
Madeleine Leitner arbeitet als Karriere-Beraterin und Buch-Autorin in München. www.madeleine-leitner.de
Mal erwischt es eine Kollegin, mal die beste Freundin: Jeder kennt inzwischen Leute, die ihren Job verloren haben, die Kündigungswelle erfasst nahezu alle Branchen. Wie schafft man es, sich davon nicht runterziehen zu lassen und den eigenen Job möglichst zu behalten, ohne sich zu verbiegen? Dasweiß die Münchner Psychologin und Karriere-Beraterin Madeleine Leitner. Die 53-Jährige arbeitete erst als Therapeutin, danach als Personal-Beraterin und absolvierte als erste Deutsche eine Weiterbildung bei Richard Nelson Bolles. Dessen Bestseller„ What Color Is Your Parachute?“ brachte sie unter dem Titel „Durchstarten zum Traumjob“ heraus. Das Buch avancierte zum meistgelesenen Ratgeber für die Karriere-Planung.
PETRA: Derzeit werden fast überall Stellen gestrichen. Wie verhalte ich mich jetzt richtig im Job?
Madeleine Leitner: Auf keinen Fall sollten Sie jetzt vor Schreck erstarren, aus Angst, einen Fehler zu machen. Auch Mäuschen spielen, den Kopf einziehen und in Deckung gehen, lohnt sich nicht. Viele Menschen glauben leider, dass sie sich vor einer Kündigung am besten schützen können, wenn sie nicht negativ auffallen. Sie versuchen deshalb, sich unsichtbar zu machen und hoffen, dass der Kelch an ihnen vorüber geht. Ich empfehle das genaue Gegenteil: Gehen Sie gut gelaunt ins Büro, setzen Sie Ihren ganzen Charme ein! Weisen Sie Ihren Chef in Konferenzen, bei Firmenfeiern oder beim Mittagessen immer wieder auf Ihre Erfolge hin. Überlegen Sie sich, wann Sie eine Aufgabe besonders schnell oder gut bewältigt haben, und streichen Sie dann gezielt Ihre persönliche Leistung innerhalb des Teams heraus. Tabu ist aber, die Leistung der Kollegen abzuwerten, um selbst besser dazustehen.
Das klingt so einfach. Trotzdem ist jeder Mitarbeiter ersetzbar, oder?
Nein, das stimmt nicht. Ob Sie austauschbar sind oder nicht, hängt davon ab, welchen konkreten Nutzen Sie Ihrem Unternehmen bringen. Damit Ihr Chef auch erkennt, was Sie wert sind, müssen Sie Ihre Vorzüge zur Sprache bringen.
Wie mache ich das?
Sie müssen ihm sagen, ob Sie zum Beispiel neue Kunden gewinnen konnten oder den Firmenumsatz gesteigert haben. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass Ihr Chef von selbst sieht, wie viele Überstunden Sie machen oder wie kompetent Sie sind. Versuchen Sie, sich kontinuierlich weiterzubilden und sich Spezialwissen anzueignen, das Sie im Kollegenkreis einzigartig macht. Sie können auch eigene Projektideen vorschlagen oder zum Chef gehen und ihm sagen, dass Sie gern mehr Verantwortung übernehmen möchten. Wenn Sie wichtige Projekte betreuen, wird man nicht so leicht auf Sie verzichten können.
Je öfter man hört, dass irgendwo Leute entlassen werden, desto öfter sorgt man sich um den eigenen Job. Kann ich mich vor Existenzängsten schützen?
Wer Höhenangst hat, sollte Klettern gehen! Sich mit dem Ernstfall zu konfrontieren, ist in der Psychotherapie ein bewährtes Mittel. Stellen Sie sich den „Worst Case“, also den schlimmsten Fall, konkret vor, und fragen Sie sich: „Was würde ich tun, wenn mir morgen gekündigt wird?“. Spielen Sie diese Situation in allen Einzelheiten durch. Wie genau würden Sie reagieren? Was würden die Freunde sagen? Müssten Sie vielleicht Ihre Wohnung aufgeben? Wichtig ist, dabei eine aktive Rolle einzunehmen und sich Handlungsoptionen zurechtzulegen. Nach einer Theorie des Psychologen Martin Seligman führt vor allem das Gefühl, einer Situation ohnmächtig ausgeliefert zu sein, zu Ängsten und Depressionen. Wer dagegen überzeugt ist, aus eigener Kraft Auswege finden zu können, fühlt sich stärker und verliert die Angst.
