Relax Baby

Relax Baby

Stress gab es in letzter Zeit mehr als genug, oder? Ab sofort atmen wir tief durch und freuen uns: Experten sind sich zunehmend darüber einig, dass es für Fitness, Figur und Erfolg mehr bringt, wenn man sich nicht zu sehr anstrengt.

Frau entspannen© Pixland/Thinkstock
Frau entspannen

Keine Atempause. Aufstehen, joggen, Dusche, Haare sitzen nicht, Mist. Wäsche aufhängen, ab ins Büro, volle Kraft voraus, zwischendurch auf Facebook etwas Lustiges posten und abends zum Pilates – stopp! Wieso glauben wir eigentlich, dass man nur glücklich, schlank und erfolgreich wird, wenn man sich selbst wie einen Feldwebel durchs Leben peitscht? Weil wir es so gelernt haben! Und jetzt kommt die richtig gute Nachricht: Vergessen Sie es. Wir fragten sieben Experten aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen – und alle sagten einhellig: Mit weniger Anstrengung kommen wir faktisch viel weiter.

YOGA- Der Ruf der Mitte

Auf dem Rücken liegen, tief durchatmen, langsam eine Tasse Tee trinken –davon kommt man langfristig dem Wunschgewicht näher? Ja, sagt Gabriele Gaßmann, die in ihrem Stuttgarter „Urbanyoga“-Studio gemeinsam mit der Ernährungswissenschaftlerin Maike Ehrlichmann regelmäßig Workshopsüber ehrlichen Appetit und wahren Hunger gibt. „Mit Yoga übt man sich in Achtsamkeit, und das wirkt sich auf das Essen aus.“ Es gibt bei ihr zwar auch die anstrengenden Asanas (Körperübungen), aber die sind nicht alles. „Man lernt, intensiver zu empfinden. Hat man wirklich Hunger oder isst man nur aus Gewohnheit? Solche Automatismen kann man sich mit Yoga abgewöhnen.“ Pauschale Ernährungsregeln werden in den Workshops nicht vermittelt. „Der häufig verwendete Begriff ,Bauchgefühl‘ hat eine echte Bedeutung. Jeder Mensch verfügt über individuelle Bedürfnisse, die ihm der Körper signalisiert. Diesen intuitiven Appetit wieder besser wahrzunehmen, ist unser Ziel.“ Hat man den Kontakt zum inneren Coach verloren, heißt die Lösung: Ausgeglichenheit finden. Gaßmanns Tipp für eine – scheinbar – einfache Meditation, die die Balance fördert: eine Tasse Tee vom ersten bis zum letzten Schluck konzentriert trinken, genau nachspüren, wie sich die Flüssigkeit anfühlt. „So eine bewusste Entspannung als Bremse gegen Stress ist wichtig und kann ein erster Schritt gegen automatisches Essen sein.“

ESSEN- Satt, Happy, Schlank

Frauen und Essen. Ein Thema, zu dem wahrscheinlich schon alles gesagt wurde. Wir wiederholen also nur ganz kurz: Um langfristig abzunehmen, führt kein Weg an einer kalorienarmen Ernährung mit Gemüse & Co vorbei. Aber: Ein Schwarz-Weiß-Denken, das alles andere verteufelt, hilft indes wenig. „Manchmal brauchen wir einfach Schokolade oder ein Glas Wein“, weiß Marina Berté, die als Weight- Watchers-Trainerin seit zehn Jahren Menschen auf dem Weg zur Traumfigur begleitet. „Wer sich so etwas generell verbietet, ist zum Scheitern verurteilt.“ Langfristig erfolgreich, sagt sie, sind Kunden, die ihre Ernährungsgewohnheiten dauerhaft umstellen und sich trotzdem manchmal etwas gönnen. „Das Problem ist nicht das Hinfallen, sondern das Liegenbleiben. Von einem Restaurantbesuch beim Griechen nimmt niemand zu.“ Yippie! Wir dürfen 2013 entspannt Abende mit Freunden, Gyros und Retsina genießen. Nur eben nicht danach in einen Jetzt-ist-ja-alles-egal- Modus fallen und sich wieder auf jeden Keks in der Umgebung stürzen.

