

Neulich beim Yoga machte ich einen großen Fehler. Ich habe in einer Übung, in der man sich vorbeugen muss, nach vorne gesehen und bin fast erstarrt. Nicht, weil es so weh tat (okay, das auch), sondern hauptsächlich wegen dieser schrecklichen Badehose, die sich hauteng über diesem rasierten Männerpo spannte. Männer, die Yoga machen – gut, daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Aber Männer, die sich dafür den Hintern rasieren und Speedo- Höschen tragen? Bitte nicht! Richtig schlimm wird’s, wenn sie nach der Yogastunde bei einem Gläschen Kräutertee die Leidensmiene aufsetzen und über ihre letzte Beziehung reden. Und über die Trauer, die sie empfinden, wenn sie daran denken müssen, verlassen worden zu sein. Muss ich mir das anhören? Nein, das möchte ich nicht! Viel lieber hätte ich dieses Männlein angeschrien: „Hey, guck dich doch mal an! Welche Frau würde dich nicht an der nächsten Straßenlaterne für jeden x-beliebigen, Bier trinkenden und Currywurst essenden Mann verlassen? Und trag gefälligst Shorts!“
Schon in der Kindheit haben es die Buben nicht leicht
Ich gebe ja zu, dass es Männer heute nicht einfach haben. Schon in der Schule hinken die meisten Jungs den Leistungen ihrer Schulfreundinnen hinterher. Wilde Kerle waren gestern. Der Junge von heute gibt sich verständig, er ordnet sich unter. Will nicht mehr boxen, sondern lieber kleine Sandbrötchen backen. Mütter fordern seit Jahren eine spezielle Jungs-Förderung in Kita, Vorschule und Schule, damit ihr männlicher Nachwuchs nicht von den ach so patenten kleinen Mädels übervorteilt wird. Und sind diese nicht geförderten Jungs ein paar Jahre älter, müssen sie sich auch noch mit den Verweichlichungs-Vorwürfen des anderen Geschlechts rumplagen. Und wie reagieren die angehenden Männer darauf? Mit traurigem Blick und flaumigem Bart. Mit Wollmütze und Schlabber-Shirt statt mit Muskelspielen und vor Wut zusammengepressten Lippen.
Das haben wir nun davon. Wir Frauen wollten doch die ganze Zeit, dass ER endlich Gefühle zeigt. Ja schon, aber doch nicht sooooo viele! Und bitte nicht so oft. Vor allem: nicht auf so unmännliche Art. Es ist schon wahr: Was der Mann von heute auch tut, irgendwie kann er nichts davon richtig machen. Und manch einer rutscht dann beim Suchen nach seiner Nische für das Ausleben seiner weichen Seite plötzlich nur mit Badehose bekleidet in einen Großstadt-Yoga-Kurs. Kein Wunder also, dass Männer bei dem Stress im Schnitt fünf Jahre eher sterben als die Frauen, die sie ihr ganzes Leben lang gepiesackt haben. Dazu gibt es noch jede Menge Lebensbereiche, in denen Frauen offensichtlich bevorzugt werden. Immer wieder stellen Forscher so einschneidende Dinge fest wie den Fall, dass Frauen vor Gericht für gleiche Vergehen mildere Strafen erhalten oder weniger für Verkehrsvergehen bezahlen, wenn Sie dabei auf frischer Tat ertappt werden. Diese Aufzählung ließe sich noch mühelos fortsetzen.

Das starke Geschlecht verkörpert beide Seiten der Medaille
Außerdem ist das vermeintlich starke Geschlecht nicht nur an der Spitze, sondern auch am unteren Ende unserer Gesellschaft deutlich überrepräsentiert. Will heißen: Ob Manager, Vorstandsvorsitzender, Obdachloser oder Hilfsarbeiter – all diese Personen sind vorzugsweise Männer. Das ist natürlich nicht schön. Also für die Männer. Vor allem die am unteren Ende. Genauso wie die Tatsache, dass sich viele Frauen nahezu ungestraft über männliche Eigenarten auslassen dürfen. Als ich neulich zusammen mit einer Kollegin lautstark den prallen Bizeps eines Praktikanten bewundert habe, fand ich das irgendwie so „Sex and the City“-mäßig lässig und witzig. Dass er sich von uns ähnlich belästigt fühlen könnte, wie wenn mir ein männlicher Vorgesetzter Komplimente für mein Dekolleté machen würde, habe ich nicht ansatzweise in Betracht gezogen. Irgendwie dürfen Frauen das, oder?

