
Wollen Sie am Kaffeetisch mit Freunden und Verwandten mal so richtig für Gesprächsstoff sorgen? Dann verkünden Sie doch einfach, dass Sie jetzt für einen Monat vegan leben. Zuerst werden alle ungläubig staunend die Augen aufreißen, gefolgt von einem quälend lang gezogenen "Ähhh, warum?". Erst danach spalten sich die Reaktionen in zwei Lager auf: super und bescheuert. Mehr Meinungen gibt es zu diesem Thema nicht. Trotzdem hat jeder etwas dazu zu sagen. Bis auf Oma vielleicht. Die winkt nur vielsagend ab und seufzt: "Na, dann mach ich dir demnächst eben Huhn." Der Erste, der zu meinem PETRA-Experiment nur die Augen verdrehte, war mein Mann: "Aha! Muss ich da auch mitmachen?" Musste er natürlich nicht. Genauso wenig wie unser einjähriger Sohn. Für den gab es weiterhin Fleisch im Brei und Milch zum Frühstück. Ich musste da also alleine durch. Egal, selbst gewähltes Leid. Umso erstaunter war ich, als mein Gatte einen Tag später mit zwei veganen Kochbüchern vor mir stand. "Die Rezepte sahen irgendwie lecker aus. Also, die ohne Artischocken, Zucchini und Auberginen", sagte er Wow!
Veganer aus Überzeugung?
Vielleicht hatte diese zärtliche Geste auch etwas mit den Rechercheergebnissen zu tun, die ich ihm abends auf dem Sofa noch mitgeteilt hatte. Die Produktionsbedingungen bei Eiern, Milch oder sogar Wolle sind nämlich nicht besser als beim Fleisch selbst. Überall lassen die Tiere am Ende auf unschöne Weise ihr bis dahin meist wenig erfreuliches Leben. Männliche Nachfahren von Legehennen landen nach dem Schlüpfen sogar direkt im Tiermehl-Schredder. Finden Sie fies? Ist aber leider Realität. Eine, mit der ich mich nie so richtig auseinandersetzen wollte. Bislang waren Veganer für mich nämlich eher nervige Spinner mit schwerem Missionierungsdrang. Das lag vor allem an meinem vegan lebenden Mitbewohner im Studentenwohnheim. Dieser missmutige, abgemagerte Kerl hat einem mit seinen detaillierten Tierausbeutungsstorys so ziemlich jedes Essen vermiest. Sogar gegen "Nimm 2" hatte er was, weil da Milchzucker drin ist. Was für eine Spaßbremse! So wollte ich nie werden. Und dann noch auf Käse verzichten? Niemals! Aber nach den letzten Lebensmittelskandalen bin ich immer weniger bereit, ungefragt das zu essen, was man mir in den Supermarktregalen so präsentiert. Und offensichtlich bin ich nicht die Einzige.

Ein Meinungsaustausch brachte mich schließlich auf die Idee, es selbst einmal auszuprobieren. Als ich allerdings am ersten Morgen einen Blick in meinen Kühlschrank warf und anstelle meines geliebten Gruyère-Käses nur ein paar Pasten auf Auberginen- und Tomatenbasis sah, tat ich mir sofort sehr, sehr leid und verfluchte mich innerlich für meine bescheuerten Ideen. Aber Hohn und Spott vonseiten des Mannes galt es unter allen Umständen zu vermeiden. Der weiß nämlich leider genau, wie gut ich darin bin, frisch gefasste Vorsätze mit fadenscheinigen Begründungen über Bord zu werfen. Also rauf aufs Brot und rein in den Magen. Zu meiner Überraschung schmeckten die Pasten dann doch so gut, dass ich für einen kurzen Moment meine Liebe zu Käsebroten vergaß.
Abnehmen dank veganer Ernährung
Der Nachteil: Das Sättigungsgefühl trat erst nach der doppelten Portion ein. Ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass Gemüse ja viel weniger Kalorien als Käse habe und die vier Brote somit eigentlich nur für zwei zählten. Mit dem gleichen Argument schob ich mir mittags zwei eilose Pfannkuchen auf Sojamilch-Basis rein und nahm mir beim Abendessen noch mal einen ordentlichen Nachschlag. Es ist schon beeindruckend, welche Mengen Gemüse man in sich reinschaufeln kann, wenn nicht schon ein Steak den Magen füllt. Übrigens: Meine Gemüsetheorie scheint zu stimmen. Nach den vier Wochen zeigt meine Waage ganze 2,5 Kilo weniger an. Selbst die kleine Plauze auf der Couch neben mir ist sichtbar geschrumpft. Und das, obwohl ich fürsorglich jede Woche einen Essensplan aufgestellt hatte, damit Herzilein die Möglichkeit hatte, sich unterwegs etwas zu holen, wenn es ihm zu gemüsig wurde. Aber er meinte: "Nee, wenn du das kochst, esse ich das mit. Eigentlich schmeckt es mir sogar ganz gut." In seiner Stimme lag so etwas wie Begeisterung, als er das sagte.
Vegan schmeckt lecker
Gut, manchmal brauchte er noch einen Berg Käse über dem Gemüse, aber immer noch besser als Hack-Krümel oder Schinkenstreifen. Sogar mein Sohn haute beim gemeinsamen Abendessen ordentlich rein. Wurden ein paar Wochen vorher noch die traditionellen Frikadellen mit einem angewiderten Zitronengesicht auf den Boden gespuckt, hörte ich beim Probieren meines selbst gemachten Bohnen-Grünkern-Bratlings ein lautes "Mmmmmh!" von dem kleinen Kerl. Damit hatte die vegane Küche eindeutig ihren letzten Praxistest in unserem Haushalt bestanden. Man kann sich nur wundern. Ich muss sagen: Hat man sich einmal eingerichtet, lässt sich der tierlose Lebensalltag gut aushalten. Käme ihm nur nicht immer diese eine klitzekleine Nebensache in die Quere: das Sozialleben.
