
Wenn Französinnen berühmt werden – richtig berühmt und richtig erfolgreich –, heißen sie „La“. So wie „La“ Binoche oder „La“ Deneuve. „La“, das steht für Grande Dame und ganz großes Kino. Es meint aber auch Diven-Marotten und Allüren wie „Ich rauche hier, ein Verbot ist mir egal“ (La Deneuve) oder „Ich dulde keine Fotos!“ (La Binoche). Marion Cotillard – richtig berühmt und richtig erfolgreich – ist keine „La“. Ihr fehlt nämlich jegliche Arroganz und Eitelkeit. Beweis? Bitte schön: Für die Comedy- Website „Funny or Die“ klebte sich die schöne Französin neulich zwei Gummi-Brüste ins Gesicht. Richtig gelesen: Brüste. Nennt sich „Forehead Tits“, Stirnbusen, sieht – mit Verlaub – ziemlich bescheuert aus und soll helfen, Männerblicke weg vom Dekolleté wenigstens in die Nähe der Augen zu lenken. Das Video war natürlich ein Witz, ein sehr lustiger wohlgemerkt, aber auch einer, für den man einen eher derben Humor braucht. Außerdem erfordert ein solcher Auftritt eine ordentliche Ladung Selbstironie. Gerade unter Hollywoodstars ist diese wunderbare Eigenschaft spärlich gesät.
Wer macht sich da schon gern zum Horst? Cameron Diaz vielleicht. Oder Kate Hudson. Aber sonst? Sind alle Hollywoodgrößen viel zu sehr um ihr gutes Aussehen besorgt. Und um ihren Ruf. Deshalb erzählen sie in Interviews stets nur, wie exorbitant toll es privat und beruflich läuft. Cotillard steht gern zu ihren Schwächen. „Ich bin furchtbar schüchtern“, bekennt sie etwa, fast entschuldigend, in dem Magazin „Madame Figaro“. „Ich kann mich selbst nicht gut verkaufen. Manchmal sage ich lieber gar nichts, aus Angst, falsch verstanden zu werden.“ Und überhaupt: Angst! Eigentlich fürchte sie sich vor jeder neuen Rolle. Versagensängste? Ganz schlimme, bekennt sie einfach erfrischend ehrlich.
Bei ihrer beeindruckenden Filmkarriere hat Mademoiselle so was allerdings kaumnötig: Erst wurde sie von Meisterregisseur Tim Burton gecastet („Big Fish“, 2003), dann durfte sie Russell Crowe küssen („Ein gutes Jahr“, 2006) und mit Johnny Depp eine Liebesszene drehen („Public Enemies“, 2009). Später hat sie sich blendend neben Penélope Cruz und Nicole Kidman auf der Leinwand behauptet („Nine“, 2009). Und jetzt spielt sie neben Leonardo DiCaprio in dem meisterwarteten Eventmovie des Jahres, dem SF-Thriller „Inception“ (Start: 29.7.) von „The Dark Knight“-Regisseur Christopher Nolan. Ganz eindeutig, diese Frau gehört dazu, zum „inner circle“ der Großen Hollywoods! Und nicht zu vergessen: Marion Cotillard hat für „La Vie en Rose“ als erste Französin mit einem französischen Film einen Oscar gewonnen. Und einen BAFTA. Und einen Golden Globe. Und einen César. Eine Sensation! Mit dem Oscar in der Hand stand Madame Cotillard am Abend des 24. Februars 2008 im Kodak Theatre in Los Angeles, in einer perlmuttfarbenen Meerjungfrauen-Robe von Jean Paul Gaultier. So elegant, so schön und so herrlich französisch. Atemlos, aber ohne große Tränenshow sagte sie: „Danke, Leben. Danke, Liebe. Es ist wahr: Hier in Los Angeles gibt es Engel.“
Spätestens an diesem Abend entschied sich Marion Cotillard für Hollywood, für den amerikanischen Film und das Blockbuster-Kino. Das ist außergewöhnlich für eine französische Schauspielerin. La Binoche etwa nannte Hollywood einst eine „Industriestadt, die mich überhaupt nicht interessiert“. Trop ordinaire – zu ordinär.
Cotillard aber bekräftigt im Gespräch mit PETRA: „Mir ist Hollywood wichtig. Das amerikanische Kino bietet mir unglaubliche Projekte an. Un-glaub-lich! Ich würde lieber einen kleinen amerikanischen Indie-Film drehen als einen französischen Film, den ich nicht mag.“ Ob sie denn keine Angst habe, dass ihre Landsleute ihr das übel nehmen? „Ich glaube, es geht gar nicht darum, ob ich nach Hollywood gehe oder nicht“, erklärt sie, „sondern um meinen Erfolg. Die Franzosen lieben Underdogs. Ist man zu erfolgreich, finden sie das seltsam. Bist du zu weit oben, suchen sie etwas, um dich runterzumachen.“ Trotzdem fügt sie voller Stolz an: „Ich bin mit ganzem Herzen Französin.“ Gut so! Wär doch zu schade, wenn sie es hielte wie Diane Kruger, die, nur um sich in Hollywood einen aussprechlichen Namen zu machen, eine Vorsilbe und die ü-Pünktchen aus ihrem Nachnamen strich – und damit das letzte bisschen „deutsches Mädel“ aufgab. Diane Ex-Heidkrüger-jetzt-Kruger war übrigens einst mit Guillaume Canet, 37, verheiratet. Der wiederum verknallte sich genau vor drei Jahren in… Marion Cotillard!
Canet, Regisseur und Schauspieler, ist Marions Heimat-Anker. Er sorgt dafür, dass sie nicht abhebt, nicht zum „Plastic fantastic“-Hollywoodstar mit Fake- Teint und Fake- Lächeln wird. Er erdet sie hier auf dem Heimatboden, in Frankreich. Gemeinsam leben die beiden, so Cotillard, in einer „recht kleinen“ Wohnung in Paris, in deren Wohnzimmer ganz unprätentiös der Oscar im Regal steht. Oft holt er seine Freundin vom Flughafen ab, wenn sie mal wieder aus Los Angeles oder New York zurückkommt. Mit Dreitagebart und Schlabber- T-Shirt steht er da, wenn sie in Ringelkleid und Timberlake-Hütchen in die Ankunftshalle tritt. Dann reißt sie sich die Sonnenbrille vom Gesicht, lässt den riesigen Kofferberg stehen und rennt ihm in die Arme. Und ist gar nicht mehr die Oscar-Gewinnerin, der Co-Star von DiCaprio oder die französische Leinwandheldin. Dann ist sie einfach nur la belle Marion und Guillaumes Liebste, die in ihrer Freizeit Bass spielt und Radiohead hört, sich für Greenpeace engagiert und das Leben auf dem Land genießt, etwa bei ihren Eltern in Orléans.
Französische Medien haben das Traumpaar übrigens schon „Frankreichs Brangelina“ getauft – davon will Marion aber nichts wissen und sagt schüchternkokett: „Bringt es Sie weiter, wenn ich wie alle anderen behaupte, wir sind verliebt und glücklich?“ Mehr über ihr Liebesleben kommt danach dann auch nicht mehr über ihre Lippen – aber so richtig schlimm finden wir das jetzt irgendwie nicht…