Bestimmen eigentlich unsere Mode-Blogger die Trends?

Bestimmen eigentlich unsere Mode-Blogger die Trends?

Früher wollten wir alle so aussehen wie Carrie Bradshaw oder Sienna Miller. Inzwischen sind es vor allem Modeblogger, die unseren Alltagslook inspirieren. Aber bestimmen die auch die Trends?

bestimmen-eigentlich-unsere-mode-blogger-die-trends© Peathegee Inc/Blend Images/Corbis
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Unsere Vorbilder

Bei den MTV Awards 1984 fegte eine junge Frau namens Madonna über die Bühne, sang „Like A Virgin“ und hinterließ das Publikum in Schockstarre. Die eine Hälfte musste erst mal den anzüglichen Text verarbeiten. Die andere Hälfte, vornehmlich weiblich, dachte: Wahnsinn! Ich will genauso aussehen wie die! Und dann ging der Stress los. Dauerwellen-Termin beim Friseur vereinbaren. Oma die alte Tüllgardine abschwatzen. Im Kaufhaus nach Strass-Ohrringen und Kruzifix-Anhängern stöbern. Mit der besten Freundin überlegen, wie man an diesen verdammten „Boy Toy“-Gürtel kam. Gab es den wirklich nur in New York?

Es dauerte ungefähr zwei Jahre – nicht vergessen, es war die Prä-Zalando-Ära, da hatte jedes Mädel von Panama bis Peine den „Like A Virgin“-Look zusammen und war startklar für die Disco. Und was machte Madonna? Tauchte mit kurzen, blondierten Haaren und in einem strengen schwarzen Cocktailkleid auf. Ätsch!

Die Sängerin, die sich immer wieder neu erfand, hat die Mode der 80er-Jahre maßgeblich beeinflusst. Okay, dazu kamen noch Filme wie „Flashdance“ (Oversized-Sweatshirts!) und Serien wie „Denver Clan“ (Schulterpolster!). Und in Deutschland gab es Nena (äh, Schweißbänder!). Die Stars bestimmten, was cool war, und die Leute wollten aussehen wie ihre Stars. So einfach war das.

Auch in den 90er- und Nullerjahren galten Promis als alleroberste Style-Instanz. Und weckten unser Verlangen: nach dem Rouge- Noir-Nagellack aus „Pulp Fiction“, der „Carrie“-Kette aus „Sex And The City“ oder den Timberland-Manolos, in denen J-Lo durch das „Jenny From The Block“-Video tanzte. Und heute? Wer bestimmt, was wir morgens für Schuhe aus dem Schrank ziehen? Wen haben wir im Kopf, wenn wir uns für eine Party aufbrezeln?

Das hatte etwas Magisches und Unverbrauchtes

„Früher fand ich den Style der Stars noch spannend, weil ich die Bilder noch nicht tausendfach im Netz gesehen habe. Das hatte etwas Magisches und Unverbrauchtes“, erklärt Fashionbloggerin Jessica Weiß auf journelles.de. „Wenn ich heute überlege, welcher Promi mich das letzte Mal zum Kauf einer Marke bewegt hat, fällt mir niemand ein.“ Auch die Fotografin Katja Hentschel (glamcanyon.blogspot.de) sagt: „Stars wie Lady Gaga oder Katy Perry setzen sich modisch vom Mainstream deutlich ab. Aber möchte jemand wirklich so rumlaufen? Ich glaube nicht.“

Natürlich gibt es jede Menge Celebrities, die wir toll finden. Aber deren Outfits sind inzwischen so austauschbar wie die Stylisten, die daran arbeiten. Bester Beweis sind die beliebten „Wem steht’s besser?“-Rubriken, in denen mehrere Stars im identischen Outfit miteinander verglichen werden – und die eigentlich „Wie konnte das passieren? Sprecht ihr euch nicht ab?“ heißen sollten. Auch It-Girls wie Alexa Chung gelten als Style- Inspiration, doch ihre vielfältigen Werbetätigkeiten hinterlassen einen schalen Beigeschmack: Zieht sie das Kleid jetzt an, weil sie es mag? Oder nur, weil sie dafür bezahlt wird? Kein Wunder, dass Streetstyleblogs immer beliebter werden. Sie dokumentieren, was die Leute in Stockholm, New York und Stuttgart tragen. Meistens mixen sie teure Designerstücke mit günstigen Marken und Vintage- Schnäppchen und hinterlassen so ein beruhigendes „Hey, das kann ich mir ja auch leisten“-Gefühl. Im Gegensatz zu den oft kühl inszenierten Modestrecken in Hochglanzblättern stehen die Blogger vor der mit Graffiti besprühten Hauswand. Sie halten ein Fahrrad oder einen Kaffeebecher in der Hand. Sie lächeln oder blicken schüchtern auf den Boden. Das macht sie nahbar – und ihre Outfits kann ich mir mit ein paar Klicks direkt nach Hause bestellen.

