muss und sich das Gefühl in Liebe verwandelt. Okay, das Verknalltsein ist also ein anhängliches, haariges Monster, das uns anfällt und fest umarmt, ohne dass wir uns wehren könnten. Die Liebe wiederum ist ein Prozess, der später einsetzt. Stellt sich nur noch die Frage, wie man mit diesem anhänglichen und meist sehr unvernünftigen Monster umgeht…

Was tun, wenn es der Mann meiner Freundin ist?

Natürlich ist der Freund der besten Freundin tabu. Aber was, wenn man nicht mehr aufhören kann, an ihn zu denken? Wie Elvis "Can’t Help Falling in Love“ singen und „nach mir die Sintflut“ denken? Nein. Nicht jedes Kribbeln im Magen und Flackern im Herzen muss zwangsläufig in einer Affäre oder Beziehung enden. Unsere Gefühle sind so beeinflussbar wie unser innerer Schweinehund, der sich mit etwas Willenskraft durchaus vom Sofa und Schnuckerschrank weglocken lässt. Dr. Sandra Konrad: „Sobald Sie merken, dass Sie sich verboten verlieben, sollten Sie kurz innehalten, um genau zu überlegen, was alles passieren könnte, wenn Sie Ihren Gefühlen einfach nachgeben.“ Setzen Sie sich zum Beispiel allein zu Hause aufs Sofa und fragen Sie sich, warum es ausgerechnet dieser Mann sein muss. Sind es vielleicht nur Äußerlichkeiten, die Sie schlichtweg erotisch und erregend finden? Oder ist es der Reiz des Verbotenen, der die Situation für Sie so prickelnd macht? Zusätzlich zu den eigenen Gefühlen sollten Sie sich darüber klar werden, was so eine Affäre für alle anderen freiwillig wie unfreiwillig Beteiligten bedeuten kann. Was ist wichtiger? Die Freundschaft zu Ihrer Freundin oder die Beziehung zu dem Mann? Und wird sich Ihre Affäre vielleicht sogar auf den gesamten Freundeskreis auswirken? Erst wenn Sie alle möglichen Fragen ruhig und logisch für sich beantwortet haben, sollten Sie den nächsten Schritt machen. Wer sich am Ende immer noch sicher ist, dass man nur mit diesem einen Mann bis ans Lebensende glücklich werden kann, muss auch die Konsequenzen tragen. Für alle anderen heißt es: schön die Finger von dem Typen lassen. Wahrscheinlich wird nach einiger Zeit sogar das Verlangen nach ihm schrumpfen. Und nach ein paar Monaten sorgt sein Anblick bei Ihnen nur noch für ein kleines Schmunzeln, und Sie verspüren möglicherweise einen Hauch von Stolz darüber, dass Sie stark genug waren, der Versuchung zu widerstehen.

Frau ist Dinner mit einem Gorilla© Eyecandy Images, iStock/Thinkstock
Hilfe, ich date einen Psycho-Mann: Wie Sie "den Falschen" erkennen und ihn wieder loswerden.

Wieso verliebe ich mich immer in miese Typen?

Der Letzte war schon vergeben. Der davor zog gerade nach Timbuktu. Der davor war ein bisschen zu sehr auf Strumpfhosen fixiert… Wer zielsicher und ständig danebengreift, anstatt das große Los zu ziehen, hat eventuell schlicht ein Problem mit dem eigenen Beuteschema. Manche haben Glück. Da beschränken sich die persönlichen Präferenzen auf eine auffällige Nase oder eine dunkle Lockenpracht. Problematischer wird es, wenn frau sich aus einem bunten Männerangebot immer zielgerichtet den aussucht, der ihr garantiert nicht guttun wird. Da ist es fast schon egal, ob es nun der bindungsunfähige Berufsjugendliche ist, der Obermacho mit Diktator-Allüren oder eben der Typ mit dem Ring am Finger. Wer bei solchen permanenten Fehlgriffen allerdings immer noch an Pech oder schlechtes Karma glaubt, denkt auch bei dem Begriff "Selbstreflexion“ wahrscheinlich nur an sein Spiegelbild morgens beim Zähneputzen. Wenn wir ehrlich mit uns sind, tragen wir für unser Liebesschicksal allein die Verantwortung. "Die Ursachen für unbefriedigende Beziehungsmuster finden sich häufig in den frühen Beziehungserfahrungen unserer Kindheit und Jugend“, erklärt Dr. Sandra Konrad. Die erste große Liebe, die uns auf dem Höhepunkt unserer Gefühle eiskalt abserviert hat, kann genau so ein Grund sein wie ein unnahbarer Vater. Unbewusst suchen wir uns anschließend immer Partner, mit denen wir alte Erfahrungen und Gefühle wiederholen können“, so die Psychologin. Insgeheim hoffen wir dabei, dass sich diese harte Nuss nun endlich von uns knacken lässt und wir das Glück finden, das wir verdienen. Sie erinnern sich an die anfangs erwähnten Projektionen? Da sind sie wieder! Aber keine Sorge: Weil wir vernunftbegabte Wesen sind, können wir auch diesen Teufelskreis durchbrechen. Es erfordert nur Mut und – zugegeben – eine große Portion Willenskraft. "Führen Sie sich ihre bisherigen Verhaltensmuster genau vor Augen“, sagt Dr. Sandra Konrad. "Sobald Sie ein eindeutiges Schema erkennen können, ist es an der Zeit für Sie zu handeln. Überlegen Sie sich dazu genau, was Sie eigentlich von einem Mann und einer Beziehung erwarten, und lernen Sie, zu der Versuchung Nein zu sagen.“ Sobald Ihnen der nächste Bad Boy über den Weg läuft, wechseln Sie am besten einfach die Straßenseite, anstatt ihm freudig strahlend in die Arme zu laufen.

