Gelassen in jeder Situation

Gelassen in jeder Situation

Auch wenn wir den Winter nicht draußen in der Wildnis verbringen: Der Alltag weht uns manchmal eiskalt um die Ohren. Leise Kritik, ein schiefer Blick – das nehmen wir gern gleich viel zu persönlich. Hier steht, wie Sie kleine Verletzungen besser wegstecken – ganz ohne Bärenpelz!

Enstpannte Frau© istockphoto
Enstpannte Frau

Wie oft habe ich mir das schon gewünscht – ein dickeres Fell zu haben. So dick wie das eines kanadischen Grizzlybären, ganz und gar undurchdringlich für die Gemeinheiten des Alltags. Stattdessen friere ich, sobald mir ein kühleres Lüftchen aus meiner Umwelt entgegenweht. Im ungünstigsten Fall fühle ich mich sogar, als hätte man mir einen Fausthieb in die Magengrube verpasst. Für ein bisschen Kritik an meiner Arbeit. Weil meine Schwiegermutter eine flapsige Bemerkung gemacht hat. Oder eine gute Freundin mich nicht zu ihrer Silvesterparty einlädt. Ich liege dann nachts wach, führe innere Dialoge mit demjenigen, der mir das angetan hat, und suche weitere Indizien für seine Boshaftigkeit. Ich geb’s zu: Ich bin manchmal ziemlich dünnhäutig. Und beneide all diejenigen, an denen kleine Unhöflichkeiten genauso abperlen wie echte Schläge unter die Gürtellinie. Die darüber nur schmunzeln und ihre Angreifer bedauern können – statt sich selbst. Ich wette, Sie kennen diese Gefühle auch – schließlich neigen Frauen verstärkt zu Selbstzweifeln. Eine repräsentative Umfrage der „Apotheken Umschau“ hat ergeben, dass jede dritte Frau (viel zu) sehr unter Kritik leidet. Bei Männern war das übrigens weniger als ein Viertel – sie interessieren sich einfach nicht so dafür, was andere von ihnen halten.

Warum wir Frauen aber auch immer so wahnsinnig empfindlich sind …

Fühlen Sie sich von Kritik und Bemerkungen so getroffen wie ich, ist das zunächst ziemlich menschlich. Das, was wir kassieren, wenn uns jemand dumm kommt, nennen Psychologen „narzisstische Verletzungen“. Sie kratzen an unserem Ego und führen dazu, dass wir uns abgewertet oder nicht respektiert fühlen. Das ist deshalb ein so schlimmes Gefühl, weil in unseren Genen noch das Steinzeitprogramm läuft: Damals konnte man nur innerhalb einer Gruppe überleben. Man jagte gemeinsam, gab einander Schutz. Hatte die Gruppe es aus irgendeinem Grund auf ein Mitglied abgesehen, riskierte es, ausgestoßen zu werden und schutzlos der Wildnis ausgeliefert zu sein – es sei denn, es nahm sich die Vorwürfe zu Herzen und passte sich an.

Dieser Mechanismus sitzt manchen von uns noch heute in den Köpfen. Er führt dazu, dass wir selbst belanglose Verletzungen in Gedanken immer und immer wieder durchspielen. Problem: Grübeln wir zu viel, nagen sich die Kritteleien tatsächlich dauerhaft in unser Selbstwertgefühl. Daran ändert die Tatsache, dass wir (sonst) im Leben tolle Leistungen erbracht haben, schlimmerweise nur wenig. Ob wir unsere Arbeit immer fehlerfrei abliefern, die besten Teamplayer sind, vor Ideen nur so sprühen – sagt uns der Chef, dass er uns dafür extrem schätzt, sich aber mehr Pünktlichkeit wünscht, hören wir nur Letzteres… Und wenn sich Schatzi auf das von uns hingebungsvoll gekochte Drei-Gänge-Menü stürzt, dann aber nach dem Salz fragt, stellen wir beleidigt wahlweise unsere Kochkünste oder gleich seine Liebe infrage. John Cacioppo, Neurowissenschaftler an der Universität Chicago, fand heraus, warum uns solche Wermutstropfen so sehr aus der Bahn werfen: „Hang zum Negativen“ nennt er das Phänomen, das anhand der Gehirnströme messbar ist. Soll heißen: Negative Stimulationen schlugen bei den getesteten Personen eindeutig stärker aus als positive. Cacioppo: „Dieses Phänomen mussten wir bei den meisten Menschen feststellen.“