Vegane Ernährung und auswärts essen
Am ersten Wochenende meines Selbstversuchs hatten Freunde zum großen Wildessen eingeladen – nur uns nicht. Das wäre ja wie "Perlen vor die Säue werfen", meinte der Gastgeber. Nun ja, wir hätten sicher auch die Beilagen gegessen und ansonsten konstruktiv zur Unterhaltung beigetragen. Doch damit war es wohl offiziell: Ab jetzt war ich die Spaßbremse. Immerhin, zum Kaffeetrinken ein paar Wochen später durften wir kommen. Es gab sogar vegane Kekse und Muffins – sehr aufmerksam. Trotzdem wurden wir die ganze Zeit gelöchert, wann dieses unsägliche Experiment denn nun endlich ein Ende habe. "So richtig gesellschaftsfähig ist man damit doch nicht. Man kann ja nicht immer ’ne Extrawurst zubereiten", warf man uns vor.
Auch wenn ich diesen Kommentar engstirnig und unhöflich fand, steckte darin eine ernst zu nehmende Frage: Wie weitermachen? Nach allem, was ich in den letzten vier Wochen so alles gelesen habe, möchte ich ungern wieder so essen wie vor dem Experiment. Auf der anderen Seite habe ich aber auch keine Lust, von meinen Freunden zum Essens-Nerd abgestempelt zu werden, auch wenn ich die ein oder andere Meinung ziemlich antiquiert und intolerant finde. Meine kulinarische Zukunft wird also der hoffentlich goldene Mittelweg sein: zu Hause vegetarisch/vegan und unter Freunden dann ruhig das volle Programm. Und so ganz unter uns, ich freue mich schon sehr auf mein erstes Käsebrot.
So geht's:
Lieblingsrezept
Erbsensuppe mit frischer Minze Für die erfrischende Alternative zu Omas Klassiker braucht man 2 Zwiebeln, Öl, 450 g TK-Erbsen, 750 ml Gemüsebrühe, 250 ml Sojamilch, 1 EL Zitronensaft, 20 g Minzblätter, Salz, Pfefferl. Zwiebeln schälen, hacken und in Öl glasig braten. Die gefrorenen Erbsen dazugeben und mit Brühe ablöschen. 15 min bei geringer Hitze garen. Danach die restlichen Zutaten untermischen und alles fein pürieren. Vor dem Servieren die Suppe ca. 30 Minuten ziehen lassen und dann noch mal erwärmen. So entfaltet sie ihren leckeren Minzgeschmack. Yummy!
Vegan im Netz
Lust auf noch mehr Anregungen und Tipps? Diese Internetseiten zeigen nicht nur, wie abwechslungsreich und lecker die vegane Küche ist, sondern helfen auch bei der Suche spezieller Produkte und Geschäfte in Ihrer Nähe: greenderella.com, goldenandpink.de, vegan-sein.de, veganguerilla.de und vegan-wonderland.de
Bücher über vegane Ernährung
"La Veganista" von Nicole Just Ein Kochbuch für alle Lebenslagen: Frühstück, Mittag- und Abendessen. Ideal für den veganen Alltag und super für Feste mit Fleisch liebenden Verwandten. Gräfer und Unzer, 192 S., 16,99 Euro.
"Vegan kochen" von Celine Steen & Joni Marie Newman Das Buch bietet neben über 200 leicht nachzukochenden Rezepten viele Infos und Tipps, wie die Umstellung auf vegane Kost leichter fällt. Dorling Kindersley, 272 S., 14,95 Euro.
"Kochen ohne Tiere" von Katharina Bretsch Die hier versammelten Rezepte sind nicht nur unkompliziert und vielfältig, sondern auch im Selbstversuch erprobt. Vielleicht schmecken sie deshalb so gut. Doch das Wichtigste: Fast alle Zutaten gibt es im Supermarkt nebenan. Dank der liebevollen Illustrationen macht sich das Buch außerdem gut im Bücherregal. Christian, 256 S., 29,95 Euro.
Die 5 besten veganen Restaurtants
Leaf, Hamburg: Kreativ, abwechslungsreich und unsagbar lecker! Das Leaf präsentiert vegane Speisen auf Gourmet-Niveau. restaurant-leaf.de.
Cakes'n'Treat, Dortmund: Waffeln, Cupcakes, Milchkaffee – im Cakes’n’Treats finden vegan lebende Kaffeetanten ihren Himmel auf Erden. cakesntreats.de.
Dein Deli, Leipzig: Fein, schnell, vegan. Das kleine und stylishe Deli bietet frisches und gesundes Fastfood mit wöchentlich wechselnder Karte. leipzig-deli.tumblr.com.
Gratitude, München: Fleischlos am Weißwurstäquator – das Gratitude in der Türkenstraße beweist, dass auch Essen ohne tierische Produkte wirklich glücklich machen kann. Mmmmh... gratitude-restaurant.de.
La Mano Verde, Berlin: In Deutschlands Veganer-Hochburg gibt es an fast jeder Ecke ein veganes Restaurant – zumindest in den Szenebezirken. Das älteste und edelste ist das La Mano Verde im Kempinski Plaza. lamanoverdeberlin.com.