
Bestimmt gibt es in der Profiler-Ausbildung bei der Kripo die Unterrichtseinheit „Badezimmer der Verdächtigen“. Ich rede hier nicht von heimlichen Gentests mittels verlorener Haare. So viel Aufwand ist überflüssig: Die Persönlichkeit eines Menschen liegt im Bad ohnehin so schutzlos blank wie die Figur in einer H&M-Umkleide. Da wäre erst mal die Einrichtung. Natürlich kann man nicht jedes Minibad mit spinatfarbenen Fliesen der Bewohnerin anlasten. Insbesondere, wenn es gemietet ist.Wer allerdings in einer Stadt wie München so lange gesucht hat, bis er eine Altbauwohnung mit Badewanne gefunden hat, dem dürfen eine gewisse Sturheit, die Fähigkeit zum Prioritätensetzen nebst Leidensfähigkeit unterstelltwerden – eine 1-a-Kandidatin für jede Art Knochenjob also. Noch aussagekräftiger ist das Equipment.
Auf einen Blick bestimmen selbst Profiling-Anfänger das Alter des Badbesitzers sowie die in der Nasszelle bekämpften Problemchen. Muss ich mehr sagen als: Waschlotion für jugendliche Problemhaut versus Abdeckcreme für graue Strähnen? Doch die Analyse gewährt noch viel tiefere Einblicke! Masochisten erkennt man etwa an elektrischen Haarrupfgeräten und Hornhautraspeln (Mimöschen benutzen da eher Vibrations-Ladyshaver und weichmachende Fußcreme). Menschen mit Verlustangst können sich nicht mal von dem Parfum trennen, das 1993 vom Markt genommen wurde und inzwischen an Cognac erinnert. Sprunghafte offenbaren sich durch den Korb mit gesammelten Pröbchen. Menschen mit krankhafter Neugier erkennt man wiederum daran, dass sie auf Partys unter dem Vorwand „Du, irgendwie ist mir nicht gut“ Ewigkeiten im fremden Bad verschwinden.
Er fragte: „Was ist denn das?“ Ich stotterte: „Äh, oh, das …“
Wirklich entlarvend ist der Badbesuch allerdings nur bei unvorbereitetem Erscheinen, sonst schaffen Vorsichtige die Beweisstücke vorher zur Seite. Kürzlich stand mein Freund etwas zu früh für unser Candle-Light-Dinner auf der Matte. Ich hatte glücklicherweise meine Selbst-Restaurierung schon abgeschlossen, befand mich allerdings noch im Bad und selbiges im Gebrauchszustand. Ich flötete „Einen Momehent!“ und vergrub die Anti-Falten-Cremes, den Selbstbräuner, das Strähnchenspray et cetera unten im Wäschekorb. Voilà! Eine Weile später entspannte ich mich in den Laken, während mein Herzblatt im Bad verschwand. Ich war kurz vorm Wegdösen, als er rief: „Stella, was ist denn das?“ In der Hand hielt er ein Gerät, das ich seit Jahren mit, wie ich finde, Erfolg benutze. Wie konnte ich ausgerechnet das vergessen? Aufs Höchste alarmiert, kramte ich nach einer Erklärung: „Äh, oh, das… das ist…“ Verdammt! „… gut gegen Verspannungen.“ Puh! Ich fuhr fort: „Leg dich mal auf den Bauch!“ Der Nachwuchs-Profiler tat, wie ihm geheißen. Wenig später ertönte zufriedenes Grunzen: „Aaaaahhhh, das tut guuuuut!“ Seitdem weiß ich: So ein Anti-Cellulite-Roller taugt durchaus auch als Rücken- Massagegerät…