
Er hieß Olli und hatte ein Skateboard. Nicht irgendeins! Seines war auf der Unterseite mit einem riesigen weißen Totenkopf verziert. Genau wie auch die meisten seiner T-Shirts. Und das, als all die anderen Jungs aus der siebten Klasse noch mit bunten, von Muttis Weichspüler durchtränkten Sweatshirts herumliefen. Olli war frech und respektlos, und ich sofort in ihn verliebt. Ich malte mir aus, wie toll es sein würde, die Frau, ähm, das Mädchen an der Seite dieses wortkargen Einzelgängers zu sein; die Einzige, mit der er alles teilt, die ihn versteht, die in seine Seele blicken kann. Ein bisschen so wie Bonnie und Clyde – nur ohne das Schießen und Sterben…
Leider wurde aus diesem Traum nichts. Auch nicht, als wir vier Jahre später ein Paar wurden. Er blieb, bis auf einige zermürbende Wortgefechte, wortkarg und unterkühlt. Kam ich ihm zu nahe, stieß er mich weg. Verließ ich ihn, kroch er hinter mir her. „So muss Liebe sein“, dachte ich damals und nahm ihn immer wieder zurück. Von ihm bekam ich sogar meinen ersten und bisher einzigen Heiratsantrag. Betrunken vor sich hingenuschelt und mit einem romantischen „Ey, hömma…!“ eingeleitet. Danach wusste ich, dass ich etwas ändern musste.
Auf der Suche nach Trost fand ich Christian. Er saß an der Uni neben mir. Ich mochte sein verwuscheltes Haar und diesen verwirrten Ausdruck in seinen Augen. Wie ein verlorener Hund. Und da ich Hunde schon immer mochte, ließ ich auch Christian bald in mein Herz. Er war so sanft und einfühlsam – das genaue Gegenteil von Olli. Er hörte mir zu und war immer da, wenn ich ihn brauchte. Wirklich immer: beim Aufwachen in meinem schmalen Wohnheimbett, in fast der Hälfte meiner Seminare, beim Mittagessen, manchmal tauchte er sogar beim Mädelsabend auf. Immer mit diesem treuen Blick in seinen Wauzi-Augen. Nach drei Jahren an der Seite eines wortkargen Einzelgängers genoss ich so viel Aufmerksamkeit. Doch irgendwann war ich nur noch genervt. Mein erster Eindruck hatte mich tatsächlich nicht getäuscht: Er war wirklich wie ein Hund. Eines Tages setzte ich ihn aus und fuhr, ohne mich umzublicken, davon, zum Praktikum in eine andere Stadt und in ein anderes Leben ohne Christians.
Nur… so einfach kann man diesen Ollis und Christians dieser Welt gar nicht entkommen. Sie sind überall. Dabei verstecken sie sich gekonnt hinter schönen Fassaden, die einem vorgaukeln, man wäre endlich angekommen. Ein bisschen so wie Altbauwohnungen, die einen mit ihren hohen, stuckverzierten Decken und Holzdielen zum Einziehen überreden und es einem dann mit schimmeligen Wänden danken. Und man zieht trotzdem immer wieder von der einen in die nächste. Irgendwann muss es ja schließlich besser werden.
Wird es auch. Zumindest bei den Männern. Vor einiger Zeit fanden Forscher des Max-Planck-Instituts in Berlin nämlich heraus, dass man etwa 13 Männer kennengelernt haben muss, bis man den Richtigen trifft. Jedes Mal, wenn wir einige Zeit mit jemandem verbringen, den wir attraktiv und interessant finden, ergänzen wir das Wunschbild von dem Mann, mit dem wir unser Leben verbringen würden. Der Tennislehrer zählt dabei genauso zu den magischen 13 wie die kurze, aber heftige Affäre. Ähnliche Statistiken über schimmelnde Altbauwohnungen sind mir leider nicht bekannt. Ebenso wenig, ob es nun wirklich genau 13 sein müssen. „Dennoch sollten Menschen sich eine Wahlphase zugestehen und Erfahrungen sammeln.“ Da ist sich auch Single-Experte und Buchautor Eric Hegmann („Die Traumprinz-Falle“, Goldmann, 207 Seiten, 7,95 €) sicher. „Hier geht es dann darum, wie viele Erfahrungen jeder für sich machen möchte oder benötigt. Mehr als Lady Di und weniger als Madonna – der Spielraum ist groß und jedem selbst überlassen.“ Wichtig ist am Ende nur, was man aus jeder einzelnen Begegnung mitnimmt. Was hat mir gefallen? Was überhaupt nicht? Und vor allem: Liegt es eigentlich an mir, dass mir nur Spinner über den Weg laufen?
