
Wenn Kate Moss spricht, hören alle zu. Und das nicht, weil sie eine lebende Legende ist und noch dazu eine der berühmtesten Frauen Englands (nach der Queen und der frischgebackenen Herzogin von Cambridge natürlich) – nein, es gibt einen anderen Grund, warum sich die Leute auf jedes ihrer Worte stürzen: Kate Moss ist extrem mundfaul, soll heißen, sie gibt so gut wie nie Interviews. Wo andere Promis von morgens bis abends über ihre Befindlichkeiten twittern, schweigt sich die Britin aus. Sie ist der Superstar unter den Supermodels, ihr Gesicht hat Millionen von Kleidern, Düften und Handtaschen verkauft – aber wer weiß eigentlich, wie ihre Stimme klingt? Eine Einladung zu einem Interview mit Kate Moss entspricht daher der Wahrscheinlichkeit, von einem Mann einfach so ein Paar Louboutin-Pumps geschenkt zu bekommen. Es soll schon passiert sein, aber die Chancen gehen gegen null. Ich Glückliche bekomme die verbalen Louboutins: Ich soll Kate Moss interviewen!

„Niemand darf wissen, warum genau sie dieses Interview gibt“, heißt es ganz nebulös, als ich den Auftrag bekomme. „Aber es hat irgendetwas mit Mango zu tun.“ Ich rufe also die PR-Frau der spanischen Modekette an, die mich beschwört, mit niiiemandem über „die Sache mit Kate“ zu reden. Aber welche Sache? Macht Miss Moss eine ähnliche Kooperation wie mit der britischen Kette Topshop? „Nun ja, das… ähm… wissen wir selbst noch nicht so genau“, druckst die PR-Lady herum. Okay, denke ich, das ist skurril – ich soll also über etwas Stillschweigen bewahren, über das keiner etwas weiß. Das schaff ich.
Wenden wir uns also dem zu, worüber man „reden“ kann: Kate ist 37, stammt aus Croydon und wurde mit 14 Jahren am JFK Airport in New York entdeckt. Sie mischte als androgynes „Magermodel“ die Fashion-Szene auf und schmiss mit 16 Jahren die Schule, weil sie nach einer John-Galliano-Show in Paris zu betrunken für den Unterricht war. Sie badete mit Johnny Depp in Champagner, hat angeblich mit Jude Law und seiner Ex-Frau Sadie Frost Sex zu dritt gehabt und wurde beim Kokainschnupfen mit ihrem damaligen Lover Pete Doherty fotografiert. Dazwischen ist sie Mutter geworden: Lila Grace ist jetzt acht. Und dann hat sie Anfang des Monats den Musiker Jamie Hince geheiratet, der – das haben alle ihre Ex-Freunde gemeinsam – ein bisschen schmuddelig wirkt.
Manche Leute glauben, dass Kate Moss keine Interviews gibt, weil ihr rotziger Südlondoner Akzent an ihrem Glamour-Image kratzen könnte. Andere wiederum behaupten, dass sie einfach nichts zu sagen hat. Oder dass das, was sie zu sagen hat, so ungeheuer dekadent klingt, dass es besser ist, wenn sie die Klappe hält. Die bekanntesten Zitate von Kate Moss sind tatsächlich eher, nun ja, banal. Beispiele gefällig? „Klamotten sind meine große Leidenschaft.“ Oder: „Ich bin sicher, dass es Fotos von mir gibt, die mir nicht gefallen. Aber im Moment fällt mir keins ein.“ Und natürlich das Mantra aller Magermodels: „Nichts schmeckt so gut, wie sich Dünnsein anfühlt.“

