Und täglich grüßt der Menschenhass in Post-Corona Zeiten

Und täglich grüßt der Menschenhass in Post-Corona Zeiten

Sitznachbarn in der Bahn, die alle an Ihrem Telefonat teilhaben lassen, Nachbarn, die gefühlt rund um die Uhr mit Laubbläser, Bohrmaschine oder Rasenmäher zugange sind oder Rentner an der Kasse, die jeden Cent einzeln abzählen - Ich hasse Menschen ist da ein Satz, den viele vielleicht nicht direkt aussprechen, aber schon mehr als einmal gedacht haben.

Jetzt, wo wir uns gerade Stück für Stück aus den Zeiten des Dauer-Lockdowns bewegen, muss man sich ohnehin erst wieder an Menschen - vor allem in größeren Ansammlungen - gewöhnen. Warum es uns schwer fällt, wieder zurück in alte Alltagsroutinen zu finden und warum der gewohnte Gang ins Büro für viele mittlerweile fast unvorstellbar geworden ist, lesen Sie in diesem Artikel.

Jetzt heißt es wieder Social-Life statt Social-Distancing

Der Lockdown ist vorbei, das alltägliche Leben ist zurück. Doch statt ausgelassener Freude überkommt viele derzeit eher ein Gefühl der Reizüberflutung, nachdem der Bewegungsradius bei vielen monatelang zwischen den eigenen vier Wänden und dem Supermarkt lag. Volle U-Bahnen, Menschenmengen in den Innenstädten und am Wochenende einen freien Tisch im Biergarten zu bekommen ist in Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München fast schon wieder so schwierig wie vor Corona. Während einige die Lockerungen bereits in vollen Zügen auskosten, kommen viele mit dem plötzlichen Wechsel noch nicht zurecht und bleiben lieber nach wie vor zuhause. Bananenbrot backen, vier Sprachen parallel lernen oder sich einfach am Nichts Tun erfreuen. Vor lauter Pandemie-Alltag haben wir aber fast schon vergessen, wie man die Freizeit mit Treffen im Freundeskreis, Familienbesuchen und überhaupt das sich unter Menschen begeben geregelt bekommen hat. Der abrupte Wechsel von Social-Distancing zurück zu Social-Life weckt in vielen das Bedürfnis einfach mal laut zu sagen: Ich hasse Menschen. Um sich dann bis auf Weiteres in den eigenen vier Wänden zurück zu ziehen. 

Büro statt Home-Office und wieder Kollegen statt heimische Ruheoase

Früh aufstehen, schnell durchs Bad hetzen und dann mit Coffee-To-Go ab in die volle Straßenbahn - vor Corona war das für viele Großstädter Alltagsroutine, an die man sich längst gewöhnt hatte, wenn man länger in der Stadt lebt. Fast schon abgestumpft war man gegenüber touristischem Partyvolk, dass sich um 7 Uhr in der früh noch halb betrunken in den S- und U-Bahnen tummelte, wenn man selbst einfach nur pünktlich im Büro ankommen wollte. Aber nach langen Monaten im Home-Office, fehlt einem genau diese stoische Ruhe und stattdessen ist man nur noch dauergenervt von allem. Ich hasse Menschen, das würde man den ein oder anderen Bürorückkehrer sicherlich sagen hören, wenn jeder immer aussprechen würde, was er denkt. 

Denn nicht nur die Fahrt zum Büro und zurück nach Hause, sondern auch die Rückkehr in volle Großraumbüros, die regelrecht zum sozialen Austausch zwingen, überfordern uns noch in Post-Corona Zeiten. Alleine an die permanente Geräuschkulisse aus Gesprächen, Telefonaten und unerwarteten Zwischenrufen, muss man sich nach Monaten des Home-Office erst wieder gewöhnen. Und selbst dem zuvor lieb gewonnenen Küchensmalltalk geht man lieber erstmal aus dem Weg. Zu sehr ist man mittlerweile konditioniert auf den sporadischen digitalen Austausch - mit mal mehr mal weniger Kamera und eben ohne physischen Kontakt zu Menschen. 

Was wir scheinbar brauchen, ist einfach eine Eingewöhnungsphase zurück in den neuen alten Alltag. Wie wäre es da mit einer witzigen Spruchtasse für den Tischnachbarn im Büro mit dem Aufdruck “Ich hasse Menschen”, die Sie direkt hier bestellen können. Um den wiederkehrenden Büroalltag einfach aufzulockern und sich mit einem Augenzwinkern zu begegnen. Dann wird der grimmige Blick am Kaffeeautomaten oder die wortkarge Unterhaltung in der Mittagspause auch gleich mit anderen Augen gesehen. Und auch das eigene Augen-Verdrehen, wenn der Kollege ohne böse Absichten für das eigene Empfinden deutlich zu laut seinen Pausenapfel zu sich nimmt, wird dieser vielleicht mit einem Schmunzeln hinnehmen, wenn er sich den nächsten Kaffee aus der neuen Tasse gönnt.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier

Die Anpassungsfähigkeit liegt in der Natur des Menschen. Weshalb wir uns während der Corona-Pandemie auch so schnell an den Zustand, uns zu isolieren und niemanden zu sehen, gewöhnt haben. Und genau aus diesem Grund fällt es uns jetzt zunächst schwer, den Schalter wieder umzulegen. Denn wir haben für eine lange Zeit die Reize komplett runtergeschraubt, was jetzt zur Reizüberflutung führen kann. Beim einen geht das schneller und beim anderen dauert es eben etwas länger. Es ist also völlig normal, dass selbst Personen, die vor Corona viel unter Menschen waren, jetzt plötzlich häufiger das Gefühl haben, für sich alleine sein zu wollen.

Bei einigen treffen auch Gegensätzliche Empfindungen aufeinander, die für Gefühlschaos sorgen: Einerseits alles nachholen wollen, was man während des ganzen Lockdowns vermeintlich verpasst hat, andererseits aber noch garnicht bereit zu sein, sich wieder ins bunte Leben zu stürzen.


 

Lade weitere Inhalte ...