Viele Wirtschaftsexperten sehen die nahe Zukunft pessimistisch. Wie kann ich optimistisch bleiben?
Auch wenn Sie mit Ihrem Job zufrieden sind, sollten Sie sich eine Alternative überlegen, zum Beispiel eine Selbstständigkeit. Sie können auch nach Job-Angeboten suchen, am besten auf dem inoffiziellen Stellenmarkt, indem Sie Freunde und Bekannte fragen, ob sie von freien Jobs wissen. Sie werden schnell feststellen, dass es trotz der Krise interessante Alternativen für Sie gäbe. Und ein guter „Plan B“ macht Sie nicht nur unabhängiger von Ihrem jetzigen Arbeitgeber, sondern steigert auch Ihren Marktwert: Jemand, der weiß, dass er auch eine andere Stelle finden würde, tritt selbstbewusster auf und wird oft als kompetenter wahrgenommen. Natürlich sollten Sie jetzt nicht aus heiterem Himmel zu Ihrem Chef gehen und ihm sagen: „Ich schaue mich gerade nach einem anderen Job um.“ Wichtig ist, sich klar zu machen, dass Sie dank guter Qualifikation und Ihrer Erfahrung auch in turbulenten Zeiten gelassen in die Zukunft blicken können.
»Mit einem guten ,Plan B‘ im Kopf wirken Sie kompetenter«
Wie stark schadet eine Kündigung der Karriere?
Normalerweise gar nicht. Früher war man als Gekündigter gebrandmarkt und hatte schlechtere Chancen bei der Job-Suche, das hat sich zum Glück geändert. Ob eine Kündigung zu einem Karriereknick führt, hängt in erster Linie davon ab, wie man damit umgeht. Wer sich sehr über die Arbeit definiert, nimmt die Kündigung meist zu persönlich. Eine meiner Klientinnen opferte sich jahrelang für den Job auf. Sie hatte kaum Zeit für Hobbys oder Freunde, machte Überstunden und hielt trotz Mobbing den Laden zusammen. Als ihr gekündigt wurde,empfand sie das als Katastrophe. Menschen wie sie leiden oft unter einem „Ablehnungs-Trauma“ und finden nur mit Mühe wieder gute Jobs.
Und wenn’s mich doch trifft: Wie gehe ich mit einer Kündigung um?
Je mehr Sie die Kündigung als Weltuntergang betrachten, desto negativer wirkt sie sich auf Ihre Karriere aus. Einer anderen Klientin von mir fiel es noch Monate nach ihrer Entlassung schwer, nach vorn zu schauen. Sie hat dauernd die Vergangenheit analysiert und sich gefragt: „Was wäre passiert, wenn ich mich in dieser Situation damals so und so verhalten hätte?“. Solche Gedanken lähmen nur. Machen Sie sich lieber klar, dass Entlassungen nichts mit der eigenen Leistung zu tun haben. Fusionen, Pleiten oder Wechsel an der Führungsspitze sind die Gründe für Entlassungen. Suchen Sie die Schuld also nicht bei sich.
Wie kann ich mich für meine neue Job- Suche motivieren?
Zuerst einmal: Fast alle Leute wurden schon mindestens ein Mal entlassen. Personalchefs wissen das. Sie müssen also nicht befürchten, in Bewerbungs- Gesprächen schief angesehen zu werden, weil Ihnen gekündigt wurde. Knüpfen Sie lieber neue Kontakte in Branchen-Netzwerken, in Business-Clubs oder bei Xing. Und pflegen Sie diese Kontakte weiter, nachdem Sie einen neuen Job gefunden haben. Leider weiß man heutzutage ja nie, wie lange man eine Stelle behält, und gute Beziehungen sind überlebenswichtig. Außerdem ergeben sich durch Netzwerke oft neue Möglichkeiten, an die man gar nicht gedacht hat.
Hat die Kündigung auch positive Seiten?
Aber natürlich. Man kann sich fragen: „War das wirklich der richtige Job für mich? Was würde ich vielleicht lieber machen?“. Danach überlegt man sich, wie man dorthin kommt, wo man hin möchte. Viele Menschen entscheiden sich zunächst für den falschen Job oder finden Ihren Job zwar gut, aber die Arbeitsbedingungen nicht. Ich kenne eine Chemikerin, die nach ihrer Kündigung Tiermedizin studiert hat. Und damit viel glücklicher ist als im alten Beruf.