Warum nehme ich nicht meinen netten Nachbarn?

Ach, könnte man sich nicht einfach in den reizenden Kerl von nebenan verknallen? Der hat einen unüberhörbar guten Musikgeschmack, einen grünen Daumen und offensichtlich keinen Damenbesuch. Allein – es kribbelt nicht. Aber nur weil nicht sofort Schmetterlinge im Bauch herumfliegen, heißt es nicht, dass sie nie flattern werden. "Liebe kann mit der Zeit wachsen“, sagt Dr. Sandra Konrad. Besonders, wenn wir einander oft sehen und die gleichen Lebensumstände teilen, steigen die Chancen auf ein Leben zu zweit. Studien haben bewiesen, dass wir uns häufig in Personen verlieben, die sich regelmäßig in unserem Umfeld bewegen. Auch wenn er uns nicht am ersten Tag auffiel, kann der junge Mann, der so oft neben uns am Postkasten steht, irgendwann das Objekt unserer Begierde werden. Und dass Beziehungen im gemeinsamen Umfeld besonders gut gedeihen, ist ja mittlerweile hinlänglich bekannt. So eine Regelmäßigkeit lässt sich natürlich auch bewusst herbeiführen. Wenn Sie zum Beispiel das nächste Mal einen Mann treffen, der Sie zwar nicht direkt aus den Socken haut, aber trotzdem irgendwie interessant ist, können Sie der Liebe eine Chance geben, indem Sie sich regelmäßig treffen. Als Beweis, dass das funktionieren kann, verweisen Forscher immer wieder auf die große Zahl arrangierter Ehen, die glücklich sind – was wir aber natürlich wenig romantisch finden und dazu ziemlich fragwürdig. Trotzdem: Es könnte sogar mit einem guten Freund klappen. Vorausgesetzt, beide haben Lust, etwas zu wagen, und beide finden sich gegenseitig halbwegs attraktiv. Eine Erfolgsgarantie gibt es jedoch nicht. "Wirkliche Gefühle entstehen nur, wenn schon irgendeine Art von Anziehungskraft vorhanden ist“, so die Psychologin. Ganz kontrollieren können wir die Liebe also nicht. Was ja auch irgendwie ganz beruhigend ist, oder?

Wenn das Herz dicht macht

Akuter Liebeskummer oder lange Durststrecke – manchmal meint man, für immer Single zu bleiben. Dr. Sandra Konrad verrät, wie wir uns wieder für neues Glück öffnen.

Petra: Sich nie wieder verlieben können – gibt es das wirklich?

Dr. Sandra Konrad: Jein. Sich zu verlieben, Liebe und Bindung sind drei völlig unterschiedliche Dinge. Wir verlieben uns völlig unbewusst und haben keinen Einfluss darauf, wann und in wen. Liebe hingegen ist ein tiefes Gefühl, das im Laufe der Zeit wächst. Frühe Bindungserfahrungen stellen außerdem die Weichen für unser späteres Liebesglück. Wer einen schlechten Start in sein Liebesleben erwischt, wird wahrscheinlich mehr Schwierigkeiten mit Beziehungen haben. Doch auch wenn manche versuchen, ihr Herz zu verpanzern, bleibt immer eine Chance für die Liebe. Es ist nur komplizierter.

Was kann ich tun, um eine schmerzhafte Trennung zu verarbeiten?

Unterdrücken Sie ihre Gefühle nicht. Trauer, Wut und Enttäuschung brauchen Platz. Sprechen Sie mit Freunden oder führen Sie Tagebuch, um sich alles von der Seele zu reden und zu schreiben. Ein Realitätscheck kann helfen: War er wirklich so wundervoll? Seien Sie ehrlich zu sich selbst und überlegen Sie, welche tollen Möglichkeiten Sie in Zukunft ohne diesen Mann haben.

Was hilft mir, wenn ich auch noch Jahre später unter einer Trennung leide?

Wer nach Jahren noch leidet, hat seine Trennung wahrscheinlich nicht verarbeitet. Dabei kann es sein, dass die Trennung nur ein Teil eines komplexen Problems ist. Vielleicht hat die fehlgeschlagene Beziehung alte Wunden aus der Kindheit oder von früheren Beziehungen aufgerissen. Das herauszufinden, kann einen einzelnen Menschen überfordern. Um nicht ewig auf der Stelle zu treten, sollte man an diesem Punkt therapeutische Hilfe in Betracht ziehen.

Wie kann ich möglichst unbelastet in eine neue Beziehung gehen?

Wir können Erfahrungen nicht abstreifen wie einen Mantel. Aber wir können aus ihnen lernen und mehr Klarheit über unsere eigenen Bedürfnisse und mehr Verständnis für die des Partners entwickeln.

Alles Erziehungssache? In ihrem aktuellen Buch widmet sich Sandra Konrad der Frage, wie die Familie unsere Beziehungen beeinflusst. "Das bleibt in der Familie“, Piper, 304 S., 19,99 Euro.

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