Julie Delpy über Druck in Hollywood und das Glück

Julie Delpy über Druck in Hollywood und das Glück

Die Französin Julie Delpy ist ein Multitalent. Bei ihrem Film "2 Tage New York" (ab dem 18. Januar 2013 als DVD erhältlich) hat sie das Drehbuch geschrieben, produziert, Regie geführt, mitgespielt und sogar den Soundtrack beigesteuert. Der Film ist die Fortsetzung ihres Erfolgs "2 Tage Paris" (2007). Sie spielt Marion, eine Französin in New York. Dort lebt sie mit ihrem Freund Mingus (gespielt von Chris Rock) zusammen. Als ihre Familie sie aus Frankreich besuchen kommt, kommt es zu kulturellen Misverständnissen und Zerreißproben. Im Petra.de Interview spricht sie offen über den Druck in Hollywood und das Glück. Einen Trailer zum Film sehen Sie am Ende des Interviews.

Julie Delpy© Getty Images
Julie Delpy

Petra.de: Herzlichen Glückwunsch zum Erfolg von „2 Tage New York“. Der Film ist ja ein zweiter Teil zum Film „2 Tage Paris“. Was hat Dich dazu gebracht, eine Fortsetzung zu drehen?

Julie: Ich wollte eine erwachsenere Version von mir selbst unter die Lupe nehmen. Mit einem Kind. Wenn Menschen älter werden, haben sie auch mehr Ballast, den sie mit sich herumschleppen. Ich wollte immer noch eine Komödie machen, aber das Leben wird schwerer, je älter wir werden.

Bist Du Deiner Hauptfigur Marion ähnlich?

Nicht wirklich. Manchmal wünschte ich, ich wäre ein bisschen mehr wie sie. Weißt Du, sie tut Dinge, bevor sie richtig darüber nachgedacht hat. Da bin ich genau das Gegenteil. Sie ist ein bisschen verrückter. Ich verbringe mein Leben zu Hause – mit meinem Sohn oder beim Schreiben. Marion ist ein sehr sozialer Mensch und ich bin ein Eigenbrötler. Ich sehe vielleicht einmal im Monat gute Freunde und spreche sonst nicht wirklich mit irgendwem.

Du hast eben von Deinem Sohn gesprochen. 2009 bist Du Mutter geworden. Hat Dich das verändert?

Ja, das verändert dich. Nichts anderes ist mehr wirklich wichtig. Ich meine, natürlich ist die Arbeit wichtig, alles ist wichtig. Aber wenn es darum geht wen du liebst und was dir wichtig ist – wirklich wichtig – kommt das Kind an erster Stelle in deinem Leben.

Du verwendest viele persönliche Erfahrungen in Deinen Filmen, zum Beispiel den Tod Deiner Mutter. Ist das auch ein Weg für Dich, sie zu verarbeiten?

Hm, ich weiß nicht. Meine Mutter hat im ersten Film mitgespielt – als meine Mutter – darum fiel es mir einfach schwer, eine Fortsetzung zu drehen, ohne ihren Tod zu erwähnen. Es war eine schwere Zeit. Für eine Weile habe ich den Film beiseite gelegt und wollte ihn nicht mehr realisieren. Doch dann entschied ich mich, ihn doch zu machen. Als eine Art Hommage an sie.

2 Tage New York© Universum Film Home Entertainment
2 Tage New York
In all Deinen Filmen geht es um die Unterschiede zwischen der amerikanischen und der französischen Kultur. Du selbst lebst seit über zwanzig Jahren in Amerika. Fühlst Du Dich inzwischen fast als Amerikanerin oder noch mehr als Französin?

Nein, ich bin noch sehr sehr französisch. Puritanismus existiert in dem Maße einfach nicht in Frankreich. Und Amerika hat eine sehr puritanische Kultur. Das heißt nicht, dass sie prüder sind. Sie machen genau so viel, nur eben hinter verschlossener Tür. Ich meine, wenn der Präsident in Frankreich eine Affäre hat, interessiert das niemanden. Wenn der amerikanische Präsident eine Affäre hat, ist es das Ende der Welt. Für mich ist das komisch. Ich habe zwar viel von der Kultur übernommen und ich fühle mich in ihr wohl. Aber die Wahrheit ist: tief in mir bin ich Französin.

Wie entkommst Du diesem Druck, den Hollywood ausübt?

Ich bringe meine Gelder vollständig unabhängig von Studios auf. Ich mache nie Filme mit ihnen. Und darum muss ich nie tun, was andere mir sagen. Aber aus diesem Grund sind meine Filme auch kleiner.

Aber für Independent-Filme sind sie ja sehr erfolgreich.

Oh ja, sehr. Nein nein, sie schaffen das Geld ran. Die Filme machen sehr viel Geld und irgendwann kommt auch ein bisschen davon bei mir an (lacht). Es ist eine Entscheidung, die ich getroffen habe, nicht den Hollywood-Weg zu gehen. Ich habe viele Freunde, die es getan haben und es ist ehrlich gesagt fast wie Folter.

So behältst Du natürlich auch die Kontrolle über Deine Filme. Inzwischen machst Du fast alles selbst (Drehbuch, Regie, sogar den Soundtrack). Ist das notgedrungen so oder ist es Deine eigene Entscheidung?

