
Hoch über unseren Köpfen hat sich die Milchstraße ausgebreitet, weißes Mondlicht fällt auf die endlose Wüste aus Steinen und Geröll. Kerzengerade führt uns der Desert Highway immer weiter durch die Nacht. Jordanien, das unbekannte Königreich am westlichen Rand Arabiens. Ob diese Reise gefährlich sei, hatten einige von uns gefragt, bevor sie in den Flieger in die Hauptstadt Amman stiegen. Im Rückspiegel des Reisebusses dreht sich das Blaulicht eines der beiden Polizeiautos, die unsere kleine Karawane eskortieren. „Keine Angst, meine Damen“, sagt unser Begleiter Khaled. „Die Polizisten sind nicht bei uns, weil es so gefährlich ist, sondern aus Respekt – schließlich sind Sie Staatsgäste.“ In einer gemeinsamen Aktion hatten das Jordan Tourism Board und PETRA 50 Frauen mit dem Vornamen Petra aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeladen, die wahre Seele Jordaniens kennenzulernen. „Liebe Petras, auf nach Petra!“, ruft Khaled durch die Reihen. Petra – die uralte in Fels gemeißelte Stadt.
Geheimnisvoll, atemberaubend: So ist nur Petra
„Der herrlichste Ort derWelt“, schwärmt der britische Archäologe und Schriftsteller Lawrence von Arabien in seinem Werk „Die sieben Säulen der Weisheit“ von der antiken Stadt. Lange war Petra vergessen – so versteckt liegt die Stadt im Bergland von Edom im Süden Jordaniens. „Wahnsin!“, ruft Petra Höhle, Innenarchitektin aus Erding und eine der Siegerinnen unseres Reise-Gewinnspiels (Ausgabe 9/08), als wir am nächsten Morgen durch die schmale, an manchen Stellen nur zwei Schritte breite Zugangsschlucht laufen. Die führtunsinsZentrumdesetwa500Jahre vorChristus erbauten Felsenreiches. Rechts und links am Rand sehen wir mannshohe Löcher, in die Felsen geschlagen, um Beduinen- Familien vor Sonne und Sandstürmen zu schützen. Eselkarren mit Touristen traben ans uns vorbei, junge Araber auf ihren Pferden wirbeln Staubwolken auf. „Wer den Zauber von Petra wirklich spürenwill, muss zu Fuß gehen“, sagt Khaled und setzt ein geheimnisvolles Gesicht auf. In einer Kurve weist er uns plötzlich an, rückwärts weiterzugehen. „Und jetzt: umdrehen!“, ruft er Sekunden später. „Willkommen in Petra!“ Vor uns hat sich ein in Felsen gemeißelter, zweistöckiger tempelartiger Bau aufgetan, vierzig Meter hoch, vom Sonnenlicht in feierliches Rot getaucht: „El Kazneh“, das Schatzhaus. Vor dem Aufgang haben es sich zwei Kamele gemütlich gemacht und blicken den sprachlosen Besuchern so weise entgegen, als lägen sie seit Jahrhunderten hier.