Diese Frage drängte sich mir spätestens bei Alex auf. Er wohnte in der Wohnung über mir in einer WG. Als er mich das erste Mal im Flur anlächelte, glühten meine Wangen sofort wie zwei überreife Cocktailtomaten und kleine Schweißperlen krochen langsam über meine Stirn. Gott, was für ein Lächeln: offen, strahlend und irgendwie ein bisschen versaut. Den wollte ich. Am besten sofort! Allerdings war ich da durchaus nicht die Einzige. Das wusste ich so genau, weil Alex’ Schlafzimmer direkt über meinem lag. Ach, wenn schon! Die anderen vor mir waren halt einfach nicht die Richtigen. Seelenlose Betthasen, sonst nichts! Mit mir würde das anders werden. Das behauptete sogar Alex am Anfang. Was ich nicht wusste, war, dass er Karina und Jennifer genau dasselbe erzählte.
Unsere Romanze lief zwar nur ein halbes Jahr, aber es tat trotzdem höllisch weh. Doch was am meisten schmerzte, war die Enttäuschung über mich selbst. Schließlich hätte ich es doch wissen müssen. „Wenn wir jung und vital sind, lassen wir uns gerne von unseren Hormonen treiben“, so Single-Experte Eric Hegmann. „Wir gönnen uns Experimente mit anderen Menschen in puncto Sex, Leidenschaft und Liebe. Wir genießen die Macht des Zufalls.“ Und aus diesem Zufall kann dann auch schnell mal ein Reinfall werden. Schließlich trägt ja niemand einen Stempel mit dem Wort Mogelpackung auf der Stirn. Gott sei Dank! Wer weiß, wie viele Männer dann direkt bei meinem Anblick schon Reißaus genommen hätten. So haben wenigstens alle die gleiche Chance.
Obwohl, nicht ganz. „Zwei Drittel der deutschen Singles haben bei der Suche bereits ein ganz konkretes Bild ihres Wunschpartners im Kopf“, sagt Eric Hegmann. „Das erschwert die vermeintlich freie Partnerwahl natürlich um ein Vielfaches.“ Während wir einem idealisierten Bild hinterherlaufen, übersehen wir vielleicht all diejenigen, die nicht genau in unsere Schablone passen.
Also zum Teufel mit dem Beuteschema und lieber nehmen, was kommt? Bitte nicht! Schließlich müssen wir ja irgendwie wissen, was uns gefällt. Und sei es nur das markante Kinn oder die blauen Augen. Außerdem verbirgt sich nicht hinter jedem schlacksigen Mann mit ausgeprägter Nasenpartie automatisch ein Idiot. Zum Glück! Sonst könnte zumindest meine biologische Uhr auch sofort mit dem Ticken aufhören. Und ich könnte endlich mit diesem Volkshochschulkurs anfangen, den ich schon immer machen wollte, anstatt in Bars rumzuhängen und nach Männern zu schauen. Und unter uns: Manchmal macht so ein Fehltritt ja auch Spaß. So ein Alex zum Beispiel mit seinen schönen Worten und seiner direkten kompromisslosen Art – vor allem im Bett – ist für jede Frau eine schöne Möglichkeit, sich grenzenlos weiblich und begehrt zu fühlen. Eine Art sexuelle Identitätstablette, bei der man allerdings genau mit der Dosierung aufpassen muss. Sporadische und kurze Einnahmen schmerzen nur kurz, wirken auf Dauer aber stimmungsaufhellend. Kontraproduktiv wird es dann allerdings, wenn so ein Alex zum eigentlichen Beuteschema wird. Dann wird die Suche nach dem Traummann langsam, aber sicher zum Albtraum.
