
"Lass mal, ich zahle." Er zieht die Rechnung ein bisschen näher zu sich heran, die Kerze flackert, und Wachs tropft auf die rotweinbefleckte Tischdecke. Ein schöner Abend war das. Da sitzt man nach dem köstlichen Essen, freut sich über die Einladung – und ärgert sich gleichzeitig maßlos darüber, dass der Kellner automatisch die Rechnung vor die Nase des Mannes gelegt hat. Hat der schon mal etwas von Emanzipation gehört? Dass Frauen auch ihr eigenes Geld verdienen? Er hätte ja mal fragen können. So rein theoretisch zumindest. Und dann schimpft man mit sich selbst: Weg mit den Gedanken, ist doch jetzt egal! Kann man sich nicht einfach mal über den feinen Abend freuen? Jein. Nicht, wenn es um Geld geht.
Beim Geld hört der Spaß auf, versiegt die Zuneigung, gehen Partnerschaften flöten und Ehen entzweien. Und mag der Wein noch so rot, der Kerl noch so charmant und die Mousse au Chocolat nochso fluffig und süß gewesen sein: Geld und Romantik vertragen sich eben nicht. Es ist doch ein Kreuz mit der Kohle. Zum einen total praktisch und mehr als erfreulich, wenn man genug davon hat, zum anderen mit einem Rattenschwanz von Bedeutungen versehen: Geld zu haben heißt, sich entscheiden zu können. Ganz eigenständig und emanzipiert, ohne sich einem anderen Menschen verpflichtet zu fühlen. Es sorgt für einen Lebensstil, von dem man träumt. Sicherheit. Luxus.
Was Geld in der Beziehung bedeutet
Mit 18 war es uns noch egal, wie voll ein Konto zu sein hatte. Da zählte sein niedliches Grinsen, sein cooler Musikgeschmack und die Art, wie er mit der Hand durch sein Haar strich. Heute ertappen wir uns dabei, beim ersten Date auf seine Schuhe zu blicken, um herauszufinden, ob sie handgenäht sind. Nicht, dass ihn handgenähte Schuhe zu einem besseren Menschen machen würden. Turnschuhe sind völlig in Ordnung. Es geht nicht darum, dass wir den Charakter und die Liebenswürdigkeit eines Menschen nach seinem Aktienpaket beurteilen. Dass Geld den Charakter im Zweifelsfall eher verdirbt und der größte Mistkerl oft das fetteste Portemonnaie besitzt, haben wir auch schon mitbekommen.
Trotzdem ist niemand frei davon, dass Geld die Welt regiert – und manchmal leider unser Herz. Lernen wir jemanden neu kennen, klopfen wir ihn automatisch und unbewusst auf seinen finanziellen Hintergrund ab. Haben uns schließlich schon unsere Mütter eingebläut, dass man in erster Linie für sich selbst sorgen muss – es aber nicht schadet, sich einen gut betuchten Mann anzulachen. Die Schwierigkeit liegt im Maß, das wir an uns selbst anlegen, wenn es um Geld geht. Das Maß, das von unseren Ansprüchen geprägt ist, von finanziellen Nöten, vom Versorgerprinzip und von dem, was unsere Mütter uns vorgebetet haben. Das ist das eine. Die andere Schwierigkeit liegt auch in dem Maß, nach dem wir andere Frauen beurteilen. In der Tat finden es die meisten von uns entweder insgeheim oder offiziell immer noch super, mitunter beruhigend, wenn der Mann den größeren Teil des Geldes nach Hause schleppt.
Nicht eben wenige stehen offen dazu, dass ihnen kein Zacken aus der Emanzipationskrone bricht, wenn beim Geld die klassische Rollenverteilung herrscht. Dann wären da noch die Frauen, die ganz offen bekennen, dass sie auf Männer mit Geld und Macht stehen. Dass bei ihnen die Liebe nur auf goldenen Boden fällt – und dass sie es leid sind, wenn sich der Angebetete keinen Restaurantbesuch leisten kann, weil die Auftragslage gerade dünn ist. Zack – wird der Mann aussortiert. Na ja, meist kommt es gar nicht erst so weit, weil die Männer schon in der ersten Liebesrunde aus dem Rennen fliegen: sogenanntes „Down-Dating“ mit einem Mann aus einer unteren finanziellen Schicht? Undenkbar. Ist das nun verwerflich? Verständlich? Oder beides? Da beschleicht einen schon die Frage, ob wir uns am Ende etwa zu schade sind für Männer mit weniger Geld ...
