MS: Krankheit mit unsichtbaren Symptomen

Krankheit mit unsichtbaren Symptomen

Sie kann nur noch mithilfe eines Gehstocks laufen, das Sprechen fällt ihr schwer. Die Rede ist nicht von einer gebrechlichen alten Frau. Es geht um Selma Blair, 46 Jahre alt, Schauspielerin. Die Mutter eines Sohnes leidet an Multiple Sklerose (MS) und macht die Krankheit für andere sichtbar. 

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Die Erkrankung Multiple Sklerose

Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft. Rund 200.000 Menschen in Deutschland leben mit Multiple Sklerose, 70 Prozent von ihnen sind Frauen. „Der Körper reagiert bei MS mit einer Abwehrreaktion gegen eigenes Nervengewebe“, erklärt der Neurologe Professor Herbert Schreiber (62) von der Neurologischen Praxis Ulm.

Die Nervenzellen werden bei MS nach und nach zerstört. Ihre Fähigkeit, elektrische Impulse weiterzuleiten, geht immer weiter verloren. Das Problem: Die Schädigungen an Gehirn oder Rückenmark sind irreparabel.

Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser lässt sich der Verlauf beeinflussen. Das Problem: MS gilt auch als „Krankheit mit den tausend Gesichtern“. „Sie verläuft bei jedem Betroffenen anders“, weiß Professor Schreiber. Vor allem im Anfangsstadium lässt sich die Krankheit deshalb nur schwer diagnostizieren.

Das Motto zum diesjährigen Welt-MS-Tag am 30. Mai lautet deshalb auch: „Keiner sieht’s. Eine spürt’s. MS – vieles ist unsichtbar“.

Bewegungseinschränkungen und Sprachstörungen

Experten wie Professor Schreiber kennen die typischen Warnsignale: „Dazu gehören eine Entzündung der Sehnerven mit vorübergehenden Sehstörungen“, so der Neurologe. „Oder es kommt zu Lähmungen, etwa in den Beinen oder Armen, und zu begleitenden Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühl.“


Sind bestimmte Areale im Gehirn befallen, kann das auch zu Sprachstörungen führen – so wie bei Selma Blair. Die „Eiskalte Engel“-Darstellerin gibt trotz oder gerade wegen ihrer Beeinträchtigungen Interviews und postet auf ihrem Instagram-Account Bilder von ihrem Alltag mit MS, darunter sind schöne wie auch weniger schöne Momente.

Unsichtbare Symptome bei Multipler Sklerose

Darüber hinaus gibt es „unsichtbare Symptome“, die die Betroffenen als besonders belastend erleben. Zwischen 45 und 65 Prozent der MS-Patienten sind von kognitiven Defiziten betroffen: „Mit Kognition sind alle Fähigkeiten gemeint, die mit Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Denken, Planen und Erinnern zu tun haben und die oft unbewusst im Gehirn ablaufen, also ohne dass wir sie merken“, erläutert Professor Schreiber.

Weil das Gehirn versucht, Defizite auszugleichen, läuft es auf Hochtouren. „MS-Patienten leiden dadurch unter Konzentrationsproblemen, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen.“ Sie sind extrem müde und können nicht mehr lange zuhören, schweifen im Gespräch immer wieder ab oder wirken auf Außenstehende fahrig. Mit gezielten Therapiemaßnahmen lassen sich kognitive Störungen aufhalten oder zumindest begrenzen.

Sozialer Rückhalt ist wichtig für MS-Patienten

Mindestens genauso wichtig für die Betroffenen ist sozialer Rückhalt: Freunde und Familie sollten Geduld, Verständnis und Rücksicht für die Leiden der Patienten aufbringen. Selma Blair kann sich beispielsweise auf Sarah Michelle Gellar (40) verlassen: Beide verbindet seit dem gemeinsamen Dreh zu „Eiskalte Engel“ eine tiefe Freundschaft. Erst kürzlich schob Gellar ihre Freundin Selma im Rollstuhl durch Disneyland – vor 21 Jahren waren beide schon einmal dort.

Betroffene sollten zudem den Arbeitgeber über ihre Erkrankung informieren: „MS-Kranke empfinden schneller Stress“, so Professor Schreiber. „Sie sind oft nicht in der Lage, mehrere Aufgaben parallel, genau und mit einem hohen Arbeitstempo zu bewältigen.“ Es ist daher wichtig, dass MS-Patienten in ihrem Berufsalltag die Möglichkeit bekommen, regelmäßig Pausen einzulegen und Kraft zu tanken.

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