Aber damit ist jetzt Schluss! Denn am Rande der Emanzipation formiert sich eine immer größer werdende Strömung, die gegen die Diskriminierung von Männern kämpft. Sie nennen sich Maskulisten und verfolgen hauptsächlich ein Ziel: den Mann aus seinem Schattendasein zu befreien, zu dem er von den Frauen in den letzten Jahrzehnten zunehmend verdammt wurde. Männergruppen wie der Verein MANNdat weisen auf ihrer Homepage und in Interviews regelmäßig darauf hin, in wie vielen Bereichen das einst starke Geschlecht mittlerweile im Abseits steht. Dabei sind die mangelnde Förderung von Jungen durch die Bildungspolitik oder die einseitige Darstellung von häuslicher Gewalt zu Lasten der Männer nur zwei Beispiele. Von der rechtlichen Schlechterstellung von Vätern und geschiedenen Männern ganz zu schweigen. Im Buchhandel stehen derzeit Neuerscheinungen im Regal mit Titeln wie „Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut?“ (Huber, 24,95 Euro) oder „Das entehrte Geschlecht. Ein notwendiges Manifest für den Mann“ (Pantheon, 12,99 Euro). Und worum geht es in diesen Werken? Wäre man böse, würde man sagen, es handle sich um Warmduscher-Gejammer von Männern, die mit starken Frauen einfach nicht klarkommen. Für die Autoren selbst sind es längst überfällige Gedanken und Theorien, die dem Mann von heute helfen sollen, sein modernes Leben zu leben. So erfährt er hier, dass auch Männer karrierefrei leben, mal krank sein und sich sexuell entfalten dürfen. Gut, das sehe ich auch so, ich frage mich nur: Mann, wo ist dein Problem? Tu es einfach!
"Wer mir die Frauen erklären kann, tut mir Leid"
Nachdenklich gemacht hat mich allerdings ein Vorwurf. Der, dass wir Frauen uns mit unserer Emanzipation nur die Rosinen herauspicken. Die Maskulinisten sagen, wir wollten gar keine Gleichberechtigung, sondern Bevorzugung. Das Argument hat es natürlich in sich. Sich immer nur die saftigsten Kuchenstücke auszusuchen und die Krümel zu ignorieren wäre ganz schön fies. Aber machen wir das wirklich? Wenn diese Maskulisten kritisieren, dass wir uns gern (und unemanzpiert) ins Restaurant einladen und die Tür aufhalten lassen, dann müssen alle Männer im Gegenzug auch endlich anfangen, wirklich im Haushalt mitzu- helfen und sich gleichberechtigt an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen. Dieses ewige „Das ist eben ein wichti- ges Meeting, Schatz!“ oder „Lass mir meine Ruhe, mein Job war heute so stressig“ nervt nämlich mindestens genauso wie verweichlichtes Gefühls- Gejammer! Ich verstehe ja, ihr sucht den Mittelweg zwischen weich und hart. Versucht den Spagat, uns Frauen einerseits nah zu sein, aber anderer- seits kein offenes Buch zu werden. Der österreichische Schriftsteller Gabriel Barylli hat dazu etwas Kluges gesagt: „Wer mir die Frauen erklären kann, tut mir leid ... Diese Restfremdheit ist das, was uns antreibt. Das Geheimnisvolle zwischen Mann und Frau ist, dass sie einander eben nicht verstehen. Die Kunst der Liebe besteht darin, den anderen zu ahnen, ohne zu wissen, wie er wirklich ist.“ Danke dafür.
YVONNE ADAMEK