Petra Höhle und Petra Schmidt, noch eine Gewinnerin des PETRA-Gewinnspiels, stehen minutenlang regungslos da. „Die Steinlandschaften sind unglaublich faszinierend“, sagt Petra Höhle schließlich. „Ich bin ganz ergriffen von der Ewigkeit, die dieser Ort ausstrahlt.“ Und Petra Schmidt ergänzt: „Eigentlich bin ich im Urlaub kein so großer Kultur-Freak, aber das hier ist wirklich atemberaubend.“ Etwa 20 Quadratkilometer misst das Stadtgebiet von Petra, in demArchäologenimmerwiederneueWunderwerkefreilegen: Theater, Gräber,Tempel,Wasserleitungs-Systeme undWohnquartiere. WolltemanganzPetraentdecken–manmüsstehier mindestens eine Woche verbringen. Zum Glück darf in Petra jeder Besucher (noch) selbst auf Forschungsreise gehen und beobachten, wie die Sonne der Felsenstadt ständig einen neuen Anstrich gibt: flammend-rot, orange,mauve oder auch mal zart-rosa. Tief beeindruckt von der steinernen Schönheit fahren wirweiter Richtung Totes Meer, um uns den Wüstenstaub von den Körpern zu waschen. Auf dem Weg passieren wir Zeltlager von Beduinen, die sich mitten im Nirgendwo niedergelassen haben, kurven über Bergstraßen und vorbei an der alten Kreuzfahrerstadt Kerak. Und dann liegt er weit unten vor uns: der tiefste Punkt der Erde, der strenggenommengar keinMeerist, sondern ein riesiger, salzhaltiger See, berühmt für die vielen Mineralien, die sein Wasser enthält. Tatsächlich: Kaum ist man eingetaucht, merkt man, wie das Salz auf der Haut und in den Poren arbeitet. Butterweich fühlen sichArme,Beine, RückenundBauch an,nachdemwir den Fluten wieder entstiegen und unsere Schlammpackungen abgeduscht haben. Erfrischt, entspannt und wieder „stadttauglich“ steigen wir in den Bus – bereit für neue Abenteuer. Die Fahrt vom Toten Meer nach Amman dauert rund eine Stunde. Etwa 10.000 vor Christus siedelten die ersten Araber in der heutigen Zwei-Millionen-Metropole:Amman– die weiße Stadt, komplett mit Kalkfarbe getüncht, ein Häusermeer, das sich auf insgesamt 19 Hügeln ausgebreitet hat. Die Jordanier behaupten, Amman sei auf dem Sprung, Beirut, die libanesischeNachbarhauptstadt,als „ParisdesNahenOstens“ abzulösen. Überall sehen wir Kräne und vorbereitete Gruben, Zeugen des Baubooms. Trotzdem gelingt es Amman, den Charme einer orientalischen Stadt zu bewahren.
Downtown, in den Souks, den wuseligen Märkten, begegnet uns das traditionelle Amman. In Kopftücher gehüllte Frauen stehen im Gewürzladen Schlange, um Safran zu kaufen oder Zaatar, eine Gewürzmischung ausThymianund Sesamkörnern, die die Jordanier zum Frühstück mit Brot und Olivenöl servieren. Nebenan in der Sattlerei preist ein Händler handgemachte Ledergürtel an. Ein Bäcker drückt uns frisch gebackenes Baklava in die Hände. Fährtmanein paar Kurvenweiter in die Stadtteile Jebel Amman oder Sweifieh, sieht man das moderne Amman. Shopping-Malls haben eröffnet, junge Kreative wie die DesignerinMaysoonHaymoorpräsentieren in ihrenShowroomsrundumdieRainbowStreet in JebelAmman ihre Arbeiten. Auch Muna, eine 24-jährige Kommunikations- Expertin, trifft sichmit ihren Freunden oft in dieser Gegend. „Ichmag,wiesich hieralles so friedlich vermischt.Objemand muslimisch ist, wie die meisten Jordanier, oder christlich, ist überhaupt kein Thema“, sagt sie. Sie selbst ist Christin und findet es normal, dass einige ihrer Freundinnen Kopftücher tragen. „Ehrlich gesagt: Darüber denke ich gar nicht nach.“ Das Herz von Jebel Amman schlägt in dem berühmten „Books@Café“ – Buchladen, Café und Bar in einem –, das von Madian und Mazhar al Jazerah, einem bemerkenswert mutigen Brüderpaar, gegründet wurde: beide schwul – was in der muslimischenWeltkaumAkzeptanz findet. „Die Leute lieben oder hassen uns“, sagt Madian al Jazerah, 43, der mit seiner Glatze unddemstechenden BlickdemSchauspieler Ben Kingsley ähnelt. Viele Jahre hat er in den USAgelebt. „Aber ichwollte unbedingt hierher zurück. Jordanien ist dabei, richtig kosmopolitisch zu werden. Das möchte ich nicht verpassen.“ Als die Sonne untergeht, sitzen wir auf dem Hügel von Jebel Amman im Café „Wild Jordan“. Die unzähligen Häuser unter uns sind in weiches, gelbes Licht getaucht. Der Kellner serviert ein Hummus-Sandwich und ein Glas frisch gepressten Granatapfel-Cranberry-Saft. Wir blicken hinab auf die Stadt, über die wir kaum etwas wussten, bevor wir hierher kamen. Jetzt wissen wir:Manmuss nur Herz und Augen öffnen – dann macht Jordanien es einem sehr, sehr leicht.