Vielleicht, damit sie nichts dergleichen von sich gibt, ist das Interview, das im Hotel „Ritz“ in Paris stattfinden soll, mit etlichen Einschränkungen verbunden: Ich darf Kate Moss exakt 20 Minuten lang sprechen. Ich bin nicht allein – zwei Kolleginnen aus der Türkei und Portugal sind auch dabei. Tabu sind folgende Themen: ihre Hochzeit, ihre Tochter, ihr Privatleben. Und vor dem Interview möchte sie meine Fragen bitte schriftlich haben.
Leider eine gängige Prozedur in der Liga der Superberühmten. Was das im Vorfeld bedeutet, ist klar: Wirklich spannende Anekdoten bleiben uns Normalsterblichen vorenthalten. Und das ist gerade bei Kate eine Schande – was sie erlebt hat, dürfte eine ganze PETRA füllen. Einmal gelang es einem Reporter, sich auf ihre 30. Geburtstagsparty einzuschleichen. Hinterher beschrieb er mit leuchtenden Augen, wie das Fest in eine Orgie ausartete … Aber gut, 20 Minuten mit Kate Moss sind besser als gar kein Interview. Ich schicke ihr meine Fragen. Die Antwort kommt prompt zurück. Miss Moss möchte leider auch nicht darüber sprechen, wo sie sich in zehn Jahren befinden wird und ob sie sich vor dem 40. Geburtstag fürchtet. Viel Gesprächsstoff bleibt da nicht übrig. Dafür habe ich, als es endlich so weit ist, Kate zu treffen, gehörig Bammel und kaue an meinen Nägeln.
Um die Atmosphäre ein bisschen aufzulockern, habe ich ein Geschenk im Gepäck: ein Glas Marmelade, denn angeblich liebt Kate Moss Marmelade. Als ich im „Ritz“ eintreffe, wird mir gesagt, dass sie sich um 30 Minuten verspätet. „Sie wird gerade geschminkt“, erklärt das gehetzt wirkende PR-Mädchen. Es bringt mich in die wohl luxuriöseste Wartehalle der Welt: eine Suite, von der aus man den sagenumwobenen Hotelgarten bewundern kann. Neben mir warten noch Journalisten aus Russland, Amerika und China, die um die ganze Welt gereist sind, nur um Kate Moss sprechen zu hören. „Fünf Minuten noch!“, ruft das PR-Mädchen nach einer halben Stunde. Ein paar von uns entschließen sich, einen Spaziergang durch den Garten zu machen. „So langsam werde ich echt nervös“, sagt ein Kollege aus Italien und hämmert mit seinen manikürten Nägeln auf den Marmortisch.
Und dann kreischt jemand etwas durch die Lobby des „Ritz“ – zweifelsfrei Südlondoner Akzent. Kate Moss kommt durch die Tür, die Haare ganz Brigitte Bardot, Röhrenjeans, T-Shirt und Blazer. „Hallo“, strahlt sie, „ich bin Kate!“ Sie ist Kate! Ich stehe vor Kate! Und ihre Stimme… sie ist viel rauchiger, als ich erwartet habe. Ich gebe ihr mein Geschenk und habe Angst. Um mich herum stehen elf coole Fashionistas, und ich schenke dem berühmtesten Model der Welt… „Marmelade! Ich liebe Marmelade! Ich habe mir gerade eine Ladung von meiner selbst gemachten schicken lassen.“ Kate Moss kocht Marmelade ein –und lässt sie sich dann nachschicken? Okaaaay…
Die Kolleginnen aus der Türkei und Portugal beginnen, ihre Fragen zu stellen. Was genau sie in Paris mache? „Ich habe einen Werbespot mit Terry Richardson für Mango gedreht“, erklärt Kate. Ob sie selbst auch Mango trage? „Yeah.“ Ob sie die Outfits für den Spot selbst ausgesucht habe? „Yeah.“ Ob sie Türken kenne? Auch „Yeah“, aber leicht irritiert. Ob sie sich selbst für eine Ikone halte? „Nein! Liz Taylor ist eine Ikone. Ich bin ganz normal.“ Welche Ziele sie nicht erreicht habe? „Ich wäre gerne in George Michaels ‚Freedom‘-Video dabei gewesen, das habe ich leider verpasst.“

Und dann bin ich dran. Ich hole tief Luft. Was hält sie von der anderen berühmten Kate, der Herzogin von Cambridge? „Oh, ich liebe Catherine! Sie war so eine schicke und makellose Braut. Und so wunderschön.“ Wo hat sie die Hochzeit gesehen? „Auf dem Land – mit Freunden und ganz vielen kleinen Mädchen, die alle geheult haben. Wir mussten sie trösten: ‚Hey, ihr könnt immer noch Harry heiraten.‘“ Würde sie sich wünschen, von der Queen zur „Dame“ geadelt zu werden – immerhin hat sie ja eine Menge für die britische Modeindustrie geleistet … „Haha! Dafür bin ich doch viel zu jung. Die Bezeichnung ‚Dame‘ ist für Frauen wie Margaret Thatcher.“ Die Thatcher ist sogar eine echte Baronesse, werfe ich ein. „Das würde mir schon eher gefallen. Ich wäre gerne Lady Kate. Aber ich bin auch so glücklich.“
Und das war’s. Meine Zeit mit Kate ist um. „Danke für die Marmelade“, lächelt sie, als sie aus der Tür verschwindet. Während ich das Hotel verlasse, fällt mir eine Frage der türkischen Journalistin ein: Welcher Teil ihres Körpers Kate am besten gefalle? Kate überlegte eine Weile und sagte: „Mein Mund. Ich glaube, das würden andere Leute auch sagen.“ Stimmt, denke ich. Ich wünschte nur, sie würde häufiger Gebrauch davon machen.
Kate Moss hat geheiratet. Wir gratulieren und werfen einen Blick auf ihre Ex-Lover
Eines steht schon mal fest: Blonde Männer mit akkuratem Haarschnitt, Krawatte und solidem Job brauchen sich keine Hoffnungen zu machen, je bei ihr zu landen. Sie hatte schon immer eine Vorliebe für „Bad Boys“. Tiefpunkt war ihre Beziehung zu Pete Doherty, mit dem sie immerhin das Duett „La Belle et la Bête“ („Die Schöne und das Biest“) sang. Abgesehen von Pete ist Kate mit ihren anderen Ex-Freunden immer noch befreundet. Das spricht für sie.
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1998 Vier Jahre galten Johnny Depp und Kate Moss als das absolute Traumpaar
2001 Aus der Beziehung mit Verleger Jefferson Hack stammt Tochter Lila Grace
2006 Amour fou: Kate mit Skandalrocker Pete Doherty
2011 Anfang Juli heiratete Kate Moss ihren Jamie Hince. Glückwunsch!