Die neue Weiblichkeit

Die neue Weiblichkeit

Während in der Politik gerade mal wieder die Diskussion über eine Frauenquote hochkocht, rollen wir mit den Augen. Warum? Weil wir längst einen Schritt weiter sind. Wir leben unsere Freiheit.

Die neue Weiblicheit© iStockphoto
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Obwohl es regelmäßig passiert, ist es doch immer wieder schön, wenn mein Freund mich nach einer Dienstreise vom Flughafen abholt. Ich mag es, am Zoll vorbei auf dieses strahlende Gesicht zuzugehen. Was ich nicht mag, ist das, was meist danach kommt. Enthusiastisch brabbelnd läuft er vor mir her und lässt mich meinen Koffer bis zum Auto selber ziehen. Gut, der Trolley hat Rollen, und es ist ebenerdig. Aber auf den Stufen hinauf zu unserer Wohnung hört der Spaß auf. Ich blicke erwartungsvoll zu ihm, doch nichts tut sich. Und wenn ich nölend am Treppenabsatz stehen bleibe, schallt mir aus dem ersten Stock nur ein „Ich denke, du bist emanzipiert und kannst alles allein!“ entgegen.

Mann! Ja, natürlich bin ich emanzipiert. Schließlich bin ich mit der Überzeugung aufgewachsen, dass alle Menschen gleich sind. Übrigens nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Italiener, Afrikaner, Eskimos. Aber an dieser Überzeugung sind mir im Laufe der Jahre ein paar winzige Haken aufgefallen: Muskeln, Brüste, Hormone. Ich kann tun, was ich will, aber meine Arme werden immer etwas dünner bleiben als die von meinem Freund. Und nur, weil ich acht Jahre geboxt habe, darf ich ja trotzdem wohl mal schwach sein oder zumindest so tun. Das ist die neue Weiblichkeit und meiner Meinung nach nämlich das Tolle am Frausein: alle Möglichkeiten zu haben. Ich kann Managerin werden, wenn mir nach Karriere ist, oder mich als Hausfrau liebend um meine Familie kümmern.

Um Gottes willen - Hausfrau?! Nicht das böse Wort! Wir haben doch nicht unsere BHs verbrannt und die Haare unter den Armen sprießen lassen, um am Herd zu stehen, oder? Doch! Haben wir! Wir haben dafür gekämpft, dass Frauen sich vorurteilsfrei selbstverwirklichen können. Egal wie, egal womit. Manchen mag es nicht schmecken, dass die Mehrheit der Frauen nach wie vor nicht an die Firmenspitze drängt, sondern einen ruhigen Job bevorzugt, in dem man nicht stündlich seine Ellenbogen ausfahren muss. Aber wer hat denn gesagt, dass auf die große Freiheit die unbändige Lust an der Macht folgt?

Gut, mit der Gleichstellung in unserem Land läuft es nicht an allen Stellen rund. Die Vorstände deutscher Großkonzerne sind nur zu 2,5 Prozent mit weiblichen Führungskräften besetzt. Außerdem verdienen viele Frauen noch immer 30 Prozent weniger als Männer – trotz gleicher Ausbildung und Qualifikation. Und von diesen Kerlen sehnt sich auch noch über die Hälfte nach den alten Werten der 50erund 60er-Jahre zurück. Solche Zahlen sind beunruhigend. Genau wie die Tatsache, dass man als Frau von etlichen Chefs und männlichen Kollegen belächelt wird, nur weil man gern Kleider trägt, seine Lippen schminkt oder einfach nur Brüste hat. Doch weit schwerer als jene Herren machen es einem die Damen, die Emanzipation mit Männerhass und betonter äußerer Vernachlässigung gleichsetzen.