Bleibt trotzdem die Frage, warum wir uns so gerne an das Bild des Idealmannes klammern. Glaubt man dem Single- Experten Eric Hegmann, so lassen uns vor allem fehlende Rollenvorbilder, wenige eigene Beziehungserfahrungen und eine Gesellschaft, die eine freie Partnerwahl als das höchste zu erstrebende Gut auserkoren hat, immer wieder gerne in die Traumprinz-Falle tappen. Dabei trifft dieser Irrglaube vor allem Frauen. Fast 85 Prozent haben ein genaues Bild ihres Idealmanns im Kopf. Männer sind da deutlich weniger wählerisch. Bei ihnen haben nur etwa 60 Prozent eine konkrete Vorstellung davon, wie ihre Mrs. Right sein soll. Vielleicht haben sie aber auch einfach keinen Grund dazu: Schließlich würden schockierende 43 Prozent der bindungswilligen Damen laut Umfrage ihr Leben für ihren Idealmann komplett umgestalten. Bei Männern sind es gerade mal halb so viele.
Aber keine Sorge, das ändert sich im Alter. Unter den 60- bis 70-jährigen Damen erklären sich nur noch 18 Prozent zu einschneidenden Veränderungen bereit. Also suchen wir praktisch so lange nach dem Einen, bis wir desillusioniert aufgeben? Nein! Denn schließlich sind die Begegnungen in unserem Leben etwas mehr als pures Schicksal. Wir können sie steuern, indem wir dazulernen. Und so haben auch die Nieten am Ende etwas Gutes. Sie sind es nämlich, die uns immer näher an unseren Hauptgewinn heranbringen.
Nehmen wir zum Beispiel noch einmal Olli: Der hat mich schon relativ früh von halbstarken Posern geheilt. Und nach Christian wusste ich, dass ein Mann mir mehr bieten muss als Kuschelsex und Dackelblick. Und Alex lehrte mich, besser auf meine innere Stimme zu hören. Dann kamen noch Jojo, Stephan und Ralf. Allesamt ganz nette Typen. Ich behaupte sogar, dass einer nach dem anderen immer netter wurde. Trotzdem merkte ich immer nach einer gewissen Zeit, dass sie nicht wirklich das waren, was ich suchte. Dafür pusselte sich mein Unterbewusstsein ganz still und leise und ohne mich einzuweihen nach und nach aus diesen Männern ein immer vollständigeres Bild meines Idealmannes zusammen. So was kann dauern, aber am Ende wartet dafür eine fette Belohnung. Und schließlich hat niemand behauptet, dass Liebe einfach ist.
Meine Lebens- und Liebeshistorie ist jedenfalls ein einziges Auf und Ab von Gefühlen, Träumen und Tränen. Oder sollte ich besser sagen: war? Denn auch auf die Gefahr hin, mich jetzt zu weit aus dem Fenster zu lehnen, würde ich doch behaupten, endlich die perfekte Männer- Mischung für mich gefunden zu haben. Seit drei Jahren lebe ich jetzt mit einem Mann, der einen anständigen Beruf ausübt, mir stundenlang zuhören kann, sogar wenn ich Quatsch erzähle, und der kein Problem damit hat, wenn ich mal wieder eine ganze Nacht mit meinen Mädels um die Häuser ziehe. Er hat einen Hund, keinen Hundeblick. Und auf unserem Dachboden unserer schimmelfreien Altbauwohnung liegt sogar ein Skateboard mit einem Totenkopf drauf. Ich würde sagen: Volltreffer!
Männercharaktere im Überblick:
Der Bad Boy
Er ist der Mann unter den Männern: grob, unrasiert, immer ein bisschen Porno und bis oben voll mit Testosteron. Es gibt keine Frau, die seine harte Schale nicht knacken will, um an seinen weichen Kern zu kommen. Keine Chance! Den gibt es nicht! Dafür aber leidenschaftlichen Sex, den man nicht verpassen sollte.
