
Krise, Rücklagen bilden, sparen: Eigentlich kann ich das alles nicht mehr hören. Und verstehen auch nur zum Teil, denn gleichzeitig heißt es: Nur der private Konsum kann die Wirtschaft wieder ankurbeln. Ja, was denn nun? Knausern bis zum Zähneknirschen – oder shoppen für die Welt?
Genervt von den Debatten und abenteuerlustig wie es meiner Natur entspricht, entschließe ich mich zu einem Experiment: dreimal Geld ausgeben – und jedes Mal versuchen, mindestens 30 Prozent Rabatt zu ergattern. Mutprobe total, denn Feilschen ist neu für mich.
Es gibt Worte, die mir noch nie über die Lippen gekommen sind. „Haben Sie dieses Teil auch in Größe XS?“, zum Beispiel. Oder: Kann man am Preis noch was machen?“ Allein bei dem Gedanken werde ich rot. Mein Shopping-Prinzip bisher: reingehen, aussuchen, bezahlen, tschüs. Die Dinge haben ihren Preis, der Verkäufer seine Provision – und ich ein reines Gewissen. Aber man hört ja immer wieder diese neiderfüllenden Geschichten über Leute, die niemals das hinblättern, was auf dem Preisschild steht – weil sie hartnäckig handeln...

Im Friseursalon
„Aller Anfang ist schwer. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ Kluge Sprüche, aber da ist was dran. Ich starte lieber klein und auf vertrautem Terrain: Ich muss mal wieder zum Friseur. Die Friseurin meines Vertrauens weiß genau, wie ich die Haare haben will. Sie weiß aber eben auch ganz genau, wieviel ich sonst immer dafür bezahle. Ich gebe mich vergesslich. „Was kostet das noch mal gleich?“, frage ich beiläufig, noch bevor ich überhaupt meine Jacke abgelegt habe. „20 Euro“, sagt sie – und ich überlege ernsthaft, das Projekt abzubrechen. Was sind noch mal 30 Prozent von 20 Euro? Lächerlich – denke ich.
Sagen höre ich mich: „Ganz schön viel Geld in Zeiten der Wirtschaftskrise.“ Die Friseurin guckt mich an, als hätte ich einen dreckigen Witz über ihre Oma gemacht. Trotzdem sprudeln sie ungebremst aus meinem Mund, die bisher unaussprechlichen Worte: „Kann man da am Preis noch was machen?“Ich schäme mich, das Blut puckert in meinem Kopf. Die Friseurin starrt mich immer noch an. Ich rechne damit, dass siemich gleich aus dem Laden wirft und mir lebenslanges Hausverbot erteilt. 21..., 22..., 23... Endlich sagt sie: „Im Preis kann ich nicht runtergehen. Aber ich kann dir eine Haarkur dazugeben. Du bist ja schließlich Stammkundin.“
Ich checke die Preisliste und rechne: Vier Euro kostet eine Kur normalerweise. So nehme ich also einen Rabatt von 20 Prozent mit – und glänzende Haare.

Im Baumarkt
Mein zweiter Versuch führt mich in die Tiefen einer echten Männer-Domäne: der Baumarkt. Mein Vater hat sich angekündigt, um endlich mein neues Küchenregal anzubringen. „Mäusi, du hast doch sicher eine Bohrmaschine, nicht?“, fragt er am Telefon. „Klar“, lüge ich weltmännisch und krame hektisch den Baumarkt-Prospekt vom Wochenende heraus. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass mir Feilschen dort sogar gefallen könnte – schließlich wehrt sich mein ganzes Ich dagegen, viel Geld für etwas auszugeben, das man nicht anziehen kann.
Der Verkäufer zeigt mir drei Geräte, die alle gleich aussehen, aber im Preis ziemlich unterschiedlich sind. Welches er mir empfehlen könne, will ich wissen. Das mittlere Preissegment, sagt er. Zeit für meinen Auftritt: „Sie wissen ja sicher, dass ein Konkurrenzunternehmen 20 Prozent auf alles außer Tiernahrung gibt, oder? Was bekomme ich denn von Ihnen, wenn ich hier einkaufe?“ Er zögert – ich lege nach: „Immerhin brauche ich dazu noch jemanden, der die Löcher in die Wände bohrt. Das kostet ja auch noch mal was.“ Zwar ist mir selbst nicht ganz klar, warum mein Gegenüber sich für meine handwerkliche Unfähigkeit interessieren sollte – aber Mitleid zieht angeblich immer. Und tatsächlich: „Ich gebe Ihnen die Maschine für 35 Euro“, sagt der Mann.
35 statt 49,99 Euro – genau 30 Prozent! Ich erhalte einen Rabatt-Zettel für die Kasse. „Tiefpreisgarantie“ steht da drauf. So leicht bekommt man „Tiefpreise garantiert“? Ein Kinderspiel.

