
Das Konzept der Ehe hat sich im Laufe der Jahrhunderte stark verändert. Paare heiraten nicht mehr aus gesellschaftlichen oder ökonomischen Gesichtspunkten, im Idealfall soll eine Ehe in der modernen Gesellschaft aus Gründen der gegenseitigen Zuneigung geschlossen werden. Die romantischen Vorstellungen der Neuzeit haben der Ehe ihre einst sehr rationale Grundlage genommen und damit auch eine sachliche Komponente, die den Bund fürs Leben nicht gerade rosarot färbte, aber in vielen Bereichen unkomplizierter gestaltete. Wo noch ökonomische Gesichtspunkte entscheidend waren, gab es klarere Fronten. Heute sind die ehelichen Finanzen einer der häufigsten Streitpunkte unter Paaren und sagen tatsächlich eine Menge darüber aus, wie es um die Partnerschaft bestellt ist.
Über Geld redet man nicht, außer im Streit
Geld ist im Alltag allgegenwärtig. Fast täglich beschäftigen sich erwachsene Menschen in irgendeiner Form mit Geld. Der Einkauf beim Bäcker, der Besuch an der Tankstelle, die Vorbereitung der Steuererklärung, die Überweisung der Stromrechnung, der prüfende Blick auf den Kontoauszug, Finanzen spielen im täglichen Leben eine wichtige Rolle. Trotzdem gibt es kaum ein Thema, das in der modernen Gesellschaft so konsequent totgeschwiegen wird. Auch in langjährigen Partnerschaften wird oft nicht über Geld gesprochen, bis das Thema im Streit eskaliert.
„Der Umgang mit Geld sagt viel darüber aus, wie ich mit mir selbst und mit meinem Partner umgehe“, glaubt Harald Gress, ein niedergelassener Paartherapeut, im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Wie es ein Paar mit der Haushaltskasse hält, verrät nicht selten, wie es um die Beziehung steht. Geizt der Geizige nur mit Geld oder auch mit Gefühlen, weil er nicht loslassen kann? Da über Geld oft geschwiegen wird, äußert sich das explosionsartig. Wenn Paare ums Vermögen streiten, geht es meist um mehr. Es reicht bei weitem nicht, Geld nur in einem monetären Sinne zu begreifen.“
Geld ist in modernen Beziehungen auch der Ausdruck von Selbstbestimmung und Selbstwert. Das klassische Familienmodell, in dem der Mann allein für das finanzielle Einkommen zuständig ist und die Frau sich um Haushalt und Kinder kümmert, ist längst überholt. Paarkonstellationen und die Gestaltung des Alltags als Paar sind vielfältiger und vielschichtiger geworden. Das bietet auch viel mehr Potenzial für Konflikte und unterschiedliche Sichtweisen. Tatsächlich gibt es nur wenige Paare, die sich in ihrer Beziehung als gleichberechtigte Unternehmer betrachten, die jeweils einen Beitrag dazu leisten, dass das Familienunternehmen läuft. Viel häufiger sind die Paare, deren Beziehung von dem Wunsch nach Autonomie, Selbstverwirklichung und Individualität geprägt ist. Und da das liebe Geld heute nun einmal viel mehr ist als ein rein ökonomischer Aspekt des Lebens, sind Konflikte vorprogrammiert und Einzelkämpfer im finanziellen Bereich der Beziehung weit verbreitet.
Die meisten Ehepaare verzichten auf Kreditvorteile
Die scheinbare Unvereinbarkeit von Ehe und Finanzen hört auch beim Thema Kredit nicht auf. Es mag überraschen, aber ein Großteil der verheirateten Paare geht bei Krediten getrennte Wege. Zwar sitzen viele Ehepaare gemeinsam vor dem Computer, um einen Verbraucherkredit online zu finden, den Kreditvertrag unterschreiben sie aber nur selten gemeinsam. Dies ergab eine Auswertung des Finanzportals Smava aus dem Jahr 2019.
