

Der strenge Pagenschnitt wirkt wie ein Helm von Prinz Eisenherz, der Auftritt ist stark, die Aura kühl: Seit 17 Jahren verantwortet Chefredakteurin Anna Wintour das amerikanische Magazin „Vogue“, gilt als einflussreichste Frau der Modebranche. Und obwohl man sie kaum ohne schwarze Sonnenbrille zu Gesicht bekommt und sie sich nur selten ein Lächeln abringt, scheint Anna Wintour nicht unnahbar. Häufig zeigt sie sich mit Tochter Bee Shaffer, ließ sich für die gefeierte Doku „The September Issue“ von Millionen Fernsehzuschauern über die Schulter gucken. Ihr Erfolgsgeheimnis: zweifelsohne die Tatsache, dass Wintour Emotionen komplett für sich behalten kann – und ihr trotzdem jeder attestieren würde, dass sie in ihrer disziplinierten Verschrobenheit echt wirkt. Was bedeutet jedoch Echtheit? Authentizität ist gerade ein großes Modewort, weil man es als Synonym für Ehrlich- und Nahbarkeit versteht, es beinhaltet aber im Grunde genommen auch, sich nicht im Griff zu haben, mal rumzubrüllen, wenn einem etwas nicht passt, sich hinter dem Ohr zu kratzen und doofe Fragen zu stellen – so ungefähr das Gegenteil von Anna Wintour. „Das Echte reicht nicht für einen guten Eindruck“, sagt Stefan Wachtel, der als „Coach der Bosse“ bekannt wurde und gerade das Buch „Sei nicht authentisch!“ (Plassen, 270 S., 19,99 €) veröffentlichte. „Die richtig gute Authentizität ist die scheinbare, der Kompromiss von Person und Rolle.“ Heißt das nun, dass man sich im Job verstellen, eine große Show abziehen soll? Klingt ja erst mal wenig sympathisch. „Der Berufsalltag verlangt aber oft Verhalten, das nicht aus sich selbst kommt“, sagt Wachtel. Geschätzt würde nicht, wonach man sich gerade so fühlt – sondern das, was professionell und klug rüberkommt. Egal, ob es nun echt ist oder nicht. Und genau diese vermeintliche Echtheit trainieren die Erfolgreichsten am allermeisten. Sie kennen intelligente Taktiken, wählen ihre Worte mit Bedacht und machen sich ihre Wirkung bewusst. Kaltschnäuzig und gekünstelt sind sie deshalb noch lange nicht. Ihre zehn klügsten Regeln taugen zur Nachahmung!
Hilfsbereite Kollegin, kompetente Kundenberaterin, durchsetzungsstarke Vorgesetzte: Im Job müssen wir gleich in mehreren Rollen überzeugen. „Je professioneller wir sie einstudieren, desto mehr Chancen haben wir, sie auszufüllen“, sagt Stefan Wachtel. Eine gute Hilfe ist die in Amerika von Wissenschaftlern entwickelte „Matter over Mind“-Strategie, mit der man seine innere Haltung verändern kann, indem man mit seinem Verhalten spielt. Statt sich mantramäßig einzureden „Ich bin, wie ich bin“, gibt man sich in bestimmten Situationen ganz bewusst anders. Betont gelassen, wenn etwas schiefgeht und man normalerweise zur Hektik neigt. Oder möglichst kraftvoll in einem Moment, in dem man für gewöhnlich klein beigeben würde. Wachtel: „Wir können glaubwürdig spielen – und glauben am Ende selbst daran.“ So überlistet man sich selbst und andere.
Verfallen Sie nicht in Gefühlsduselei

„Eines möchte ich noch klarstellen“, „Das stimmt so aber nicht“, „Da haben Sie mich falsch verstanden“. Sich für Verfehlungen zu rechtfertigen und Vorwürfe sofort entkräften zu wollen ist ein authentischer Reflex, kommt aber unsympathisch rüber. „Unschuldsbeteuerungen sind oft imageschädlicher als die Tat an sich“, sagt Stefan Wachtel. Statt um Argumente und Ausreden zu ringen, sinnlos zu korrigieren und auf sein Recht zu pochen, sollte man sich lieber entschuldigen, den Fehler eingestehen und den Vorfall bedauern – egal, ob man verantwortlich war. Die Sache versendet sich. Und einer Einsichtigen wird gern verziehen.
Beherrschen Sie sich
Bewaffnen Sie sich mit Wertschätzung
Selbst die schärfste Konkurrentin und der unsicherste Mitarbeiter verdienen es, mit Respekt behandelt zu werden. Auch wenn wir jemanden nicht bewundern, lohnt es, im Umgang auf wertschätzende Formeln zurückzugreifen: „Besser könnte ich es nicht sagen“ oder „Ihre anpackende Art hilft da sehr“. Damit der authentische Schein gewahrt bleibt, äußert man seine Worte mit warmer, freundlicher Stimme und zeigt sich körperlich zugewandt. Die beste Methode laut Stefan Wachtel: „Attestieren Sie dem anderen eine positive Eigenschaft, die er gar nicht hat. Sie können sicher sein, dass er unterbewusst danach streben wird, diese Eigenschaft zu entwickeln.“

Manchmal wissen wir nicht, worum wir uns zuerst kümmern sollen: dass wir unsere Gesichtszüge wieder unter Kontrolle bekommen oder dass wir nicht platzen vor Wut. Wenn eine Kollegin unsere Idee als ihre eigene verkauft, zum Beispiel. Oder der Chef wieder zwei Stunden früher geht als alle anderen. Im ersten Moment möchten wir die Dinge beim Namen nennen und den ganzen Frust herauslassen. „Wirkliche Größe besteht aber darin, dem natürlichen Reflex zu widerstehen“, sagt Wachtel. „Wen auch immer Sie kritisieren wollen, am Ende fällt es auf Sie zurück.“ Besser sei es, das zu betonen, was wir selbst wollen und können; nicht das, was andere schlechter machen.
Schmieden Sie eifrig Pläne
Schweigen Sie still
Geben Sie sich keine unnötige Blösse
„Wie schreibt man Google noch mal?“ Es gibt so Fragen, die behält man besser für sich. Dank der „Sesamstraße“ haben wir zwar das Credo „Wer nicht fragt, bleibt dumm“ verinnerlicht, trotzdem sollte man – gerade wenn der Chef danebensitzt – manche Wissenslücken erst einmal für sich behalten. Denn: Eine wirklich hirnlose Frage wird sich ein Chef merken. „Fragen Sie keine Basics ab, wenn Sie mit Menschen zu tun haben, die Sie zu beurteilen haben“, sagt Wachtel. „Und fragen Sie nur dann, wenn Sie die Informationen unbedingt benötigen.“ Ansonsten gilt: zuhören, ruhig bleiben – und ein maximal kluges Gesicht machen.