Geradezu erfreulich kommt da das Ergebnis der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gewis im Auftrag der PETRA daher: 41 Prozent der befragten Frauen zwischen 29 und 39 Jahren würden eine Beziehung mit einem Mann eingehen, der deutlich weniger verdient als sie. Mitnichten eine schlechte Zahl – die doch belegt, dass sich da etwas in unseren Köpfen bewegt. Bei der Frage nach den Konten kam heraus: Drei von vier Frauen heißen es gut, wenn jeder sein eigenes Geld behält. In 47 Prozent der Fälle bezahlt der Mann mehr, ein Viertel teilt seine Kosten fifty-fifty, bei den übrigen 28 Prozent zahlt sie die meisten Rechnungen.
Die Frau als Hauptverdienerin
Die Gleichstellungsexpertin und Professorinan der Uni Duisburg-Essen Ute Klammer veröffentlichte kürzlich eine Untersuchung über Hauptverdienerinnen. Sie sagt: „Es gibt eine kleine Gruppe von Frauen, die kein bisschen unter einer solchen Rolle leidet. Zum Beispiel, wenn beide eine gute Ausbildung vorweisen können und sie irgendwann einen Karrieresprung macht, mit dem sie ihn überholt.“ Gar nicht gut finden Frauen es dagegen, wenn sie unfreiwillig in die Rolle der Ernährerin rutschen, etwa weil ihr Mann arbeitslos wurde. Dennoch: Die Veränderung wird spürbar. „Inzwischen kennt fast jeder ein Paar, das eine ungewöhnliche Rollenverteilung lebt und damit sehr glücklich ist“, sagt der Paartherapeut Stefan Woinoff aus München. Es darf wie gesagt nicht darum gehen, systematisch Männer auszusortieren, die uns keine Altbauwohnung in Schwabing kaufen können und keine Jacht in Saint-Tropez. Abgesehen davon macht die Reiche-Prinz-Nummer erfahrungsgemäß unglücklich.
Die sogenannten gut versorgten, besonders verwöhnten Frauen scheinen leider auch oft besonders traurig zu sein. Vielleicht fühlt man sich innerlich leer, wenn man ständig mit vollen Händen das Geld eines anderen ausgibt, auf die Dauer ein entwürdigender Zustand. Wie erfüllend dagegen ist es, sich vom eigenen, selbst verdienten Geld das irrational teure Paar Schuhe zu kaufen! Nein, wir brauchen keinen Mann, der uns alles zahlt und uns ein scheinbar sorgloses Leben in unbegrenztem Luxus kredenzt. Dahinter steckt ja die Illusion, von der Last der Eigenverantwortung erlöst zu werden. Aber wehe, wenn die erst mal futsch ist – zumal sie sich so manches Mal schneller zurückmeldet, als es einem lieb sein kann.
Der vergebliche Wunsch nach Absicherung in einer unsteten Welt
Denn wer verspricht uns, dass sich sein sexy Start-up nicht demnächst in einen Haufen Schulden verwandelt? Und im Arbeitsleben wechseln sich ohnehin zunehmend Phasen von Festanstellung, Selbstständigkeit und Zwischenlösungen ab. Es existiert überhaupt keine Garantie, dass für alle Zeiten die gleichen Geldquellen sprudeln. Der erfolglose Drehbuchautor verdient vielleicht in zwei Jahren das große Geld, während unser eigener Arbeitgeber insolvent wird. Alles scheint möglich: dass sich Rollen plötzlich und unfrei willig umkehren, dass einer von beiden schwer erkrankt, dass einer plötzlich eine tolle Karrierechance bekommt – und leider, leider auch, dass die Liebe geht. Selbst geschiedene Frauen müssen nach dem neuen Scheidungsrecht schnell wieder für ihren eigenen Unterhalt sorgen. Keine gute Idee also, sich auf den Prinzen mit dem dicken Bankkonto zu verlassen. Wer will das auch schon? Was wir lieber wollen: uns ab und an zurücklehnen, in einem schönen Restaurant sitzen und genießen. Egal, ob er zahlt oder wir. Und irgendwann wird der Kellner immer die Rechnung in die Mitte legen. Wortlos. Wäre doch eine geradezu romantische Vorstellung, oder?