Sie alle wollen nicht akzeptieren, dass sich die Zeiten längst geändert haben. Die Mädchen und jungen Frauen von heute haben es nicht mehr nötig zu protestieren. Und wenn, dann höchstens gegen die ewig Gestrigen, die gar nicht erkennen möchten, dass ihre Vorstellungen mittlerweile genauso überholt sind, wie die Werte, gegen die sie vor 40 Jahren auf die Straße gegangen sind. Würden sie einmal genauer hinsehen, so würden sie feststellen, dass momentan genau das passiert, wofür Alice Schwarzer und ihre Mitstreiterinnen gekämpft haben. Zwei Drittel aller Teilnehmer an internationalen Austauschprogrammen von Schulen und Universitäten sind weiblich. Und auch das weibliche Interesse an Naturwissenschaften wächst. Im Fach Biologie werden 60 Prozent der Abschlussprüfungen von Studentinnen abgelegt, in Mathematik sind es 54 Prozent. Und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung prognostiziert, dass junge Frauen künftig immer weiter und deutlicher aufholen werden. Das alles geschieht nicht über Nacht, aber es geschieht.


Frauen von heute setzen sich permanent mit ihrer Rolle und ihrer Vergangenheit auseinander – mal kritisch, mal bewundernd. Und sie entwickeln daraus ihre ganz eigenen Herangehensweisen, die niemand verurteilen sollte, nur weil sie sich neben der Karriere auch noch eine funktionierende Partnerschaft und Kinder wünschen. Sie versuchen, eine Gesellschaft zu kreieren, in der sie sich wohlfühlen. Daran ist nichts verwerflich, da es nicht bedeutet, dass sie träge werden. Sie begegnen ihren Problemen lediglich mit einer größeren Selbstverständlichkeit und kommen so zu anderen und gelegentlich auch ungewöhnlichen Lösungen.

Selbst die „Feuchtgebiete“-Ansätze einer Charlotte Roche haben sich irgendwie schon selbst überholt. Eigentlich stört sich an obszönen Frauen nur noch die Generation derer, die beim Sex seit eh und je das Licht ausmacht. Für junge Frauen ist es normal, offen über ihren Körper und ihre Bedürfnisse zu reden. Männer, die damit nicht klarkommen, können einpacken. Warum? Weil wir uns schon lange nicht mehr über den Kerl an unserer Seite definieren. Wir können selbst cool, erfolgreich und stark sein. Okay, ein interessanter Typ schadet auch nicht. Aber nur, weil mit ihm der Gedankenaustausch so herrlich anregend ist? Nö. Klar soll er eine Granate sein. Sind wir doch schließlich auch!

Überhaupt ist es kein Widerspruch, emanzipiert und sexy zu sein. Es gibt nun mal Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die sich bei aller Mühe nicht wegdiskutieren lassen. Und ehrlich gesagt, ist das auch gut so! Ich mag es, mich weiblich zu fühlen. Und, ja, ich mag es verdammt noch mal auch, wenn mir auf der Straße jemand hinterherpfeift oder ein Mann mir Komplimente macht. Und zwar nicht, weil ich mich über die Wahrnehmung von außen definiere, sondern einfach, weil es sich genauso schön anfühlt, für seine Erscheinung wie auch für seine Leistungen Anerkennung zu bekommen.


Eine Frau wird nicht zur Barbiepuppe, nur weil sie als Kind mit solchen gespielt hat. Genauso wenig verliert sie ihre Fähigkeit, zu denken, wenn sie zum Lidstrich ansetzt. Und um noch ein Geheimnis zu verraten: Auch Frauen bekommen beim Anblick schöner Männer unanständige Gedanken. Egal, ob die Herren über eine Kinoleinwand flimmern oder uns in einem Meeting gegenübersitzen. Also sollten wir uns locker machen und unseren männlichen Mitmenschen die gleichen Rechte und Fantasien zugestehen.

Es ist mit dem Feminismus wie mit so vielen Dingen im Leben. Er verändert sich. Und wie bei allen Dingen, die sich verändern, werden sich die, die ihn noch von früher kennen, immer ein bisschen nach den guten alten Zeiten sehnen. Sie werden sich über die Jungen empören, die sich so schamlos verhalten, und das Althergebrachte völlig ignorieren.

Eine Feministin zu sein heißt nicht, Männern ihren Erfolg nicht zu gönnen. Vielmehr geht es darum, an sich selbst und seine Möglichkeiten zu glauben. Jeder soll seine Talente und Ideen leben dürfen. Ob Mann oder Frau. Und ganz egal, ob uns das auf den Chefsessel oder auf die Parkbank am Kinderspielplatz bringt.

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