Der Philosoph
Diese Spezies lauert gerne an Universitäten, in Museen oder Buchläden auf ihre Opfer. Ihr Markenzeichen: Brille und charmant nachlässiger Kleidungsstil. Der Philosoph gibt uns das Gefühl, Teil der intellektuellen Szene zu sein, vielleicht sogar seine Muse. Aber wer mehr will als professionelle Museumsführungen, sollte von ihm lieber die Finger lassen.
Der Karrieretyp
Prima, ein Mann mit Willensstärke und Zielen. Blöd nur, dass sich das ausschließlich auf sein Berufsleben bezieht. Höher, schneller, weiter ist sein Lebensmotto. Das gilt auch für Frauen. Die dienen eh meist nur repräsentativen Zwecken und werden ähnlich dem Auto gerne dem jeweiligen Job angepasst.
Der Frauenschwarm
Er ist charmant, sieht gut aus und will uns! Leider auch noch Evelyn, Vanessa, Nadine… Wer sich auf so ein Exemplar einlässt, kann sicher sein, dass er ihn nie für sich alleine hat. Warum auch?! Ein Mann, der so von der Natur begünstigt wurde, wäre ein Egoist, würde er alles nur für sich, ähm, Sie behalten.
Der Reife
Er ist mindestens zehn Jahre älter als wir. Alles andere fänden wir auch viel zu unreif für eine Beziehung. Schließlich suchen wir jemanden, der uns noch mehr vom Leben erzählt. Leider wird bei dieser Spezies aus Erzählen nicht selten Belehren, und am Ende kommen wir uns vor wie bei unseren Eltern.
Der Verständnisvolle
Wenn wir genug haben von wild und männlich, ist seine Stunde gekommen. Er hört uns zu und versucht, uns jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Leider verliert er sich dabei selbst komplett aus den Augen und vergisst, dass wir am Ende immer noch einen Mann suchen und keinen Schoßhund.
Das Sorgenkind
Sein trauriger Blick verrät uns, dass er uns braucht. Wie er bisher ohne unsere Hilfe in jeder Lebenslage überleben konnte, ist uns schleierhaft. Wahrscheinlich, weil er mit seiner Welpenmasche schon andere um den Finger gewickelt hat und seit Verlassen von Hotel Mama nicht ein Mal selbst gekocht oder gar eine Steuererklärung gemacht hat.
Das Beruhigungsmittel
Es gibt Zeiten, die sind zu turbulent für eine aufregende Beziehung. Da kommt dieses Exemplar mit seiner beruhigenden und entspannten Art genau richtig. Er bringt uns wieder runter und hilft, unser aufgewühltes Leben wieder zu sortieren. Doch leider wirkt Prinz Valium nach einiger Zeit nicht mehr beruhigend, sondern nur noch ermüdend.
Der Perfektionist
Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Er selbst ist natürlich schon perfekt und neigt nicht zu allzu großen Ambitionen, an sich zu arbeiten. Muss er ja auch nicht. Dafür unterstützt er uns aber gerne auf unserem Weg zu einem besseren Ich. Dabei wird er nicht müde, auf jede Delle im Oberschenkel, die kleinen Rollen über dem Hosenbund oder gar unsere prekäre Bildungssituation aufmerksam zu machen. Und dafür sollen wir ihm am Ende auch noch dankbar sein. Ne, dann doch lieber alleine mit einer Tüte Chips auf dem Sofa…
Der Zwischenmann
Er ist nett. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das macht’s herrlich unkompliziert und ihn zum perfekten Mittel gegen Langeweile.
Mr. Right
Er ist die Summe unserer Erfahrungen – positive wie negative. Er ist gleichzeitig Bad Boy, Frauenversteher und manchmal auch unser Sorgenkind. Der Mann, bei dem wir uns geborgen fühlen. Er ist alles, nur kein Zufall. Denn hätten wir nach all unseren Beziehungen nicht immer wieder unsere Wünsche und Sehnsüchte hinterfragt, hätten wir ihn vielleicht verpasst…