Obwohl sie verheiratet sind, entscheiden sich rund 70 Prozent der Kreditnehmer, die einen Verbraucherkredit in Anspruch nehmen, gegen die Möglichkeit, den Kreditvertrag gemeinsam zu unterschreiben. Auch wenn die finanziellen Mittel in gemeinsame Anschaffungen wie das Familienauto, den Anbau am gemeinsamen Haus oder die neue Küche fließen, ist ein einzelner Kreditnehmer immer noch die Regel. Ein teurer Fehler, wie die Finanzexperten des Portals wissen. Ehepaare, die einen Kredit gemeinsam aufnehmen, können ihre Finanzierung nämlich deutlich günstiger bekommen. Ein zweiter Kreditnehmer stellt für die Bank eine zusätzliche Sicherheit dar, deshalb kann sie als Kreditgeber viel mehr Möglichkeiten ausschöpfen, um den Kunden ein günstiges Angebot zu unterbreiten.
Im Schnitt können Ehepaare für einen Verbraucherkredit zum Beispiel von bis zu 21 Prozent günstigeren Zinsen profitieren und damit auf die gesamte Laufzeit gerechnet richtig Geld sparen.
Ein Rechenbeispiel:
Wer einen Verbraucherkredit in Höhe von 25.000 Euro über 72 Monate aufnimmt, kann auf die gesamte Laufzeit gerechnet aufgrund der günstigeren Zinsen im Schnitt fast 600 Euro sparen.
Außerdem können Ehepaare, die gemeinsam einen Kredit aufnehmen, von längeren Laufzeiten profitieren und die Verbindlichkeit so ganz bequem in überschaubaren monatlichen Raten abtragen. Und ganz nebenbei steigen die Chancen, den Kredit in der gewünschten Höhe und über die gewünschte Laufzeit auch tatsächlich zu bekommen, deutlich, wenn auch der Ehepartner vertraglich mit ins Boot steigt. Alleingänge können also teuer werden und außerdem die Hürden bei Kreditfragen deutlich erhöhen.
Deins, meins, unseres: Ein Kompromiss kann helfen
In einer Zeit, in der ich Frauen auch beruflich und finanziell wieder emanzipieren möchten und können, ist es wichtig geworden, das Prinzip der Gleichberechtigung im Hinblick auf wirtschaftliche Aspekte und die persönliche Selbstverwirklichung auch und besonders in der Partnerschaft konsequent umzusetzen. Eine für alle Beteiligten zufriedenstellende und gleichstellende Organisation der persönlichen und gemeinsamen Finanzen kann eine wesentliche Grundlage für mehr gelebte und erlebte Gleichberechtigung in der Partnerschaft sein.
Ganz egal, wie viel Einkommen die Partner jeweils in das kleine Familienunternehmen einbringen, eine Mischung aus zwei getrennten und einem gemeinsamen Konto kann ein gesunder Kompromiss sein. So können Ausgaben, die eindeutig der Partnerschaft und der gemeinsamen Lebensführung zuzurechnen sind, wie zum Beispiel eine gemeinsame Miete, Nebenkosten, die Rate für den Hauskredit oder das Familienauto oder auch der gemeinsame Urlaub vom Gemeinschaftskonto beglichen werden, auf das jeder Partner entweder nach individuellen Möglichkeiten oder vollkommen gleichberechtigt etwas einzahlt.
Ein eigenes Konto für beide Partner sorgt zusätzlich dafür, dass genug Raum für Autonomie und Individualität bleibt und jeder mit einem Teil seines Einkommens persönliche Lebensbereiche finanzieren kann. Das kann ein Hobby sein, eine Sammelleidenschaft oder Spaßausgaben wie eine Shoppingtour, ein Kurzurlaub mit den Kumpels oder eine Luxusanschaffung.
Um Streitigkeiten über das liebe Geld zu vermeiden, sollten Paare hier ganz klare Absprachen treffen. Welcher Anteil des Einkommens soll zum Beispiel auf das Gemeinschaftskonto fließen? Werden gemeinsam regelmäßige Rücklagen gebildet? Wie viel Budget darf jeder für seine individuellen Ausgaben übrigbehalten? Vor allem der letzte Punkt bietet oft Zündstoff für Streitigkeiten. Hier sollte die klare Regelung gelten: Über das eigene Budget muss nicht mehr gesprochen werden. Mit diesem Teil der Finanzen hat jeder Partner völlig freie Hand und muss sich für seine Ausgaben nicht rechtfertigen. Kritik am Partner oder der Partnerin sollte an dieser Stelle auch vermieden werden.
Mit einem sauberen Kompromiss, mit dem sich beide Partner einverstanden erklären, kann dem Thema Finanzen in der Partnerschaft langfristig viel Streitpotenzial genommen werden.