
"Eigentlich bin ich nur zum Urlauben nach Namibia gekommen“, erzählt Filmproduzentin Michaela Bauer. Drei Monate Auszeit wollte sie von ihren Projekten in Köln nehmen, inzwischen lebt sie seit neun Jahren in Windhoek. „In Deutschland hab ich gemerkt, dass Namibia mich nicht loslässt. Ich musste einfach zurück.“ Das lag nicht nur an der spektakulären Landschaft, der Weite und dem Freiheitsgefühl und der Herzlichkeit der Menschen: „Die Filmindustrie in Namibia ist noch jung. Ich find’s spannend, etwas mit aufbauen zu können.“ Das hat die 32-Jährige in den letzten Jahren gemacht, unter anderem als Direktorin des Wild Cinema Filmfestivals in Windhoek und als Freelancerin für einheimische Produktionen im ganzen Land.
2004 gründete Michaela ihre eigene Firma, Media Logistics Namibia, die sie inzwischen mit ihrer namibischen Partnerin Oshosheni Hiveluah führt. „Spätestens seit Hollywood samt Angelina Jolie hier, Jenseits aller Grenzen drehte, ist der Wettstreit mit Südafrika amtlich“, sagt Oshosheni. Jolie gefiel es 2003 in Namibia so gut, dass sie wiederkam, um Tochter Shiloh zur Welt zu bringen. „Das Namibia-Virus hat auch sie erwischt“, sagt Michaela. „Der Zauber lässt sich schwer erklären, man muss das Land erleben.“ Deshalb dreht Media Logistics jetzt einen Film über die schönsten Orte im Land: „Um noch mehr internationale Produktionen herzuholen.“
Michaela und Oshosheni kennen Namibia von vielen Drehs und eigenen Reisen. Die Entscheidung, was unbedingt in den Film soll, fällt trotzdem schwer. „Nutzen wir die Gelegenheit für einen Kurzurlaub samt Location Scouting“, schlägt Oshosheni vor. Die erste Entscheidung fällt schon in Windhoek: Das Township Katutura muss in den Film. „Hier haben wir eine Verfolgungsjagd für ,Soko Leipzig‘ gedreht“ – Michaela zeigt auf bunt bemalte Hütten, die während der vom Nachbarstaat Südafrika verordneten Apartheid gebaut wurden. Im Schwarzenviertel Katutura sind viele Menschen arm, doch einige stellen auch als Kleinstunternehmer Kunsthandwerk her und verkaufen es im Arts & Craft Center in Windhoeks Innenstadt. „Gut ausgehen kann man in Katutura auch“, sagt Oshosheni, „aber die teure Handtasche lässt man lieber zu Hause.“
In einem sehr viel schickeren Viertel Windhoeks sitzen die schönen und erfolgreichen Schwarzen und Weißen in „The Wine Bar“ und trinken ihren Sundowner mit Blick über die Stadt. „Als wir noch kein Büro hatten, haben wir hier oft Meetings abgehalten“, verrät Michaela. Warum der Drink zum Sonnenuntergang in Namibia so zelebriert wird, versteht man erst, wenn man aus Windhoek herausfährt: Mit einem Gin Tonic in der Hand stehen Michaela und Oshosheni am nächsten Abend auf einer Düne am Rand der Wüste Namib. In der untergehenden Sonne leuchtet der Sand feuerrot, ihnen zu Füßen liegt die Savanne, nur vereinzelt ragen Felskuppen aus dem weizengelben Gras. Schade, dass sich die samtweiche Nachtluft nicht auf Fotos bannen lässt.