PSYCHOLOGIE- Das Lob der Pause

Der Tag war hart, man legt sich abends in die Wanne – und grübelt weiter. Wann kommt das Auto in die Werkstatt, wie sieht die beste Gliederung für die Präsentation morgen aus, wieso hat einen die Chefin nicht gegrüßt, als ... Es reicht! Die To-do-Liste mit in die Wanne zu nehmen, ist nicht fleißig, sondern kontraproduktiv. „Wenn man an eine Aufgabe oder eine mögliche Unterbrechung denkt, bleibt der Körper in einer physiologischen Reaktionsbereitschaft“, sagt die Psychologin Mareile Opwis, die in dem Testinstitut Psyrecon unter anderem die Wirkung von Entspannungsbädern wissenschaftlich erforscht. „Dieses Verhalten verhindert echte Erholung.“ Mit anderen Worten: Der Mensch muss entspannen, um leistungsfähig zu bleiben. Grübeleien halten ihn davon ab. Wer wirklich regenerieren will, muss Auszeiten bewusst zulassen. Am Beispiel Badewanne heißt das: Tür abschließen, Ärger aus dem Kopf verbannen und sich nur auf das Wasser konzentrieren. Sich auf diese Weise kurzfristig immun gegen allen Stress zu schützen, lässt sich sogar trainieren. „Wenn man einmal die Erfahrung gemacht hat, sich in der Badewanne zu entspannen, fällt es beim nächsten Mal leichter.“ Mit dem Feldwebel in uns kann man ja einen Deal machen: Lässt du mich jetzt in Ruhe, dann kann ich morgen mehr leisten.

BEWEGUNG- Nebenbei fit

Für das Gewissen ist die Mitgliedschaft im Sportclub ein schöner Start. Dem Körper wäre es lieb, wenn man dann auch tatsächlich hinginge. Doch was tun, wenn die Zeit nicht reicht? Die klassischen Reaktionen: A. Schlechtes Gewissen bekommen. B. Gründlich über sich selbst ärgern. C. Für den nächsten Monat optimistisch (man könnte auch sagen: naiv) wöchentlich drei statt zwei Besuche planen. Das muss alles nicht sein, sagt Professor Wilfried Banzer, Gesundheitsbeauftragter des Deutschen Olympischen Sportbundes. „Wer sich im Alltag konsequent mehr bewegt, kann dadurch ähnliche Effekte erzielen wie beim Training im Fitnessstudio.“ Klar, Treppe statt Fahrstuhl, das haben wir alle schon gehört. Banzer kennt aber mehr Beispiele: im Stehen telefonieren, vom Stuhl aufstehen, ohne sich mit den Händen abzustützen, möglichst viele Wege (und seien sie noch so kurz) zu Fuß erledigen. Zum Beispiel persönlich zum Kollegen ins Büro zu gehen, anstatt eine Mail zu schicken. „Auf die Woche gesehen lassen sich so zusätzlich 3000 Kilokalorien umsetzen.“ Und das ganz entspannt und ohne Stress.

BODYSHAPE- Ciao, Waage!

Klar, wir hätten alle am liebsten die Taille von Dita Von Teese, das Dekolleté von Salma Hayek und die Beine von Cameron Diaz. Aber ganz ehrlich: Wir ahnen, dass daraus nichts wird. Statt einem unerreichbaren Traumkörper nachzutrauern, tun wir gut daran, unseren echten Körper wertzuschätzen. Wir haben schließlich nur den einen. Gerade Frauen mit weiblichen Rundungen tun sich einen großen Gefallen, nicht zu viel Zeit mit ihrer Waage und Gewichtstabellen zu verbringen. Und: Sie können mit einem BMI über 25 kerngesund sein, das hat die Ludwig-Maximilians-Universität in einer Studie mit 11.000 Teilnehmern bewiesen. Das Ergebnis: Für die Gesundheit eines Menschen zählt vor allem das Verhältnis von Taille zu Größe (heißt „WHtR“- Wert für „Waist to Height Ratio“). Warum dieser Wert so wichtig ist, weiß Studienleiter Dr. Harald Schneider: „Fett im Bauch anzusammeln, ist gefährlich. Von Fett unter der Haut, etwa am Gesäß oder in den Beinen, geht kein großes Gesundheitsrisiko aus.“ Wer bei der Rechnung „Taillenumfang durch Körpergröße“ auf unter 0,5 kommt, kann tief durchatmen und genau wie die kurvige Schauspielerin Christina Hendricks sexy und entspannt auf den BMI pfeifen. Das ist in jeder Hinsicht gesund.

