
Am Horizont taucht eine Insel auf. Ich bin ein Glückspilz. Nein, ich bin ein Glückstrüffel. Ein Vierer im Lotto ist nichts dagegen, ich beneide mich sogar selbst. Denn in diesem Moment gleite ich mit dem Schnellboot über den Indischen Ozean. Auf einem Satellitenbild der Erde liegen die Malediven ungefähr links unten von Indien. Sie bestehen aus 1199 Inseln, die wie grüne Kleckse samt weißer Halskrause aus Sand im Türkis liegen. 200 von ihnen sind bewohnt, auf 87 steht ein Hotel, und in einem dieser Hotels werde ich wohnen. Das Besondere daran: Ich darf auch ins Blau hüpfen und tauchen lernen.
Je näher die Insel rückt und je genauer ich das Meer betrachte, desto klarer wird mir eins: Blau ist hier nicht gleich Blau. Blau bedeutet Blassblau wie der Himmel, Azurblau wie der Ozean, Türkis wie das seichte Wasser. Auf den Malediven strahlen alle Farben, als hätte man sie gerade neu erfunden. Spätestens als ich vom Boot steige, wird mir schwummrig. Die Palmen leuchten neonsattgrün, der Sand schimmert neonweiß, die schrill pinkfarbenen Blüten an den Büschen scheinen einer Colorwaschmittel-Werbung entsprungen zu sein.

Ein Reiher stakst äußerst pittoresk im Sonnenlicht durch das seichte Wasser, dann bleibt er auf einem Bein stehen und sinniert über das Leben. Ob der Reiher echt ist? Ein Hotelmitarbeiter mit Federn? So malerisch kann eigentlich kein Tier herumstehen. Aber scheinbar wohnt er einfach hier. Kurz darauf habe ich die Zeit irgendwo im Sand verloren. Vielleicht ist es auch schon der nächste Tag, denn auf den Malediven macht die Uhrzeit keinen Sinn mehr. Da steht man einfach wie der Reiher im Wasser und blickt auf den Horizont. Ich entdecke eine hübsche weiße Muschel im Sand und bücke mich, um sie aufzuheben. Auf einmal setzt sich die Muschel in Bewegung und flitzt auf kleinen Beinen ins Wasser. Ein Einsiedlerkrebs flüchtet vor mir. Der ganze Strand ist von ihnen bevölkert.

Dass die Malediven ein richtiges Land sind, fällt hier schwer zu glauben. Aber in der Hauptstadt Malé stehen ganz normale Hochhäuser, am Flughafen habe ich verschleierte Frauen gesehen. Der Inselstaat ist muslimisch, nur für die Touristen werden die strikten Regeln – gerade was den Alkohol angeht – gedehnt. In erster Linie gelten die Malediven als Taucherparadies. Alle Inseln und Riffe bestehen aus Korallenkalk, das Wasser ist glasklar, die Unterwasserwelt vielfältig. Das habe ich zumindest in einem Reiseführer gelesen. Wobei dort auch stand, dass ich mich in einem gefährdeten Paradies befinde. Drei Inseln fielen dem Tsunami im Dezember 2004 zum Opfer, und wenn der Meeresspiegel steigt, werden die Malediven in den Fluten schutzlos versinken. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf blicke ich vom Steg aus auf einen Schwarm Trompetenfische, der an mir vorbeizieht. Schon vom Strand aus habe ich unglaublich viele Fische entdeckt, die geschäftig ihre Bahnen ziehen. Und sie haben so verrückte Formen und Farben, als hätte jemand ein bisschen zu viele Pilze geraucht. Besonders der Einhornfisch hat’s mir angetan, mit seiner langen Nase schnobert er seelenruhig unter meinem Stelzen-Bungalow herum.

Haie leben hier auch. Womit wir beim Thema Tauchen wären. Den Film „Der weiße Hai“ habe ich so oft gesehen, dass ich den Text mitsprechen kann, was aber nicht bedeutet, dass ich ein entspanntes Verhältnis zu großen Fischen habe. Tiere, die größer sind als ich, genieße ich am liebsten in Teilen auf meinem Teller oder in sicherer Entfernung. Gefühlte zwei Tage später ist es so weit, ich besuche einen Tauch-Schnupperkurs. Tauchlehrer Pascal mit den blaublauen Augen kommt aus Belgien und vermittelt eine ungeheure Ruhe. Das ist auch gut so, denn mir schlägt das Herz bis zum Hals. Erst wird uns – wir sind zu viert – ein langer Film über das Tauchen gezeigt, die Zeichen, die man braucht, um sich unter Wasser zu verständigen, die Technik, die Gefahren. Und: Als eine Gefahr wird „Ertrinken“ genannt. Danke für den Hinweis.
Spätestens als ich die Sauerstoffflaschen aufsetzen soll, werde ich panisch: Ganz sicher werde ich hintüberkippen, im seichten Wasser absaufen oder von einem Stachelrochen ins Jenseits gepikt werden. Aber ich habe es so gewollt, es gibt jetzt kein Zurück mehr.
Mit der kompletten Ausrüstung watscheln wir ins Meer und üben erst einmal Grundlagen. Atmen. Mein erster Atemzug unter Wasser! Ich klinge wie Darth Vader aus „Star Wars“! Ich bin eine Amphibie! Spätestens als wir im flachen Wasser um ein künstlich angelegtes Riff tauchen, habe ich mein Herz an das Tauchen verloren: Eine riesige gewellte Muschel klappt direkt vor mir zu, als ob sie schwer beleidigt sei, kleine blaue Fische schauen in meine Brille und wundern sich über das unelegante Wesen, das sie da anglotzt. Ab jetzt werde ich jedes Jahr tauchen fahren, ich will einen Tauchschein, Profi werden. Als mich Pascal fragt, ob ich die große Muräne gesehen hätte, muss ich passen. An mir zogen nur Wimpelfische, Doktorfische und Schmetterlingsfische vorbei. Ich stelle fest: Ich habe nur die Hälfte mitbekommen. Ist vielleicht besser so.