Kleiner Jordanien Guide
HINKOMMEN Royal Jordanian Airline bis Amman. Hin- und Rückflug von/bis Frankfurt ab 560 €, www.rja.com WOHNEN Mövenpick Resort Petra – liegt direkt am Eingang zur Felsenstadt. Übernachtung im DZ, inkl. Frühstück ab 70 € pro Person. Tel. 00962/321 571 11, www.moevenpick-petra.com Le Meridien Amman ist eines der größeren Hotels der Hauptstadt. Das DZ (ohne Frühstück) kostet pro Person und Nacht ab 88 €, www.lemeridien.com ESSEN & AUSGEHEN Books@Café Café, Bar, Restaurant und Buchladen in stylishem Ambiente – täglich von 10 bis 24 Uhr. Omar bin al-Khattab Street, Amman Wild Jordan Cafè Leckere, organische Snacks und Getränke, ein toller Souvenir-Shop und eine grandiose Aussicht über Amman. Othman bin Afan Street, www.wildjordancafe.com Nai heißt der hippste Nachtclub der Hauptstadt mit internationalen DJs und prominenten Gästen wie 50 Cent oder Danii Minogue. Arroub Street 3, www.nai-jo.com Petra by Night Jeden Montagund Donnerstagabend werden die Wege in der Felsenstadt illuminiert. Die geführte Tour durch Petra dauert etwa zwei Stunden – Tickets im Besucherzentrum für je 13 €. Petra-Kochkurs Schon mal selbst arabisch gekocht? In der „Petra Kitchen“ an der Hauptstraße werden jeden Abend Kurse angeboten. Lokale Köchinnen und Köche bringen Ihnen bei, wie man köstliche Mezze, feinen Hummus oder frischen Taboulé-Salat macht. Danach wird zusammen gegessen. Kosten: 33 €, E-Mail: kitchen@petramoon.com SHOPPEN Showroom Jordan River Foundation Hier finden Sie tollen Schmuck, Mode, Möbel und Wohn-Accessoires lokaler Designer. First Circle, Rainbow Street, www.jordanriver.jo City Mall Das größte Einkaufszentrum der Stadt mit mehr als 150 Geschäften, Sa – Do von 10 – 22 Uhr, Freitag von 14 – 22 Uhr, www.citymall.jo ALLGEMEINE INFOS Das Visum wird bei der Einreise am Flughafen in Amman erteilt – Ihr Reisepass sollte noch mindestens sechs Monate gelten. Amtssprache ist Arabisch – mit Englisch kommen Sie aber auch fast immer weiter. Die Zeitverschiebung errechnet sich aus MEZ plus eine Stunde, in der Sommerzeit plus zwei Stunden. Impfungen sind nicht notwendig! Weitere Infos finden Sie z.B. unter www.visitjordan.com. Lieblings-Souvenir Mehr als nur schön sind die Schals der Interior- und Produkt-Designerin Maysoon Haymoor. Sie produziert die Henna-Prints auf Leinen ökologisch und ethisch korrekt und verkauft sie vor Ort im Showroom der „Jordan River Foundation“ (Adresse siehe Kasten unten), pro Stück ab 55 €.