
Mit Sex in einer langen Liebe ist es genau wie mit Lieblingsklamotten. Da sieht man dieses scharfe Teil im teuersten Laden der Stadt. Unschuldig hängt es da, ein „Guccipradior“-Top in Pink. Okay, nur mal probieren. Wir schauen in den Spiegel. Wer war noch Bar Refaeli, denken wir als Letztes. Dann setzt der Verstand aus. Schockverliebt tragen wir das Superteil heim – und ab diesem Tag immer. Zur Jeans, zum Pencilskirt, unter der Lederjacke, über dem Bikini. Drei Wochen bis drei Monate dauert diese Phase. Im zweiten Sommer passt „Guccipradior“ noch zweimal die Woche zum Look. Im dritten liegt es schon in zweiter Reihe im Schrank. Es ist ein bisschen ausgelabbert. Pink finden wir gar nicht mehr so toll. Und spätestens im Sommer Nummer fünf haben wir im schlimmsten Fall vergessen, dass wir „Guccipradior“ überhaupt je besaßen. So oder so ähnlich geht es dem Sex, wenn wir länger lieben.
Dann also, wenn Wäschekammern, Bushaltestellen oder Restauranttoilettengänge keine Alternative mehr zum 1,80-mal-zwei-Meter- Bett sind. Wenn das Licht ausgeht, aber keiner mehr Kerzen anzündet. Und wenn wir lieber gemütlich lieben, statt uns wie Schlangenmädchen zu verbiegen und dabei noch Halterlose zu tragen. Zugegeben, Ekstase geht anders. Aber wir sind eigentlich trotzdem angeblich ganz happy. 84 Prozent der Deutschen geben in einer aktuellen Umfrage an, „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“ mit ihrem Sexleben zu sein. Jeder zweite in einer Beziehung, die schon länger als zwei Jahre hält, hat ein- bis zweimal die Woche Sex. Sehr viele lieben sich einmal im Monat, andere nur einmal im Jahr. Das differiert, aber das alles ist NORMAL! Und die gute Botschaft dahinter: Offenbar gilt Qualität vor Quantität, wenn das Feuer der Leidenschaft noch glüht, aber nicht mehr lichterloh brennt.
Dirty Talk, Spielzeuge oder mal einen Dreier ausprobieren?
Nun ist es aber ja auch so: Ein bisschen weniger Alltagsroutine und ein bisschen mehr von diesem erotischen Anfangszauber wären trotzdem schon ganz schön. Nur: Wie soll das gehen? Ein Lieblingstipp der Sex-Experten ist ja Dirty Talk. Aber ihm auf einmal „du Hengst“ oder „du Hirsch“ ins Ohr zu hauchen fühlt sich komisch an? Finden wir auch. Der einzig sinnvolle Tipp, den wir je über Dirty Talk gelesen haben, steht im Buch „Lustbekenntnisse“ (Heyne, 8,99 Euro). Da rät Autor Oliver Stöwing: „Männer mögen es, wenn Dirty Talk den Mann erhöht. Wenn eine Frau etwas Bewunderndes zu seiner Leistung, seiner Technik sagt.“ Da geht es nicht um das schmutzige Wort, sondern darum, dass der Mann etwas gut kann und sie das bemerkt und ausspricht. Ein lobendes Wort spornt an. Er gibt sich noch mehr Mühe. Und für uns wird es dann richtig huiiii!
