
Zivilcourage? Fehlanzeige
Dieser Thriller zeichnet einen unglaublichen Fall nach: 1964 wird Kitty Genovese in New York ermordet. Mindestens 38 Menschen sind Zeugen der Tat, aber niemand hilft der jungen Frau. Bystander-Effekt nennen die Experten später dieses Versagen. Ryan David Jahn hat aus den drastischen Ereignissen ein super-spannendes Lehrstück über Zivilcourage und menschliche Psyche gemacht, das in der heutigen Zeit aktueller denn je ist.
Ryan David Jahn: „Ein Akt der Gewalt“, Heyne, 272 S., 19,90 €

Am Rande der Gesellschaft
Über den US-Kriegsveteranen, der jahrelang mit seiner Teenager-Tochter in einem Stadtwald lebte, erschienen 2004 einige Artikel. Den Autor Peter Rock haben sie zu einem Roman über zwei Menschen inspiriert, die für Freiheit jeden Preis zahlen, aber alles andere sind als lässige Hippies. Ein atemberaubendes Buch über Sehnsucht und die Grenzen der Zivilisation.
Peter Rock: „Meine Wildnis“, Dumont, 252 S., 19,90 €

Zwischen Schule und Bordell
Tagsüber geht sie zur Schule, abends wird sie zur Edelhure, um die Schulden ihres Vaters zu bezahlen: Jamuna Devis Doppelleben hört sich nach Seifenoper an, ist aber ein klasse Mix aus Schicksal, Poesie und Alltag.
Jamuna Devi: „Jamuna“, Eichborn, 154 S., 14,95 €

Die Hacker-Revolution
Diese Story hat alles, was ein Drama braucht: Macht, Geld, Verrat. Sie erzählt von den Hackern, die ab Ende der 80er-Jahre die Computersysteme von Banken und Regierungen knacken. Mit dabei: Wikileaks-Chef Julian Assange, der schon damals die Geheimnisse der Mächtigen transparent machen wollte. Echt brisanter Stoff!
S. Dreyfus, J. Assange: „Underground“, Haffmans & Tolkemitt, 608 S., 24,90 €

Das Opfer spricht
Mit sieben Jahren wird Margaux die Geliebte von Peter. Der ist damals 51 und nimmt sich mit 66 das Leben – da ist seine „Freundin“ 22. So weit die Fakten dieses unfassbaren Missbrauchs, den die Schriftstellerin erlebt hat und kunstvoll zum Roman verarbeitete. Sicher hat sie dafür manche Szenen ausgeschmückt, was allerdings nichts an der Wirkung ihres Textes ändert: Fragoso erzählt authentisch, poetisch und vor allem extrem verstörend, da sie die Grenze zwischen Täter und Opfer immer wieder verwischt.
Margaux Fragoso: „Tiger Tiger“, Frankfurter Verlagsanstalt, 440 S., 24,90 €

Jung, ehrgeizig – und am Ende
Sie fühlte sich wie ein eingeschlafener Arm, als ihre Mutter sie ins Auto packte und in eine Psycho-Klinik brachte: Milena ist jung, ehrgeizig und völlig am Ende, als sie zusammenklappt und „bei den Verrückten“ landet: Ihre Zimmerkollegin Clara hat Bulimie, Katharina Depressionen. Das ist nicht witzig, aber in diesem Debüt klingt es manchmal so leicht und absurd, dass man zwischen Momenten des Mitleids immer wieder lachen muss. Die Story überzeugt auf ganzer Linie, was daran liegen dürfte, dass Eva Lohmann, Hamburger Werbetexterin und Inneneinrichterin, ihre eigene Geschichte niedergeschrieben hat.
Eva Lohmann: „8 Wochen verrückt“, Piper, 208 S., 16,95 €