Einen Tag später fahren wir mit einem Boot weit aufs Meer hinaus. Die Strömung wird gecheckt, wir werden an einem Riff entlangtauchen, in ungefähr zwölf Meter Tiefe. Meine Euphorie von gestern verfliegt im Nu, denn erst einmal versinke ich im Wasser wie ein Sack Kartoffeln. In mir schlummert wohl doch nicht so ein unglaubliches Tauchtalent, wie ich dachte. Und als ob das nicht genug wäre, überfällt mich Höhenangst! Denn das Riff stürzt unter mir in die Tiefe ab, der Blick endet in der Schwärze des Nichts. Einen Moment später entdecke ich, dass sich zu meiner Rechten eine sehr große Kontur abzeichnet. Aus dem Dunkel kommt ein Fisch auf mich zu, der ungefähr so groß ist wie mein Kleiderschrank. Jedenfalls kommt es mir so vor. In der Aufregung atme ich zu hektisch und schnelle wie ein Flummi nach oben. Nachdem ich mich wieder beruhigt habe, geht es noch eine halbe Stunde weiter. Und ganz ehrlich? Mir reicht es auch. Die 45 Minuten Tauchgang haben mich so geschlaucht, dass ich nur noch schlafen möchte.

Wie ich später erfahre, handelt es sich bei dem Kleiderschrank-Monster um einen Napoleon-Lippfisch, eine gefährdete Art. Leider – für ihn – schmeckt er ziemlich gut, außerdem füttern ihn Touristen oft mit Bananen, an denen er verendet. Das erzählt mir Gabrielle, die Meeresbiologin des Resorts. Gabrielle stammt aus Mexiko und untersucht Korallen, die sie für das Resort ansiedeln möchte. Dafür muss sie mehr über sie herausfinden. Ich frage, ob sie mal von einem Fisch gebissen wurde. Sie sieht mich an, als hätte ich eine völlig absurde Frage gestellt. „Nein“, antwortet sie. „Unter Wasser ist es wie an Land. Wenn du freundlich auf jemanden zugehst, fühlt der sich nicht bedroht, und dir passiert nichts.“ Ich frage Gabrielle nach Haifisch-Angriffen. Sie erklärt, dass Haie einen Taucher erst abmessen. Und wenn der größer ist als sie selbst, was mit Flossen meist der Fall ist, verschwinden sie sofort wieder. Zum Schluss nennt sie noch einmal die Zahl der Haie, die pro Jahr durch Menschenhand umkommen. Es sind hundert Millionen. Ich blicke auf das Meer hinaus und schweige.
Trotzdem esse ich eine Stunde später Fisch. Natürlich keinen Hai, aber etwas kleines Köstliches vom Grill. So weit reicht meine Fischliebe dann doch nicht, dass ich nur noch Salatblätter knabbere. Als ich über den Steg wieder zu meinem Bungalow wandere, entdecke ich zwei schmale Schatten im Wasser. Es sind Schwarzspitzenhaie, so lang wie eine Flosse, Kinderhaie. Hoffentlich werden sie uralt. Tauchen wird nicht mein neues Hobby – aber ich bin zumindest in eine fremde und stille Welt eingetaucht. Und sie hat mir gut gefallen.

Alle Infos auf einen Blick:
Das Velassaru Resort liegt auf den Malediven im Süd-Malé-Atoll, verfügt über 129 Zimmer und drei Restaurants. Die Anlage wurde erst im Frühjahr 2009 eröffnet, das Publikum ist jünger und die Einrichtung geschmackvoll und modern. Die Insel bietet ideale Tauchvoraussetzungen. Das Außenriff ist ca. 450 Meter entfernt, wer möchte, kann auch einfach vom Zimmer aus ins Wasser plumpsen und schnorcheln. In der deutsch sprechenden Tauchschule werden Tauchkurse und Ausflüge angeboten.
Preis für eine Woche: Zum Beispiel ab München, sieben Nächte De-luxe-Bungalow mit Frühstück, pro Person ab 1820 €. Mit Halbpension 2149 €. Alle Infos über www.tui.de
Das Tauch-Special des Hotels für zwei Personen beinhaltet sieben Nächte im DZ mit Frühstück und sechs Tauchgänge inkl. Leih-Ausrüstung. Preis ohne Flug pro Person: ab 1488 €.
Das Honeymoon-Special für zwei Personen beinhaltet fünf Nächte im DZ und Frühstück, ein Candle-Light-Dinner am Strand und eine Champagner-Sonnenuntergangs-Tour. Preis ohne Flug pro Person ab 1027 €. Alle Informationen über die Packages auf www.velassaru.com