
Ups, um ein Haar an ihr vorbei gelaufen...!
Klein und zierlich sitzt Audrey Tautou im Wintergarten eines Berliner Hotels, die kurzen Haare kunstvoll zerstrubbelt. Vor ihr – très français – ein Kaffee und Zigaretten. Die 33-Jährige ist ein Welt-Star, der am liebsten keiner wäre. Filme drehen? Das ja. Roter Teppich? Nur, wenn’s sein muss. Mit Journalisten über ihr Privatleben reden? Ungern. Jetzt spielt Audrey Tautou in „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“ (Start: 13.8.). Sobald sie über ihre Rolle als legendäre Modeschöpferin spricht, beginnen die Augen der Französin zu leuchten, die Hände gestikulieren wild – undplötzlich steh tAudreyTautou, ob sie will oder nicht, im Mittelpunkt. Sie ist eben doch ein richtiger Star.
PETRA: Sie verkörpern Coco Chanel im Kino und sind das neue Gesicht von Chanel N° 5. Werden Sie so endlich Ihr „Amélie“-Image los?
Audrey Tautou: Nein, für die meisten Leute werde ich immer die Amélie bleipetras Welt bleiben. Das geht aber in Ordnung, damit habe ich mich abgefunden.
Coco Chanel wollte sich frei bewegen
Coco Chanel wollte sich frei bewegen
Ihre Ähnlichkeit mit der jungen Coco Chanel verblüfft. War Ihnen das schon vor Drehstart bewusst?
Das liegt daran, dass wir beide aus der Auvergne stammen. Dort sehen viele Frauen so aus. Sie durften bei der Arbeit jeden Tag Chanel-Kleider tragen. Dafür würden andere Frauen ihre Großmütter verkaufen... Das waren nicht die Originale, wir haben sie nachschneidern lassen. Aber tatsächlich spielen die Kleider im Film die Hauptrolle.
Nichts eignet sich besser, um Coco Chanel zu charakterisieren: Sie wollte sich bewegen und atmen – und hat nebenbei die Frauen-Mode revolutioniert. Vor Coco Chanel diente Kleidung dazu, Reichtum und Ansehen zu demonstrieren. Frauen mussten sich in Korsetts zwängen und wurden wie Weihnachtsbäume dekoriert. Coco Chanel war klug, modern und sehr aufmerksam. Sie hat gesehen, dass diese Mode nichts mit Eleganz und Anmut zu tun hatte. Das kommt nämlich von innen. Also erfand sie einen neuen Stil.

War Coco Chanel eine Feministin?
Sie kam aus ärmlichen Verhältnissen und wollte es unbedingt zu etwas bringen. Am Anfang suchte sie den Erfolgals Sängerin oder Schauspielerin. Als das nicht klappte, wurde sie Mode-Designerin. Sie strebte nach Unabhängigkeit, das war ihr Antrieb.
Was fasziniert Sie an der Person Coco Chanel am meisten?
Sie hat nie über ihre schreckliche Kindheit im Waisenhaus gesprochen. Stattdessen hat sie für sich eine komplett andere Biografie erfunden. Ihr Stolz war zu groß: Sie hätte es nicht ertragen, wenn jemand sie bemitleidet hätte. Sie wollte den Leuten auf Augenhöhe begegnen. Coco Chanel hat viele traumatische Erlebnisse verdrängt, vielleicht wirkte sie deshalb so mysteriös.

Als sie 1971 in ihrer Suite im Pariser Hotel „Ritz“ starb, stand sie auf dem Zenit ihres Erfolges.
Und war allein. Glauben Sie, dass sie in ihrem Leben nicht doch etwas vermisst hat?
Schwer zu sagen. Nachdem ihre große Liebe Boy Capel bei einem Autounfall ums Leben kam, hat sie sich in die Arbeit gestürzt.Vielleicht wäre sie auch als Ehefrau und Mutter glücklich geworden. Ich glaube aber, das wäre ihr zu wenig gewesen. Ihr Wunsch, etwas aus ihrem Leben zu machen, hätte sie irgendwann wieder eingeholt. Sie war zwar einsam, als sie starb, aber sie hatte ein erfülltes Leben.Und mit 87 Jahren, das darf man auch nicht vergessen, überlebt man eben viele Freunde.
Manchmal hängen ein paar Jungs an meinen Hacken
Manchmal hängen ein paar Jungs an meinen Hacken