Checken wir das Thema „Experimente“. Neue Ideen heizen die Leidenschaft wieder an, das liest man ja auch immer gern. Es mal zu dritt tun, mit Sex-Spielzeug oder aufgeschlossenen Nachbarn. Ehrlich gesagt, es gab doch einen Grund, warum man die letzten zwei Jahre nicht auf diese Idee gekommen ist. Vielleicht würde unser Mann sogar das Özil-fassungslos- Gesicht aufsetzen, wenn wir auf einmal offenbaren würden: „Du, mit dem Gärtner von nebenan wollte ich schon immer mal zu dritt. Das dürfte dir doch auch gefallen?“
Was aber funktioniert: aus Quatsch in einen Sexshop gehen. Und was finden. Mal ein bisschen strenger sein und spüren, dass es nicht nur ihm, sondern Ihnen auch ziemlich gefällt. Oder einen dieser BHs anziehen, die unten nur einen Bügel und keinen Stoff über dem Busen haben. Das ist mal ein sinnvolles Kleidungsstück für Sex. Was ist eigentlich mit der Sehnsucht passiert? Und kann man die nicht auch wieder ein bisschen tunen? Man kann. Schon mal via Skype gestrippt oder per Facetime auf dem iPhone? Oder eine heiße Nachricht zu ihm an den Arbeitsplatz geschickt? Dürfte die Vorfreude wecken, und zwar bei beiden...
Geplanter Sex ist der Schlüssel
Guter Sex braucht Raum und Zeit. Sich fest zum Sex zu verabreden finden Sexualberater absolut sinnvoll. Warum? Gerade in einem prall gefüllten Alltag kommt der Sex zu kurz, aber der Appetit beim Essen dann trotzdem. Außerdem: Ein fester Termin bringt Vorfreude und lustvolle Gedanken. Wenn das Date dann noch am Morgen liegt, Glückwunsch. Da haben wir zehn mal so viele Lusthormone wie zu jeder anderen Tageszeit. Zum Glück gibt es nicht nur Aufwärmversuche, sondern viele echte Pluspunkte für den Sex in einer langen Liebe. Ich weiß ziemlich genau, morgen ist der andere auch noch da. Wir müssen uns also gar nicht jede Nacht gierig um unsere Befriedigung kümmern. Wenn wir wollen, haben wir gleich morgen wieder die Chance. Langzeitpaare können sich Wunschnächte leisten.
Heute sind wir ganz für ihn da, und morgen ist er es für uns. In unserem Tempo, mit unserem Vorlieben. Passt es im Bett, weiß er schon, wie das geht. Und er weiß auch, wie wir reagieren, wenn da mal nichts mehr geht. Da musste man bei manchem One-Night-Stand schon ziemlich laut „Halt“ schreien. Und war auch dann nicht sicher, dass es danach besser wird. Der Mann, der schon lange neben uns liegt, weiß auch, wer wir sind. Man hat sich entwickelt, gemeinsam.
Das Wichtigste ist wohl, zu zeigen und zu sagen, wonach man sich sehnt. Wo die eigene Grenze liegt. Und ob sie sich verschoben hat. Da gab es ein Paar, das sich zehn Jahre liebte und dann trennte. Sexuell gelangweilt seien sie. Beide. Getrennt voneinander vertrauten sie einem Freund an, dass sie es beide anal lieben, das aber nie von einem festen Partner verlangen würden. Hätten sie es einander gesagt – sie wären noch ein Paar.
Ein toller Klassiker ist und wird immer in Mode bleiben
Es ist so wie mit dem pinken Top, nicht nur mit dem, sondern mit jedem verdammten Top, das wir uns kaufen. Egal wie toll es aussieht, egal wie teuer es war – es bringt uns maximal drei Monate um den Verstand, und dann sehen wir die Dinge wieder vergleichsweise klar. Es sei denn, wir stellen fest: Das war gar nicht irgendein Trendtop. Es war ein Klassiker, ein Trenchcoat vielleicht, der uns viele Jahre warm hält, wenn es stürmt. Und trocken, wenn gerade die Wolken auseinanderbrechen. Ein Teil, mit dem wir immer noch toll aussehen, auch wenn 15 Jahre vergangen sein werden. Der richtige Mann ist so ein Klassiker.
Wir sind gemeinsam in den Himmel geklettert oder aus dem Schatten wieder ans Licht gekrabbelt. Wir haben so viel zusammen gelacht, geweint, erlebt. Wir kennen uns in allen Höhen und Tiefen. Und da liegen wir immer noch in dem großen Doppelbett. Und wir wollen Sex – trotz allem oder gerade darum. Wenn man mal einen ganz kurzen Moment drüber nachdenkt, wie toll das eigentlich ist, wird es der beste Sex der Welt.