Auch der Einfluss der Fashionblogger, die sich selber in ihrem jeweiligen „Outfit of the day“ fotografieren, ist unbestritten. Allein durch die Masse und die Schnelligkeit, mit der Bilder hochgeladen werden (auf Instagram sind es täglich über 60 Millionen), haben sie eine unglaubliche Power. Das bestätigt auch Sarah Sussenburger, Zentraleinkäuferin bei Peek & Cloppenburg: „Wir stellen eine rasante Entwicklung in diesem Bereich fest. Sowohl Blogger als auch ganz normale Frauen werden plötzlich durch Plattformen wie Pinterest oder Instagram zu Meinungsbildnern in Bezug auf neue Stile, Farben und Formen.“ Das klingt erst mal nach einer tollen Form von Modedemokratie – jeder darf mitbestimmen, was auf der Straße getragen wird. Was natürlich sofort die ersten Lästerer auf den Plan ruft: Suzy Menkes, die Grande Dame der Stilkritik, hat sich kürzlich in einem Artikel mal richtig Luft gemacht und die Blogger wegen ihrer angeblichen Käuflichkeit kritisiert: „Ein guter Journalist nimmt keine Geschenke an.“ Damit spielte sie auf die Eigenart einiger Blogger an, damit zu prahlen, von welchem Designer sie ausgestattet werden. Sie wirft ihnen vor, nur sich selber zu inszenieren und dabei die wichtigste Regel eines Modeschreibers zu vergessen: „Ein Look ist nicht gut, weil ich ihn mag. Ich mag ihn, weil er gut ist.“

Marc Jacobs widmete schon 2008 eine Tasche dem Filipino-Blogger Brianboy

Tatsächlich drängen immer mehr Blogger bei den Fashion Shows in die erste Reihe, und Designer bieten ihnen Kollaborationen an. Marc Jacobs widmete schon 2008 eine Tasche dem Filipino-Blogger Brianboy. Selbst große Ketten spielen das Spiel mit. „Wenn ein bestimmtes Teil von einer Fashionbloggerin getragen wird und kurz darauf bei H&M im Schaufenster hängt, ist das sicher kein Zufall“, erklärt Streetstyle-Fotografin Katja Hentschel. Dazu kommt, dass Top-Blogger alleine mit der Verlinkung ihrer Looks auf Webshops bis zu 35 000 Euro im Monat verdienen können. In Deutschland gibt es (noch) keine solchen Superstars, was auch gut ist. Die meisten der Modeliebhaberinnen, die ihre Outfits posten, wirken authentisch und scheinen ihren Job aus Leidenschaft zu tun – auch wenn sie manchmal sehr ähnlich gestylt sind und auf Nummer sicher zu gehen scheinen.

Denn hierzulande generiert man Leser eher mit Looks, die nicht so anecken.

Doch zurück zu der Frage: Wer bestimmt denn jetzt, was wir anziehen? Die Wiener Soziologin Monica Titton forscht zu dem Thema Mode und digitale Medien und sagt, dass neue Trends keineswegs auf der Straße geboren werden: „Natürlich kleiden sich die Leute in London anders als in Mailand oder Wien, aber man kann keine dominanten Unterschiede erkennen. In den meisten Großstädten herrscht zwar eine enorme Vielfalt, teilweise aber schlicht und einfach auch Gleichgültigkeit gegenüber Mode.“ Titton erklärt, dass am Entstehen neuer Trends so viele Faktoren, Institutionen und Akteure beteiligt seien, dass man sie nicht auf einzelne Personen zurückführen könne: „Da gibt es Trendagenturen, Designer, Stylisten, Künstler, Imageberater und so weiter. Modeblogger sind einfach nur sichtbarer als die Menschen, die neue Trends lancieren.“ Alles nur Strategie? Das klingt ganz schön traurig. Gibt es keine Frau, die den Job der Stilikone übernehmen will? Eine, die mit ihren Ideen überrascht und bei uns Sehnsüchte freisetzt? Was macht eigentlich Madonna?

DARIADARIA.COM MADELEINE ALIZADEH

Arbeitet eigentlich als Fotografin. Kein Wunder, dass die Wienerin die Leser ihres Mode-und Lifestyleblogs vor allem mit ihren schön fotografierten Posts zum Schwärmen bringt.

THISISJANEWAYNE.COM SARAH GOTTSCHALK

Zusammen mit ihrer besten Freundin Nike van Dinther rief Sarah 2010 ihr Projekt „This Is Jane Wayne“ ins Leben, das sie als „Blogzine für Modeverliebte, für Träumer und junge Frauen, die vor allem sich selbst gefallen wollen“ beschreibt.

JILLEPILLE.COM JIL ROSEWICK

„Blogs sind persönlich, zeigen alltagstauglichere Qutfits und sind deshalb so unglaublich inspirierend!“ Die 21-Jährige Jil aus Aachen bringt’s auf den Punkt. Hauptberuflich arbeitet die gebürtige Belgierin als Social Media & Content-Managerin.

JOURNELLES.DE JESSICA WEISS

Die bekannteste Vollzeit-Bloggerin Deutschlands hat eine eigene TV-Show („It’s Fashion“, EinsPlus). Neben Mode, Beauty, Reise- und Lifestylethemen sind ihre Karriere-Interviews mit Angehörigen der Fashionszene besonders spannend.

VICKYSMODEBLOG.COM VICKY WANKA

Die umtriebige Hamburgerin zeigt auf ihrem Blog nicht nur tolle Outfits, sondern postet auch vegane Rezepte. Sie ist außerdem auch eine erfolgreiche „YouTuberin“ (Haulsisters.com).

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