Tragen Sie privat gern Chanel?
Ganz ehrlich: Ich interessiere mich nicht besonders für Mode. Natürlich muss ich mich manchmal in schicke Outfits werfen. Aber eigentlich bin ich das nicht. Der Stil von Chanel hat mir allerdings schon immer gefallen: sehr einfach, sehr weiblich, sehr französisch.
Dann muss Ihnen doch der Mode- Zirkus ziemlich albern vorkommen?
Ich guck ihn mir an wie eine Touristin, aber ich würde mich niemals darüber lustig machen.
Haben Sie eigentlich mit Karl Lagerfeld über Ihre Rolle gesprochen?
Nein, er hat mir nur erzählt, dass Coco Chanel in der Tat eine sehr schlaue und gewiefte Geschäftsfrau war.
Coco, die Große
GEBOREN am 19.8.1883 als Gabrielle Bonheur Chanel. Nach dem Tod der Mutter steckte der Vater seine Kinder ins Waisenheim.
IHR SPITZNAME COCO stammt aus der Zeit, als sie sich (erfolglos) als Sängerin versuchte.
IHRE GROSSE LIEBE Boy Capel unterstützte sie bei ihrer ersten Kollektion. Er starb 1922 bei einem Autounfall. IHRE KLASSIKER Das „kleine Schwarze“ (1921), der Duft Chanel N° 5 (1923), das Kostüm mit dem bordierten Jäckchen (1950).
IHRE FREUNDE lgor Strawinsky, Pablo Picasso, Colette, Winston Churchill
GESTORBEN am 10.1.1971 in Paris
Sind Sie so sturköpfig wie die Chanel?
Auch das sagt man generell den Menschen aus der Auvergne nach.Wenn ich mich für ein Projekt entschieden habe, ziehe ich es mit aller Kraft durch. Ich kann auch sehr autoritär sein – das war mir vor den Dreharbeiten zu „Coco“ gar nicht so bewusst. Was mich allerdings von Coco Chanel unterscheidet: Ich bin eine miserable Lügnerin. Sie konnte den Leuten gut etwas vormachen. Mir steht das schlechte Gewissen sofort ins Gesicht geschrieben.
Genau wie Coco Chanel kamen Sie aus der Provinz in die Großstadt Paris. Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Eindrücke?
Ich bin mit Ende 17 nach Paris gezogen, um Schauspiel-Unterricht zu nehmen. Zuerst war ich total schockiert,weil mir nur große, umwerfend attraktive Frauen begegneten. Ich war schrecklich eingeschüchtert und dachte: Okay, so ist das wohl in einer Großstadt. Irgendwann kam ich dahinter, dass ich direkt neben einer Dependance der Model-Agentur „Elite“ gewohnt habe.
Führen Sie ein langweiliges Leben
Was bedeutete Paris für Sie?
Freiheit. Eine riesige Stadt voller unterschiedlicher Menschen, Möglichkeiten und Meinungen. Das hat mich als junges Mädchen ungemein fasziniert. Inzwischen kommt bei mir aber immer mehr die Provinzlerin durch. Ich kann mir gut vorstellen, wieder aufs Land zu ziehen. Dieser schnelle Rhythmus ist auf die Dauer anstrengend.

Sie sprechen nicht gern über Ihr Privatleben, und es sind keine Paparazzi- Fotos von Ihnen im Umlauf. Stellen Sie es einfach nur geschickt an, oder führen Sie in Wirklichkeit ein langweiliges Leben?
Ich würde sagen, ich führe ein normales Leben. Die französischen Paparazzi sind bei weitem nicht so schlimm wie die in den USA oder England. Natürlich hängen ein paar Jungs an meinen Hacken. Meistens habe ich aber Glück und komme unbehelligt davon. Immerhin ist bekannt, dass Sie gern mit dem Rucksack durch die Welt reisen.
Können Sie das überhaupt noch?
Oh doch, das geht. Wenn ich einen Film abgedreht habe, plane ich sofort den nächsten Trip. Manchmal reise ich allein, mal mit meiner Schwester. Gerade war ich in Australien, davor in Chile, Norwegen und auf den Osterinseln.
Haben Sie kein Heimweh?
Nein, ich bin überall zu Hause. Ich brauche nu reine gewisse Unordnung: Sobald meine Sachen verstreut um mich herum liegen, fühle ich mich wohl.