Feuerroter Sand und samtweiche Nachtluft
Früh um vier geht es, gedopt mit Coffee to Go, schon weiter in den Namib-Naukluft- Park – in die ältesteWüste derWelt. Augen glimmen am Wegesrand, ein Stachelschwein tapst dem Auto entgegen. Langsam dämmert der Morgen. Die berühmten roten Dünen kommen näher, die befestigte Straße verwandelt sich in eine Sandpiste. Das letzte Stück laufen wir. „Hier haben wir Tanzszenen für einen Bollywoodfilm gedreht.“ Oshosheni zeigt auf eine hartgebackene Sandfläche, aus der schwarze Baumskelette ragen: „Mit überdimensionalen Zebras aus Plexiglas.“ Jetzt, im ersten Licht des Tages, herrscht Stille. Die Sonne zeichnet scherenschnittartige Muster auf die leuchtendroten Dünenkämme. „Lasst uns hochsteigen“, schlägt Oshosheni vor, „von oben entdecken wir die besten Motive.“ Die beiden erklimmen die höchste Düne weit und breit. In Riemchensandalen, so viel Stil muss sein. Quer durch die Wüste führt die Straße zum Meer.„Wer noch nie hier war,denkt oft: Sand. Langweilig“, räumt Michaela ein. „Aber die Namib ist wunderschön.“ Tatsächlich ändert sich ihr Aussehen unterwegs ständig: Mal ist der Sand rot, mal gelb,mal von Canyons zerfurcht, mit felsigen Inselbergen durchsetzt oder platt bis zum Horizont. Michaela schüttelt plötzlich ihr iPhone: „Verdammt,nicht desert proof! Es geht nicht mehr an! Hast du Empfang, Oshi, damit wir erreichbar sind?!“
Unverhofft liegt hinter der Wüste ein Nordseebadeort. Zumindest sieht Swakopmund mit seinem rot-weißen Leuchtturm so aus. Dazu kommen die Gründerzeitarchitektur und deutsche Namen: Hansa Hotel (erbaut 1905) oder Ankerplatz. Eine Zeitreise hundert Jahre zurück, als Nambia noch Deutsch-Südwestafrika hieß und die Kolonisten mit bloßen Händen in der Wüste die Rohdiamanten einsammeln konnten. Beim Essen – in Swakop isst man Fisch und Austern, statt wie überall sonst Berge von Antilopenfleisch – erklärt die 27- jährige Oshosheni, warum sie fließend Deutsch spricht: „Ich habe als Kind einige Jahre in der DDR gelebt. Meine Eltern waren in der Swapo, der namibischen Freiheitsbewegung, und haben für unsere Unabhängigkeit vom Apartheidregime gekämpft. Als ich 1990 zurückkam, ging ich in Windhoek auf die Deutsche Schule.“ Michaela ergänzt: „Kennengelernt haben wir uns 2005 bei einem Projekt des Wild Cinema Film Festival.“ Seitdem bilden die beiden ein Dreamteam: Michaela, straighte Geschäftsfrau und Organisationsprofi – und Oshosheni, die Kreative mit afrikanischer Gelassenheit und tausend Kontakten.
Augenzwinkernd nennen sie sich Ebony & Ivory. „In Namibia ist die Hautfarbe sehr wichtig, und woher man kommt. Das fand ich am Anfang schwierig“, sagt Michaela.„Vielleicht ergänzen Oshi und ich uns gerade deshalb perfekt.“ Und noch etwas macht ihre Firma ungewöhnlich: Media Logistics beschäftigt bevorzugt Frauen. „Ein Mitarbeiter hatte das erste Mal im Leben einen Lady- Boss“, erzählt Michaela schmunzelnd. „Das gibt es in Namibia noch nicht so häufig.“
Am nächsten Abend trinken die beiden ihren Sundowner in einer Strandbar – und treffen ihre Kollegin Yana, Namibiadeutsche aus Swakopmund.„ Nachher gehe ich auf eine lecker Party, kommt ihr mit?“ „Die Einwanderer der dritten, vierten Generation sprechen zwar noch fließend Deutsch, aber das hat sich im namibischen Sprachmix ein bisschen verändert“, erklärt Oshosheni, die selbst mühelos zwischen Englisch, Deutsch, Afrikaans und Ovambo, der Sprache ihres Stammes, wechselt. „Lecker heißt bei uns auch toll“, übersetzt die 21-jährige Yana. Nach den Drinks haben alle große Lust auszugehen. In Namibias deutschester Stadt (hier legten früher die Einwandererschiffe an) heißen sogar die Bars wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten: „Brauhaus“, „Grüner Kranz“. Heute geht es aber ins „El Cubano“, eine gemütliche Bar.
Einst lag der Sand in Namibia voller Rohdiamanten
Am nächsten Morgen liegt die Stadt im Nebel. „Das passiert, wenn der heiße Wüstenwind zum Meer weht“, erklärt Oshosheni. Etwas weiter im Landesinnern verschwindet der Spuk wieder. Auf dem Weg zum Etosha-Nationalpark – 450 Kilometer Schotterpiste – holen die beiden ungerührt ihren Schönheitsschlaf nach und fahren abwechselnd. Gleich hinter dem Anderson Gate,einem der beiden Parkeingänge, grast eine Herde Zebras am Straßenrand. Sie heben nur kurz die Köpfe, als das Auto neben ihnen hält. Hier darf nicht gejagt werden. Den Drink zum Sonnenuntergang nehmen wir heute auf Logenplätzen ein: Die beiden haben einen Bungalow im Okaukuejo Camp gemietet mit Blick auf das (nachts beleuchtete!) Wasserloch direkt außerhalb der Umzäunung. „Die Savanne kommtmir immer vor wie eine Wundertüte“, schwärmt Michaela,„man weiß nie, welches Tier als nächstes vorbeispaziert.“ Ein paar Antilopen trippeln nervös zum Wasser, denn hinter jedem Busch könnte ein Löwe lauern. Die Elefanten dagegen bespritzen sich lässig mit Wasser.