In der Designer-Boutique
Mit frischem Haarschnitt, Bohrmaschine und viel Selbstvertrauen im Gepäck wage ich mich nun in ein sehr nobles Mode-Geschäft. Es ist einer dieser Läden, in denen nur drei Kleidungsstücke hängen und weniger Kundinnen da sind, als Verkäuferinnen herumstehen. Kaum bin ich durch die Tür, heftet sich eine von ihnen an meine Fersen und mustert mich, als würde ich Kleidung aus dem Container tragen. Mein Blick bleibt an einer braunen Ledertasche hängen. 1.550 Euro wären dafür fällig. Kann ich die Verfolgerin, äh, Verkäuferin wirklich um 450 Euro runterhandeln?
„So eine schöne Tasche!“, schwärme ich. Sie nickt eifrig. „Aber leider kann ich mir die für so viel Geld nicht leisten.“ Die Verkäuferin nickt wieder, als wolle sie betonen, dass ihr das von Anfang an klar war. Doch ich lasse mich nicht entmutigen. „Der Preis ist doch bestimmt verhandelbar?“ Sie spitzt die Lippen: „Rabatte gibt es nur im Schlussverkauf. Tut mir leid.“ Vielleicht hat sie das „Tut mir leid“ nicht mal gesagt, ich höre gar nicht mehr richtig hin, will nur noch raus aus diesem Laden. Immerhin: Ihre Kollegin hält mir noch die Tür auf. Ich schlendere in den Coffee-Shop, bestelle einen Cappuccino und zögere: Muss ich die Nummer hier etwa auch durchziehen? Ich entscheide mich dagegen.
VIER RABATT-TRICKS
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Gute Zeit wählen
Am Samstag in der angesagten Innenstadt-Boutique handeln wollen – vergessen Sie’s. Der Laden ist voll, das Personal schlecht gelaunt: Sie haben keine Chance. Besser gelingt es an einem ruhigen Vormittag, an dem das Personal sehnsüchtig auf Kundschaft wartet. -
Verkäufer einlullen
Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Statt über die Preise zu meckern und die Ware zu bemäkeln, sollten Sie den Service loben. Er oder sie ist auch nur ein Mensch – und mit etwas Geschick leicht weich zu kochen. -
Souveräner Auftritt
Ganz einfach: Wenn Sie in der Edel-Boutique ernstgenommen werden wollen, kreuzen Sie nicht mit dem Taschen-Imitat aus Thailand dort auf. Wenn Sie ein Auto kaufen wollen, lassen Sie das Kleinmädchen-Kleid im Schrank. Und so weiter... -
Nicht übertreiben
Wer gleich 50 Prozent fordert, hat schon verloren – und wird als verträumt oder dummdreist belächelt. 10 bis 15 Prozent sind eine gute Marke für Einsteiger. Oder fragen Sie wenigstens nach Extra-Goodies, etwa einem Speicherchip für die Digitalkamera.
Weder 15 Euro noch eine Gratis-Haarkur waren die paar Sekundenwert, in denen ich mich wie der geizigste Mensch der Welt fühlte. Alles hat eben seinen Preis – und ich habe jetzt wieder meine Ruhe.