Das Ziel: gelassener mit Dingen umgehen, die uns gefährlich nahe gehen

Glücklicherweise sind wir dem Schicksal nicht vollkommen ausgeliefert. Wir können von Dickhäutern viel lernen, weiß Martin Lyden, Psychologe aus New York, der eingehend erforscht hat, was Sensible von Menschen mit dickem Fell unterscheidet: „Dickhäutige Menschen sehen Missbilligung und Kritik häufig als Information über die Sichtweisen des anderen. Sie verknüpfen sie aber nicht mit ihrer eigenen Selbstwahrnehmung.“ Dünnhäutige hingegen nehmen die Kommentare von anderen häufig für bare Münze und brüten exzessiv darüber. „Sensible Menschen sind oft zu egozentrisch: Sie nehmen nur sich und ihre Probleme wahr und schieben dem Angreifer finsterste Motive zu, die meist gar nicht stimmen.“ Wie bedrohlich sich dieser Gedankenzirkus auf unsere Psyche auswirken kann, zeigt eine Studie kanadischer Forscher: Zwei Drittel aller Morde, so deren Ergebnis, würden von Männern verübt, die sich nicht respektiert fühlten und töteten, um ihre Ehre wiederherzustellen. Auch wenn dies ein extremes Beispiel ist – es ist ein eindeutiges Indiz, dass es niemandem guttut, wenn man sich Kränkungen zu sehr zu Herzen nimmt. Wären alle Menschen Mimosen, wäre die Geschichte um wichtige Figuren ärmer. Beispielsweise Martin Luther King oder Gandhi: Stellen Sie sich mal vor, die wären unter jeder der zahlreichen Anfeindungen ihrer Umwelt eingeknickt wie zarte Blümchen – sie hätten die Menschheit nie verändern können.

Auch wenn wir nicht gleich die Welt retten wollen – das erste Ziel sollte sein, gelassener mit den Dingen umzugehen, die uns gefährlich nahegehen. Wie sehr wir es an uns heranlassen, wenn wir unfair behandelt oder gekränkt werden, liegt allein an uns. Schon die kluge Eleanor Roosevelt sagte: „Niemand kann ohne dein Einverständnis bewirken, dass du dich unterlegen fühlst.“ Hinzu kommt: Viele vermeintliche Kränkungen waren vom Absender gar nicht als solche gemeint. Muffelt uns morgens ein Kollege an, dann vielleicht nicht, weil er uns zeigen will, dass er uns verachtenswert findet – sondern weil er einen irren Brummschädel hat. Werden wir zu einer Party nicht eingeladen, ist das vielleicht so, weil die Gastgeberin dachte, sie würde uns keinen Gefallen tun, uns in den Kreis ihrer Kollegen zu bitten, unter denen ein Insider-Spruch nach dem anderen fällt.

Niemand kann ohne dein Einverständnis bewirken, dass du dich unterlegen fühlst

Doch statt das in Betracht zu ziehen, bringen wir uns lieber nachts um den wohlverdienten Schlaf, um Streitgespräche mit vermeintlich fiesen Mitmenschen zu führen. Im ersten Moment scheint es ja auch leichter, alle Schuld auf unsere Umgebung zu schieben. Vielleicht mögen wir aber auch die Aufmerksamkeit, die wir fürs Beleidigte-Leberwurst-Spielen bekommen. Das Problem dabei, so Lyden: „Je dünnhäutiger wir reagieren, desto mehr spüren das die anderen. Wenn auch unterbewusst. Und das führt dazu, dass sie uns tatsächlich weniger wertschätzen.“ Verständlich: Wer für eine bestimmte Person andauernd seine Samthandschuhe überziehen muss, hat irgendwann immer weniger Lust, Zeit mit ihr zu verbringen. Will man wirklich so jemand sein? Und weil so viel Rücksichtnahme einfach zu viel von unseren Mitmenschen verlangt ist, müssen wir selbst emotionale Schadensbegrenzung betreiben. Jetzt wollen Sie Ihr Mimosen-Dasein auch beenden, oder? Dann lesen Sie mal rechts, was starke Mädchen anders machen.

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