Bevor es nach Windhoek zurückgeht, möchte Oshosheni ihre Großmutter in einem Dorf zwei Stunden nördlich des Parks besuchen. „Der Norden ist total afrikanisch“, sagt Oshi, „hier leben fast nur Ovambos.“ Großmutter Lomboleni freut sich sehr über den Überraschungsbesuch. Sie lebt mit einer Tante zusammen. „Alle meine Cousinen und Geschwister sind in die Stadt gezogen“, erzählt Oshosheni. „Sie wollten weder auf dem Feld arbeiten noch Ziegen hüten.“ Etwas hat sich aber auch hier verändert: Statt in einer traditionellen Rundhütte wohnen die beiden Frauen in einem Wohnhaus mit Veranda und moderner Einrichtung, finanziert von Verwandten aus der Stadt.
Wenn die Nacht anbricht, glitzern Millionen Sterne
Der letzte Stopp steht an: Waterberg. Mächtig thront das feuerrote Felsplateau über der Ebene, es muss natürlich in den geplanten Film. Mit einem Glas Wein sitzen die beiden Großstädterinnen vor ihrer Lodge und genießen die Weite. „Dafür liebe ich Namibia“, seufzt Michaela. „Nach einem stressigen Dreh fahre ich 20 Minuten und stehe plötzlich in einer grandiosen Landschaft.“ Als die Nacht kommt, funkeln am Himmel Millionen Sterne, in der pechschwarzen Ebene leuchten vereinzelt Farmen. „Wir müssen das Location Scouting verlängern“, sagt Oshosheni plötzlich. „Wir waren noch nicht am Fish River Canyon und in der alten Diamantenstadt.“ Ohne zu überlegen sagt Michaela:„Und im Caprivi und an der Skelettküste.“ Die beiden schauen sich an und sind sich einig.
PETRAS TIPPS FÜR NAMIBIA
REISEZEIT Ganzjährig. Am schönsten im Frühling (Sept. – Mitte Nov.), im Herbst (April/Mai) können Sie am besten Tiere beobachten.
ANREISE
Air Namibia verbindet Frankfurt und Windhoek mit Direktflügen (über Nacht). Hin- und Rückflug ab 888 Euro inkl. Steuern und Gebühren. www.airnamibia.com
Chamäleon Reisen Der Veranstalter bietet Individualreisen und Fernreisen für Gruppen von 6 bis 12 Personen an und hat sich auf über 20 Fernreiseziele spezialisiert. Z.B.: 15 Tage Namibia „Sossusvlei“ ab 2.399 Euro. www.chamaeleon-reisen.de
ÜBERNACHTEN
Windhoek: The Elegant Bed & Breakfast Freundliches Guesthouse mit Pool in ruhigem Viertel nahe dem Zentrum. DZ/F um 90 Euro.
www.the-elegant-collection.com
Courtyard Villas Neun Suiten in puristischem Design mit Kitchenette. DZ/F ab 125 Euro (ab 7 Nächten Rabatt). www.islandsinafrica.com
Namibwüste: Namib Desert Lodge Hübsche Bungalows mit Blick auf die versteinerten Dünen. Unbedingt den Sundowner Drive buchen! DZ/HP um 100 Euro. www.gondwana-collection.com
Swakopmund: Sandfields Guesthouse Komfortable Zimmer mit offenem Kamin, 3 Min. zum Strand. DZ/F um 85 Euro. 11 Sphinx Street, www.sandfieldsguesthouse.com
Etosha: Im Okaukuejo und Namutoni Camp gibt es edle Bush-Chalets (70–180 Euro/2 Pers.), Zimmer und Zeltplätze. Tipp: das Premier Waterhole Chalet mit Blick auf Wasserstelle (ab 145 Euro/4 Pers.). Buchung über Namibia Wildlife Resorts, www.nwr.com.na
Waterberg: Waterberg Wilderness Ein Hauch von Luxus in dramatischer Landschaft. Panoramablick vom Bett. DZ/HP um 95 Euro.
EINKAUFEN
Windhoek: Im Arts & Craft Center werden in kleinen Läden Schmuck, Kleidung und Souvenirs angeboten. Talstr. 40. Penduka, ein Selbsthilfeprojekt für Frauen, verkauft schöne Homeware. www.penduka.com
Swakopmund: Handgemachte Kosmetik bei Health Aroma. Fußgängerzone „The Arcade“. 8–18, Sa. u. So. 10–17 Uhr.
ESSEN & AUSGEHEN
Windhoek: The Wine Bar Perfekt zum Sundowner, große Weinkarte, Snacks. Gartenstr. 3, www.windmill-wines.com
Swakopmund: The Tug Cooles Fischrestaurant in einem Schiff, bester Tisch im Glaserker über der Brandung. Tägl. 18–22 Uhr. Tel. +264 (0)81/286 92 99. El Cubano Bar im Retrostil, in der auch getanzt wird. Nataniel Maxuilili Street. Gegenüber (Nr. 42) liegt das Grüner Kranz.
WELLNESS
GocheGanas Edles Spa in der Natur, nur eine halbe Stunde von Windhoek. Tipp: die Massage unterm Kameldornbaum. www.gocheganas.com
MEDIA LOGISTICS NAMIBIA
Michaela und Oshosheni finden Sie online auf www.media-logistics-namibia.com
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