SPORT- Pausen gehören zum Training

Herrlich! Auf dem Sofa liegen, Teechentrinken und sich gewiss sein, dass man gerade effizientes Fitnesstraining betreibt. Klingt, als habe da jemand die falschen Pillen genommen, ist aber aus bewegungsmedizinischer Sicht realistisch. „Bei jeder körperlichen Arbeitentstehen Stoffwechselprodukte, sogenannte Metabolite – dazu gehört zum Beispiel Laktat“, erklärt Prof. Andrea Morgner-Miehlke, Ärztliche Direktorin im Hamburger Gesundheitszentrum Lanserhof. „Die müssen abgebaut werden, sonst sinkt die Leistung des Körpers.“ Gerade bei Hobbysportlern fallen Metabolite schneller an und können schlechter und langsamer abgebaut werden. „Dieser Abbau findet jedoch nur im Ruhezustand statt, deshalb sind alte Weisheiten wie ,Viel bringt viel‘ oder ,Nopain, no gain‘ überholt“, sagt die Ärztin. Zu kurze Regenerationsphasen und der Glaube, dass der Weihnachtsspeck am schnellsten schmilzt, wenn man sich maximal verausgabt, führen zu sogenanntem Übertraining. Das fördert weder Fettverbrennung noch Fitness, sondern kann Leistungsabfall, Schlafstörungen und Unzufriedenheit verursachen. Clever trainieren heißt, den Körper im Maßen zu fordern und ihm danach Zeit für die Stoffwechselarbeit zu lassen. Das Team von Morgner-Miehlke verordnet den Kunden deshalb nicht nur Trainingseinheiten, sondern manchmal auch eine Pause.

JOB- Lässig erfolgreich

Schon morgens beim ersten Kaffee dem Chef seufzend von Mega-Stress berichten, alle Aufgaben an sich reißen und jede Kleinigkeit gleich erledigen wollen? Viel Spaß ist da nicht in Sicht, viel Erfolg auch nicht: In Hamsterrädern entsteht kein kreativer Arbeitsflow, sagt Claudia Kirsch, Hamburger Unternehmensberaterin. „Oft machen wir uns mit einer Flut von vermeintlich wichtigen Aufgaben selber Druck. Das ist wahnsinnig anstrengend, und es kommt meist nicht viel dabei heraus. Im Gegenteil, man kann sogar das Wesentliche aus den Augen verlieren.“ Ihr pragmatischer Tipp: bei Stress oder Ärger erst einmal tief durchatmen und sich fragen, was man in einem, in fünf oder in 20 Jahren über die Situation denken wird. „Solch ein Perspektivenwechsel hilft einem, die wahren Aufgaben anzupacken oder entscheidende Gespräche zu führen – und damit den Erfolgskurs einzuschlagen.“ Ach, eins noch: den E-Mail-Account so einstellen, dass er nicht bei jeder neuen Mail „Pling“ macht. „Niemand kann konzentriert arbeiten, wenn er alle zwei Minuten gestört wird.“

FAZIT- Lizenz zum Dösen

Mit weniger Stress mehr erreichen – wenn das keine schönen Aussichten für 2013 sind! Unser Feldwebel muss deshalb keine Existenzangst bekommen, er ist als Teilzeitkraft herzlich willkommen. Klar kann man sich jeden Morgen zum Joggen antreiben, zeitig (und mit schlecht sitzendem Haar) ins Büro hechten und voller Elan mit dem Chef über eine Beförderung diskutieren – und mittags Gemüse knabbern. Aber eine Sache dürfen wir nicht vergessen: Nicht jede Aufgabe und nicht jede Anstrengung sind gut, nur weil unsere Leistungsgesellschaft Mühe höher bewertet als Müßiggang. Statt jede Herausforderung ungeprüft zum persönlichen Ziel zu erklären, trinken wir jetzt öfter einmal gaaaanz langsam eine Tasse Tee, checken, ob wir eigentlich auf der richtigen Bahn laufen, atmen tief durch und genießen den Moment.

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