Die Kontrolle zu haben ist gut, weil es Dir einen bestimmten Grad an Freiheit bietet. Es kann Menschen aber auch abschrecken. Es gibt zum Beispiel eine ganze Reihe von Produzenten in Amerika die nie mit mir zusammenarbeiten würden, weil sie wissen, dass ich Freiheit gewöhnt bin, und das macht ihnen unheimlich Angst. Freiheit ist heutzutage gefährlich, weil es so wenig davon gibt. Ich meine wirkliche Freiheit, weißt Du? Davon gibt es nicht viel.

Hatte man früher mehr Freiheit?

Ja. In den Sechzigern und Siebzigern gab es mehr Freiheit. Aber dann in den Achtzigern hat die Welt die Freiheiten stark eingeschränkt indem die Menschen in ihrem Denken und in ihrem Geist in eine bestimmte Form gepresst wurden. Im Moment ist es ziemlich schlimm. Sogar das Internet ist nicht unbedingt etwas Gutes. Dieser ganze Facebook-Scheiß. Es macht die Menschen sehr unglücklich. Aber mir ist aufgefallen, dass es jungen Menschen, die von klugen Eltern erzogen wurden, ganz gut geht (lacht).

So viel Freiheit bedeutet auch viel Arbeit.

Mein Leben ist ein einziger Kampf. Ich habe ein sehr sehr schweres Leben. Viel schwerer als die Menschen sich das vorstellen können. Gleichzeitig Mutter und Regisseurin zu sein – das ist fast unmöglich.

Wie kombinierst Du Familienleben und eine erfolgreiche Karriere?

Mein Freund kümmert sich sehr viel um seinen Sohn, das hilft mir sehr. Ich nehme nicht viel Hilfe von Kindermädchen in Anspruch. Ich will nicht, dass so viele verschiedene Leute mein Kind erziehen. Es ist schwierig und sehr anstrengend. Ich schlafe nachts nur drei Stunden. Das ist mein geheimnis.

Arbeitest Du auch deshalb nicht mit Studios zusammen, um dem Schönheitsideal Hollywoods zu entkommen?

Ja. Die Studios zwingen dich, das Haar zu glätten und natürlich abzunehmen – egal mit welchen Mitteln – mit Drogen, alles was sie finden können. Die Menschen sind in dieser Maschinerie gefangen. Und irgendwann werden sie aus ihr wieder rausgeworfen und dann ist ihr Leben vorbei. Es ist viel besser, Kontrolle über sein eigenes Leben zu haben. Und das tue ich.

Und über sein eigenes Schönheitsideal.

Ich will einfach nicht, dass die Menschen in meinen Filmen zurechtgemacht aussehen. Ich will, dass sich die Zuschauer mit meinen Figuren identifizieren können. Echte Menschen, weißt Du? Ich will einfach kein Frauenbild fördern, das Mädchen depressiv oder magersüchtig macht. Denn die Menschen sind so unglücklich in diesem Business. Ich kenne kaum Schauspielerinnen die glücklich sind. Sogar die Erfolgreichen. Ein paar kluge sind es, die nicht alles auf eine Karte setzen. Die, die auch andere Interessen im Leben haben. In den Fünfzigern konnten die Leute sich jede Nacht betrinken. Und manche tun das immer noch. Der Drogenkonsum hat zugenommen. Die Leute nehmen sehr viele Drogen – so kommen sie durch den Tag. Es sind jetzt einfach nur legale Drogen. Antidepressiva wie Xanax zum Beispiel.

Das ist ja nicht nur in Hollywood der Fall, sondern überall.

Und dabei ist das Zeug wirklich wirklich schlecht für dich. Wahrscheinlich schlimmer als Heroin. Naja, ich hab noch nie Heroin genommen (lacht) oder Kokain oder so. Nur mal gekifft, als Teenager. Aber es ist wirklich schlimmer als all diese Drogen.

Was für einen Rat würdest Du Leuten geben, um diesem Druck stand zu halten?

Ich weiß nicht. Es geht darum, sich selbst zu finden. Seinen Mittelpunkt in etwas zu finden, was nicht oberflächlich ist. Nicht das Aussehen, sondern die Seele. Oberflächliche Dinge können Menschen nur unglücklich machen. Einfache Dinge die nichts kosten, Dinge die Spaß machen und nicht zum Konsum beitragen – das ist wahrscheinlich der Schlüssel zum Glück. Ein Spaziergang im Park oder mit deinem Kind zu spielen oder Besuch von Freunden haben und zusammen lachen – einfache Dinge.

Nicht Teil der Konsum-Maschinerie sein.

Genau. Ich glaube das macht Menschen sehr unglücklich - weil sie immer mehr wollen, und weil es immer jemanden gibt, der mehr hat als sie. So kannst du nie zufrieden sein.

Das Interview führte Judith Schröder

Julie Delpy wurde 1969 in Paris geboren. Mit 14 wurde sie von Jean-Luc Godard entdeckt und ergatterte erste Filmrollen. Nach der Schule ging sie nach New York, um am berühmten Tisch Intitute Regie zu studieren. Heute lebt sie mit ihrem Freund (dem deutschen Filmkomponisten Marc Streitenfeld) und ihrem gemeinsamen Sohn in Los Angeles. Ihren größten Erfolg feierte sie 2007 mit ihrem Regie-Debut "2 Tage Paris". Als Schauspielerin kann man sie bald in dem lang ersehnten Richard Linklater-Film "Before Midnight" sehen, in dem sie wieder in die Rolle der Céline schlüpft, die sie für Linklater bereits in "Before Sunrise" (1995) und "Before Sunset" (2004) an der Seite von Ethan Hawke verkörperte.

Trailer zu "2 Tage New York":

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