Meik Wiking, 38, leitet das Kopenhagener „Happiness Research Institute“, ist HYGGE- EXPERTE und geht täglich dieser einen Frage nach: Warum sind einige Menschen glücklicher als andere?
Herr Wiking, Norwegen hat Dänemark in diesem Jahr als glücklichstes Land der Welt abgelöst. Wie konnte das trotz des dänischen Glücksrezepts „Hygge“ passieren?

Meik Wiking: Ja, herzlichen Glückwunsch nach Norwegen! Alle nordischen Länder konkurrieren in den Top Ten des World Happiness Reports, wir haben sehr ähnliche Wohlfahrtsmodelle und Einstellungen zum Leben. Allerdings: Der Unterschied zwischen Norwegen und Dänemark ist erst auf der zweiten Dezimalstelle erkennbar – ein hauchdünner Vorsprung.
Haben Norweger eine vergleichbare Glücksformel?
Hygge ist eigentlich ein altes norwegisches Wort. Dänemark und Norwegen waren für Hunderte von Jahren ein Königreich – also haben wir das Wort von ihnen übernommen. Die Norweger benutzen es heute nicht mehr, aber sie verwenden ein ähnliches: „koselig“.
Was ist Ihre Lieblings übersetzung von Hygge?
Hygge wurde schon als „Kunst der Schaffung von Intimität“ und „Behaglichkeit der Seele“ bezeichnet – oder auch als „Kakao bei Kerzenlicht“. Das wahre Wesen von Hygge ist das Streben nach alltäglichem Glück. Im Grunde wie eine Umarmung – nur ohne die körperliche Berührung.
Die Dänen haben relativ kurze Arbeitswochen, erhalten freie Gesundheitsversorgung sowie Hochschulausbildung und bekommen fünf Wochen bezahlten Urlaub pro Jahr. Haben sie einfach mehr Möglichkeiten, sich tagtäglich um ihr persönliches Glück zu kümmern?
Die Menschen im Norden sind alle außergewöhnlich gut darin, Wohlstand und Wohlbefinden zu entkoppeln. Nachdem unsere Grundbedürfnisse erfüllt sind, erkennen wir, dass mehr Geld nicht zu mehr Glück führt. Stattdessen konzentrieren wir uns auf das, was unsere Lebensqualität steigert.
Zum Beispiel Kalorien? 8,2 Kilogramm Süßigkeiten nascht der Däne pro Jahr – mehr als doppelt so viel wie der durch schnittliche Europäer. Schlägt Hygge also auf die Hüften?
Bei Hygge geht es darum, sich selbst und einander eine Pause von den Anforderungen des gesunden Lebens zu geben. Süßigkeiten, Kuchen, Kaffee oder heiße Schokolade sind Hygge. Karottenstifte? Wohl kaum.
Lässt sich Hygge ohne Weiteres in andere Länder importieren? Na sicher. Eigentlich sind wir uns auf der ganzen Welt sehr ähnlich, wenn es um Glück geht. Ich denke, wir überschätzen unsere Unterschiede. Wir können aus Dänemark, Großbritannien, den USA, China oder Indien sein – aber in erster Linie sind wir Menschen.
Was also können wir uns noch abschauen?
Beispielsweise sind die Dänen besessen von Innenarchitektur. Während andere Länder wie zum Beispiel Deutschland eine Kultur der Geselligkeit in Bars, Restaurants und Cafés pflegen, bevorzugen die Dänen ihr „Hygge-Headquarter“, in dem sich das soziale Leben abspielt: ihr Zuhause.
Was darf in so einer „Hygge Höhle“ nicht fehlen?

Denken Sie vor allem daran, dass es bei einem Hygge-Interieur nicht nur darum geht, wie die Dinge aussehen. Genauso wichtig ist es, dass sie sich gut anfühlen! Wenn Sie Ihre Finger über einen Holztisch gleiten lassen, eine warme Keramikschale in Händen halten oder durch die Haare eines Rentierfells streichen, ist das etwas komplett anderes als der Hautkontakt mit Stahl, Glas oder Kunststoff.
Und wie kann ich mir unterwegs das Glück herbeizaubern?
Wie wäre es, wenn Sie immer ein Hygge-Notfall-Set bei sich tragen? Kerzen, gute Schokolade, Tee, Ihr Lieblingsbuch, Marmelade, ein gutes Paar Wollsocken, ein Notebook, ein Pullover und eine schöne Decke. Zugegeben: Dafür brauchen Sie wohl eine ziemlich große Tasche ...
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